Löwen, Foto: H.S.
16.03.2017
Die »Yakuza«, wie die Mafia in Japan genannt wird, ist seit langem eng mit der japanischen Atomindustrie verknüpft. Kaum ein anderer – mit Ausnahme der Beteiligten selbst – weiß das besser als der investigative Journalist und Yakuza-Experte Tomohiko Suzuki. Seine Undercover-Reportage »Inside Fukushima« avancierte nach ihrem Erscheinen in Japan schnell zu einem Bestseller.
Suzuki berichtet von hochbrisanten Verbindungen zwischen Yakuza, Atomindustrie und japanischen Politikern. Er hat sich nach dem verheerenden Bersten der Atommeiler in Wallraff-scher Manier als Leiharbeiter über die »Putzkolonnen« ins Innere des Desasters geschlichen – bis er aufflog. Ausgestattet mit Minikameras in Armbanduhr, Brille und einem »Tabaketui« filmte er den desaströsen Zustand im Innern der Gebäude, erfuhr von verstörenden Vorkommnissen und war Zeuge kafkaesker Abläufe, verrichtet von weiß gekleideten Gestalten, die ebenso eingespielt wie enigmatisch erschienen und über deren Effizienz sich nur mutmaßen ließ.
Sebastian Pflugbeil, Physiker und Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, reist seit der Havarie 2011 regelmäßig nach Fukushima und berichtet in einem Nachwort zur deutschsprachigen Ausgabe über den aktuellen Stand des Geschehens.
Tomohiko Suzuki
Inside Fukushima
Eine Reportage aus dem Innern der Katastrophe
Aus dem Japanischen von Felix Jawinski, Heike Patzschke und Steffi Richter
ISBN 978-3-86241-458-1 | 224 Seiten | 18,00 €
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3.2.2017: Strahlung im Reaktor 2 von Fukushima auf 530 Sievert gestiegen: Link
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7.3.2017: Die Atomkatastrophe besteht fort. 6 Jahre Super-GAU von Fukushima
Im Inneren der Reaktorkerne wurden kürzlich so hohe Strahlenwerte gemessen, dass ein Mensch dort nach wenigen Minuten sterben würde. Die Bergung der geschmolzenen Brennstäbe wird vermutlich für viele Jahrzehnte nicht möglich sein, so dass die maroden Kraftwerksgebäude bei zukünftigen Naturkatastrophen eine hohe Gefahr für die gesamte Region darstellen.
Täglich fließen Tonnen von kontaminiertem Kühlwasser ins Grund- und Meerwasser und tragen dort zur ohnehin stark erhöhten Radioaktivität bei. Auch die Dekontaminationsarbeiten an Land sind ins Stocken geraten und werden durch Stürme, Niederschlag und Überflutungen regelmäßig zunichte gemacht. Aufgrund der stetig wachsenden Berge an Strahlenmüll wurden kürzlich in ausgewählten Ortschaften die gesetzlichen Grenzwerte für Baumaterialien angehoben, um radioaktive Erde für den öffentliche Straßenbauprojekte nutzen zu können - eine Initiative die nach heftigen Protesten der betroffenen Gemeinden eingestellt werden musste.
Die Behörden üben zunehmend Druck (indem sie den Wohnungsgeldzuschuss streichen) auf die knapp 100.000 Menschen aus, die ihre Heimat aufgrund der radioaktiven Kontamination verlassen mussten und bis heute als Strahlenflüchtlinge übers Land verstreut sind. Sie sollen möglichst bald in die verwaisten Ortschaften in Fukushima zurück kehren, auch wenn dort die Strahlenwerte weiterhin so hoch sind, dass man dort nicht ohne gesundheitliche Gefährdung leben kann. Vor allem für junge Familien, immungeschwächte und Kinder ist eine Rückkehr daher keine Option. Da die Zahl der Rückkehrer anhaltend niedrig ist, sollen den Strahlenflüchtlingen nun die staatlichen Subventionen gekürzt werden.
