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Senioren als Zielgruppe

Meknes, Foto: H.S.

03.04.2017 - von Gerd Feller

In zunehmendem Maße bieten in Bremen Dienstleistungsunternehmen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen für Behinderte undSeniorinnen /Senioren an, die Schwierigkeiten mit technischen, räumlichen und sonstigen Gegebenheiten und Veränderungen in ihrer Lebensumwelt haben.

Solche Angebote fügen sich nahtlos in andere bundesweite Bemühungen ein, den behinderten und älteren Menschen den Alltag zu ermöglichen. Es werden massenweise PC-Kurse angeboten. Nicht nur die Bedienung von Automaten aller Art, auch die Bedienung moderner digitaler Kameras kann man erlernen. Demnächst sind auch Kurse für den digitalen Informationsaustausch mit dem Hausarzt und überhaupt zur Erhaltung zwischenmenschlicher Kommunikation spruchreif.

Öffentliche Verkehrsbetriebe praktizieren Übungen für die älteren Nutzer/-innen ihrer Automaten und für Rollator- und Rollstuhlfahrer, damit sie die Mobilitätsbarrieren in Bahnen und Bussen bewältigen. Geldinstitute schließen sich mit Seminaren zum Umgang mit ihren Automaten an.

Senioren/Seniorinnen können spezielle Kurse in Englisch belegen, damit sie die heutige denglische Alltagssprache verstehen und situationsgemäß anwenden. Wahrscheinlich macht es die geplante Bremer Polizeireform erforderlich, dass sich insbesondere die älteren Menschen in Fortbildungskursen für die eigene Verteidigung ertüchtigen.

Unter den Werbeannoncen finden sich sogar sehr exotische Angebote wie das „Ausmisten und Entrümpeln mit Hilfe des Feng Shui“ oder ein „Erlebnis Singl Malt Wisky Tasting“ mit „Nosingglasses, Brot und Wasser zur Anregung aller Seniorensinne“ und bei Übertreibung auch zur Bewältigung der Altersrealität. Man veranstaltet sogar schon Seniorenbildungsmessen mit teils interessanten, teils aber auch mit ziemlich überflüssigen Fortbildungsthemen.

Alt werden wird immer teurer
Das alles gibt es nicht umsonst, sondern kostet Geld und dient selbstverständlich dem Zweck, Nachfragen zu provozieren, Senioren zu vermarkten und damit unternehmerische Gewinne einzustreichen. Das ist marktwirtschaftlich verständlich. Problematisch wird es, wenn dabei die Aufgaben von Dienstleistern stückweise der älteren Kundschaft zugeschanzt werden, um Personal oder die Kosten für eine barrierefreie Nutzung von Gerätschaften und Räumlichkeiten einzusparen.

Kundendienst heißt dann nicht Dienst am Kunden, sondern Dienst des Kunden. Der Kunde wird sein eigener Dienstleister. Man stimmt wohl auch bei den jetzigen Dienstleistern darin überein, dass der Bedarf an Fortbildung für die Bewältigung des Alltags in zehn Jahren ausläuft. Ich denke, das können nur diejenigen glauben, die vom Altern wenig Ahnung haben.

Was ist das für eine Welt, in der kostenpflichtige und anstrengende Seniorenhilfen für das Alltagsleben nötig sind? Sicher keine schöne neue Welt! Denn in ihr geht Vieles zu Lasten derjenigen, die sich solche Hilfen wegen niedriger Renten, körperlicher Gebrechen, Altersarmut oder peripherer Wohnlagen gar nicht leisten können. Sie sind letztlich ausgeschlossen von der Alltagsfortbildung. Außerdem gibt es altersgemäße Entwicklungen, die Lernprozesse erheblich stören oder schnell wieder verwischen können. Man sollte sich auch fragen, ob man erwarten darf, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und im Alter mit den Folgen kämpfen müssen, trotz aller Fitnessideologie noch daran interessiert sind, sich wegen jeder fortschrittlichen Alltagsanforderung fortbilden zu lassen, damit sie noch am Kultur- und Wirtschaftsleben teilnehmen können. Hier sind gerade die Dienstleister gefordert, sich selbst wie bisher auf ältere Kunden einzustellen, wenn sie am Alter verdienen wollen.

Achtung, liebe Geldinstitute, Verkehrs- und Versorgungsunternehmen, in Kürze gehören 25% der Bevölkerung zur Generation 60plus. Bis dahin solltet Ihr langsam gelernt haben, Euch in einer neuen alten Welt zurechtzufinden, wenn ihr bestehen wollt. Die Fortschrittsplaner sollten daran denken, dass auch sie mal alt werden, und nicht vergessen, wie man im Alter naturgemäß tickt.

Quelle: Durchblick, April 2017