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Seniorengerechte Produkte oft altersdiskriminierend

23.06.2005 - von Hanne Schweitzer

„Stigmatisierend“ nennt Professor Wolfgang Friesdorf von der TU Berlin, Produkte, die ältere Menschen mit körperlichen und geistigen Defiziten in Verbindung bringen. Seniorengerecht ist eben nicht behindertengerecht.

Friesdorf untersuchte im Projekt „Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag“, abgekürzt (Sentha) mit Konstruktions- und Elektrotechnikern, Designern, Soziologen und Kommunikationsforschern Alltagsgeggenstände für Senioren. Die mangelnde Einbeziehung der Senioren sei eine der häufigsten Ursachen für Fehlentwicklungen bei technischen Produkten, so Friesdorf, und definiert das Alter dieser Gruppe merkwürdigerweis von 60 - 85. Merkwürdig, weil 60Jährige voll im Berufsleben stehen sollten und mit 85 nicht schlagartig die umfassende Pflegebedürftigkeit beginnt. So simpel ist das Leben nun mal nicht!

Friesorf vertritt eine Meinung, die längst für viele nichtwissenschaftlich arbeitende SeniorInnen einen langen Bart hat. Viele Produkte, die mit dem Label "seniorengerecht" daherkommen, sind es nicht. Aber jenseits dieses Ettikettenschwindels sind es vor allem praktische, pfiffige bunte Produkte, die das Leben erleichtern, und die man in Großbritannien, Kanada oder den USA und in Skandinavien sehr viel häufiger findet als hierzulande.

In den Seminaren des Professors sitzen SeniorInnen und StudentInnen gemeinsam, um praktische Gegenstände des Alltags gemeinsam zu entwickeln.

Auch das Deutsche Zentrum für Gerontotechnik (DZG) in Iserlohn besschäftigt sich seit Jahren mit seniorengerechten Produkten. ALlerdings werden diese dort nicht entwickelt, sondern getestet und bewertet. Als Tesetpersonen werden dort ebenfalls SeniorInnen eingesetzt.

Doch was nutzen diese Tropfen auf den heißten Stein der bundesdeutschen Senioren-Design_Unfreundlichkeit wenn z.B. der Einbau einer allenthalben propagierten - in den Niederlanden seit Jahrzehnten selbstverständlichen - bodengleichen Dusche von hiesigen Sanitätshandwerkern meist vehement abgelehnt wird, weil sie aus technische/baulichen Gründen nicht möglich sei. Wenn dieser Ablehnungsgrund keine handwerkliche Unfähigkeit vertuscht, dient er vor allem dazu, zu kaschieren, daß Installateure gerne Duschtassen und gläserne Duschkabinen verkaufen möchten.
Mit der Durchführung dieser Arbeiten lassen sie sich dann viel Zeit und der Umbau eines Badezimmers mit Wanne in eines mit Dusche, die trotz Zusage natürlich NICHT bodengleich war, dauerte bei der Nachbarin einer Bekannten sage und schreibe 6 (in Worten sechs) Wochen. Mal war der Lehrling krank, mal fehlte ein wichtiges Teil, mal war dies, mal war jenes, nur kontinuierliche Arbeit, das war meist nicht. Dabei war dies ein Meisterberieb und kein Frickler von der Ecke. Dieses Land ist eine riesige Dienstleistungswüste!

Link: http://www.sentha.tu-berlin.de www.srg-berlin.de www.gerontotechnik.de
Quelle: Rheinischer Merkur, 23.06.2005