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Bonusprogramm der DAK: Punkte vom Alter abhängig

Lübeck, 2015 Foto: H.S.

07.04.2016 - von Hanne Schweitzer + J.S.

Bis in die Kappilaren der Prämiensysteme von Krankenversicherungen ist die Altersdiskriminierung inzwischen vorgedrungen. Frau G., 65 Jahre alt, war geschockt, als sie per Zufall Einblick in die neue Art der Bemessung der Bonuspunkte bei der DAK nehmen konnte. Sie ist nicht alleine mit der Ansicht, dass die DAK eine solche Alters-Differenzierung NICHT vornehmen darf.

Dazu muss man wissen: Seit Januar 2016 gilt bei der DAK ein neues Bonusprogramm. Es hat den Zweck, das "gesundheitsbewusste Verhalten" der Versicherten zu fördern. Dieses Rabattmärkchensystem wurde 2004 von den Bundestagsabgeordneten per Gesetz etabliert. Der entsprechende Paragraf 65a, der im Fünften Sozialgesetzbuch steht, heißt: "Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten" und darin ist festgelegt, "unter welchen Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf einen Bonus haben, der zusätzlich zu der (...) abgesenkten Belastungsgrenze zu gewähren ist." Boni können Krankenversicherten gutgeschrieben werden, die:

1.
regelmäßig Leistungen zur Erfassung (!) von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (...) in Anspruch nehmen,
2.
Leistungen für Schutzimpfungen (...) in Anspruch nehmen oder
3.
regelmäßig Leistungen der Krankenkassen zur verhaltensbezogenen Prävention (...) in Anspruch nehmen oder an vergleichbaren, qualitätsgesicherten Angeboten zur Förderung eines gesundheitsbewussten Verhaltens teilnehmen."

Schaun wir mal.

Aus dem neuen, nein, dem "brandneuen" Bonusprogramm der DAK, das bis 2018 gültig sein soll, und im Anhang zur Satzung niedergelegt ist, geht hervor, wie eng die Politik des Bonussystems mittlerweile an das Lebensalter - aber auch an das Geschlecht - der Versicherten gekoppelt ist.

So werden Frauen, die zur Krebsvorsorgeuntersuchung gehen und zwischen 20 und 29 Jahre alt sind, von der DAK 15 Bonus-Punkte versprochen, bei den 30 bis 49jährigen Frauen sind es dagegen nur 10 und bei Frauen ab 50 nur noch 5 Punkte.
Männer unter 45 Jahren können sich für eine Krebsvorsorge keinen einzigen Punkt gutschreiben lassen. Sind sie älter als 49, gibt es dafür 10 Punkte, sind sie über 50 sind es nur noch fünf.

Für einen "Gesundheitscheck-Up" erhalten bei der DAK versicherte Männer zwischen 35 und 49 Jahren 15 Punkte, Männer ab 50 dagegen nur noch 5 Punkte. Der Gesundheitscheck-Up, den Fauen durchführen lassen, wird anders bewertet. Jeder Frau ab dem 35. Lebensjahr werden 10 Punkte in Aussicht gestellt.

Beim "Hautkrebsscreening" wird zwar nicht nach Geschlecht, wohl aber nach Lebensalter differenziert. 35–49 Jährige werden dafür 10 Punkte, über 50Jährigen wieder nur 5 Punkte versprochen.

Auch bei Schutzimpfungen erfolgt die Vergabe der Bonuspunkte allein auf der Basis des Lebensalters. Unter 18Jährigen sollen dafür fünf Punkte gutgeschrieben werden, bei den 18-59 Jährigen sind es 10 Punke, bei den über 60Jährigen nur fünf.

Selbst Kinder werden im Bonusprogramm der DAK nicht gleich behandelt. So erhalten ab 12Jährige für die Teilnahme an einem Kurs "Autogenes Training und Progressive Relaxation" oder "Entspannung - Yoga, Tai-Chi und Qigon" 10 Punkte.

Nun will es das Gesetz, dass die Boni, die von den Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken gezahlt werden, "mittelfristig aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese Maßnahmen erzielt werden, finanziert werden.

Belege für den präventiven Effekt des Rabattmärkchensystems sähe man gerne! Und noch dazu wüßte man gerne, wie es denn um den Datenschutz bestellt ist. Voraussetzung für eine Bonuszahlung sind doch Speicherung, Kontrolle und Überwachung der Daten, die von den Patienten durchgegeben werden müssen.

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Begründung der DAK

Hartnäckigstes Nachfragen war erforderlich, bevor die "D A K Gesundheit- Kundenberatung - Iserlohn" Ihrem Versicherten J.S. am 4. April 2016 die folgende Erklärung für das altersdiskriminierende Bonusprogramm zuschickte:

"Die DAK hat mit ihrem Bonusprogramm die Absicht Menschen zu motivieren, mehr für ihre Gesundheit zu tun.

Warum werden Maßnahmen für jüngere Versicherte höher bewertet ?
Dadurch soll ein Anreiz für jüngere Versicherte geschaffen werden, auch zur Vorsorge zu gehen.

In der Regel haben ältere Versicherte ein größeres Verständnis für die Vorsorge bzw. eine höhere Bereitschaft, zur Vorsorge zu gehen. In jungen Jahren ist bei vielen Menschen die Bereitschaft, sich Gedanken um die Gesundheit zu machen nicht besonderes hoch ausgeprägt: mit einer höheren Bewertung der Maßnahmen
soll deren Motivation gestärkt werden."

Reaktion eines Versicherten:

Das Thema „Altersdiskriminierung“ bei der DAK hat sich jetzt für mich insofern erledigt, dass ich nach fast 50 Jahren meine Mitgliedschaft gekündigt habe und ab 01. Sept. 2016 bei der Techniker-Krankenkasse versichert sein werde.
J.S.

Link: Kampf um soziales Gesundheitssystem - verloren
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung