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Bertelsmann verklagt Blogger wegen Kritik an Stern-Artikel

Foto: H.S.

26.03.2018

Der Bertelsmann-Konzern verklagt einen Familienvater im Namen seines Journalisten Marc Drewello. Am 29. März 2018 findet vor dem Hamburger Oberlandesgericht die nächste Runde statt. Bertelsmanns Magazin „Stern“ will per Gerichtsbeschluss Kritik an der bizarren Propagandastory aus dem Syrienkrieg um das kleine Mädchen Bana Alabed verbieten. Die Hamburger Gerichte verhandelten zwei Mal mit Bertelsmann-Vertretern, ohne den Beklagten, der dann erst zur dritten Gerichtsverhandlung eingeladen war, darüber zu informieren und entsprachen dem Anliegen der Bertelsmänner.

Der Rechtsanwalt des Bloggers vom „Blauer Bote Magazin“ – Markus Kompa – dazu: „Man muss sich das mal vorstellen: Man bekommt einen Monat lang in Abwesenheit den Prozess gemacht, ohne dass einem das Prozessgrundrecht des rechtlichen Gehörs gewährt wird. Dann erfährt man vom Ergebnis, das dann aus Prinzip verteidigt wird, und das Landgericht Hamburg liest keine weiteren Schriftsätze mehr. Deratiges habe ich in 15 Jahren Anwaltspraxis nicht erlebt.“.

Wie sich in der ersten Verhandlung mit dem Beklagten herausstellte, hatten die Richterinnen des Hamburger Landgerichts die Eingaben Kompas erst gar nicht gelesen – dabei war dies das erste Mal, dass sich der Blogger überhaupt zu den Anschuldigungen äußern konnte, weil er erst jetzt von den Verhandlungen wusste. Zu Beginn dieser insgesamt dritten Verhandlung kündigte die Vorsitzende Richterin mit großem Pathos an, dass sie die Entscheidung des OLG Hamburg (aus der zweiten Geheimverhandlung) nicht in Frage stellen würde. Bei der vierten Verhandlung am 16.3.2018 wiederholte sie dies. In der ersten Geheimverhandlung hatte sie noch auf Meinungsfreiheit zugunsten des Bloggers entschieden.

Der Stern behauptet weiterhin vor Gericht, bei der Bana-Alabed-Story handele es sich um die reine Wahrheit. Um den Blogger belangen zu können, mussten sich die Hamburger Gerichte allerdings etwas anderes einfallen lassen, denn mit dieser Propagandageschichte um Bana Alabed konnten sie offensichtlich nicht argumentieren. Also ließen die Richter die lästige Realität beiseite, erfanden einfach eine völlig neue Rechtsauffassung und erklärten Journalisten quasi für narrenfrei und an keinerlei Pflichten gebunden. Medienanwalt Markus Kompa dazu:

„Der Irrwitz der Hamburger Unterlassungsverfügung gegen den Blauen Boten lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: Professionelle Journalisten dürfen unkritisch den größten Blödsinn und die infamste Kriegspropaganda verbreiten, denn eine Wahrheitspflicht ist dem deutschen Journalismus fremd. […] Vorliegend also müsste der Blogger beweisen, dass stern.de und deren Sternenkrieger Marc Drewello vorsätzlich lügen, es könnte ja auch schlichte Dummheit gewesen. Dabei interessiert es auch niemanden, dass stern.de die Propaganda nach wie vor unkommentiert fröhlich weiter verbreitet. Dummheit kann nämlich auch ein anhaltender Zustand sein.“

Auf die mehrfachen Fragen des Bloggers in der Verhandlung, ob es nicht auch um die Wahrheit, Fakten, Beweise, wissenschaftliche Tatsachen gehe, antwortete die Vorsitzende Richterin des LG Hamburg stets: „Das spielt hier keine Rolle.“. Stattdessen sagte sie: „Sie wissen ja nicht, was im Kopf von Herrn Drewello vorgeht“ – und deshalb darf man nach dieser Hamburger Rechtsauffassung unter Strafandrohung (ein halbes Jahr Haft oder sehr hohe Geldstrafen) beispielsweise nicht davon sprechen, dass im Falle der Bana-Alabed-Story eine Lügengeschichte verbreitet wird oder Fake News verbreitet werden. Dass Herr Drewello selbst wenige Tage zuvor bei Twitter andere Menschen der Verbreitung von Fake News bezichtigt
hatte, spielte selbstverständlich auch keine Rolle.

Eine Analogie macht die Absurdität der Gerichtsentscheidung deutlich: Würde ein Journalist, der häufig zu geografischen Themen schreibt, in einem Beitrag behaupten, die Erde sei eine Scheibe und ein Leser würde ihn dann als „Verbreiter von Falschnachrichten“ oder ähnlich bezeichnen, dann könnte er dafür von dem entsprechenden Medium verklagt werden. Die Tatsachen – die Erde ist keine Scheibe – spielen dabei keine Rolle. Entscheidend sei, dass dem Journalisten keine Absicht nachgewiesen werden könne. Eine angenommene – absolut unrealistische – verheerende Inkompetenz schützt ihn vor jeglicher Kritik. Auch wer korrekterweise behauptet, Stern-Journalisten hätten Falschmeldungen zu Hitler-Tagebüchern verbreitet, kann nun also in den Knast wandern.

Der Blogger kämpft weiter und wird bis auf Bundesebene und notfalls darüber hinaus gehen, um sich gegen die Klage des Bertelsmann-Konzerns zu wehren und um die Meinungsfreiheit im allgemeinen zu verteidigen. Sollten die Beschlüsse der Hamburger Gerichte weiterhin so bestehen bleiben und als Vorlage für ähnliche andere Verhandlungen dienen, hätte das auch für den Rest der Bevölkerung verheerende Auswirkungen, was die Möglichkeit der Kritik an Propaganda und Falschberichterstattung angeht, selbst wenn diese so offensichtlich ist wie im Falle des damals siebenjährigen Mädchens Bana Alabed, das als Handpuppe für Propagandabotschaften missbraucht wurde, die es mit Sicherheit nicht selbst formuliert hat:

„My name is Bana, I’m 7 years old. I am talking to the world now live from East #Aleppo. This is my last moment to either live or die. – Bana“
„I take a mission to save as many lives as I can. It’s my duty. It’s everyone’s duty. Wake up & do something today.“
„Dear children, Never loose hope. You are future of this world, we suffer now but we shall overcome. We are weak now but
we shall be stronger“
„Dear world, it’s better to start 3rd world war instead of Russia & assad commit #HolocaustAleppo“

Das Buch, welches mittlerweile Achtjährige nach Angaben ihres Verlages ganz alleine und natürlich in der Fremdsprache Englisch geschrieben haben soll – die Mutter habe nur kurze Zwischenkapitel dazu beigetragen – trägt übrigens den Titel „Dear World“ …

Quelle: PM Blauer Bote, 26.3.2018