Derweil steigt die Zahl der diagnostizierten Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern in Fukushima weiter an. Waren es nach der ersten Reihenuntersuchung im März 2014 noch 101 Fälle, sind es nun, nach der ersten Nachuntersuchung zwei Jahre später, 145 Fälle. Das bedeutet, dass sich bei 44 Kindern der Krebs erst in den letzten zwei Jahren gebildet haben muss. Dies entspricht einer Erkrankungshäufigkeit (Inzidenz) von 8,1 Fällen pro 100.000 Kindern pro Jahr. Vor Fukushima lag die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs in Japan bei 0,3 Fällen pro 100.000 Kindern pro Jahr.Erschwerend kommt hinzu, dass die Schilddrüsenuntersuchungen bald zum Erliegen kommen könnten.
Schon jetzt wird über ein Einstellen der Reihenuntersuchungen gesprochen. Vertreter der zuständigen Fukushima Medical University besuchen Schulen in der Präfektur Fukushima und raten Kindern und Jugendlichen, die Ultraschalluntersuchungen abzulehnen, wenn sie keine "unvernünftigen Krebsdiagnosen" erhalten wollen.
Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Tel. 030 698074-15, Email: wilmen@ippnw.de, Link
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Jahrestag der Fukushima-Katastrophe: Proteste in ganz Japan – und
überall auf der Welt, auch in der BRD
„Ende März soll nun das schwer betroffene Dorf Itate ebenfalls zur
bewohnbaren Zone erklärt werden. Erneut macht Greenpeace darauf
aufmerksam, dass die Strahlenwerte dort noch immer gefährlich hoch
sind – und einmal mehr droht der Staat jenen, die aus Rücksicht auf ihre Gesundheit nicht zu einer Rückkehr bereit sind, mit der Kappung finanzieller Hilfen. So setzt sich jener Umgang mit den Opfern der Katastrophe fort, den Japans rechtskonservative Regierung unter der »Liberaldemokratischen Partei« (LDP) seit jeher pflegt: Die Betroffenen werden weitgehend allein gelassen, währenddessen kamen die Verantwortlichen des Atomkonzerns Tepco, deren Ignoranz gegenüber Risiken und Sicherheitsmängeln einen nicht unerheblichen Teil zu der Katastrophe beigetragen hatte, mit einer tiefen Verbeugung auf einer Pressekonferenz davon. Bereits 2002 war bekanntgeworden, dass Firmenvertreter mehr als 16 Jahrelang Reparaturberichte über Tepcos Kernkraftwerke gefälscht und den Aufsichtsbehörden in Hunderten Fällen sicherheitsrelevante Vorfälle verschwiegen hatten“ – so werden die „Ausgangsbedingungen“ in dem Beitrag „Wut und Widerstand“ von Michael Streitberg am 10. März 2017 in der jungen Welt skizziert und zu der Widerstandsbewegung unter anderem berichtet: „NAZEN gründete sich ebenfalls bereits 2011. Im Gegensatz zur »Coali¬tion« ist die Gruppe klassenkämpferisch orientiert. Sie betrachtet die Atommisere als Teil der Misere des Kapitalismus und sucht dementsprechend die Zusammenarbeit mit der Arbeiterbewegung. Ihre Aktionen werden unter anderem vom marxistischen Studierendenverband Zengakuren und der kämpferischen Eisenbahnergewerkschaft in Chiba, Doro-Chiba, unterstützt“
Linkwiderstand.html
Siehe dazu weitere aktuelle Beiträge, auch zu
Solidaritätsaktionen in der BRD.
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Sonstiges:
09.03.2017: Jahrbuch Altersdiskriminierung 2016: BUCHTIPP
14.02.2017: Bundespräsidentenwahl: Wer kriegte wieviele Stimmen?
11.02.2017: Es war einmal ein Land (Syrien)
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