Diskriminierung melden
Suchen:

EU-Grundrechte-Report fordert besseren Schutz vor Altersdiskriminierung

Foto: H.S:

Europäische Union - 20.06.2018

In ihrem Grundrechte-Bericht 2018 zeigt die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) etliche Bereiche auf, in denen es Probleme mit den Grundrechten gibt. Dazu gehören auch Bereiche, in denen ältere Menschen der Zugang zu ihren Grundrechten verweigert oder erschwert wird. Im Grundrechtebericht 2018 sind die Stellungnahmen der Agentur für Grundrechte zu den wichtigsten Entwicklungen gebündelt. Er bietet einen knappen Überblick über die Herausforderungen, mit denen die EU und ihre Mitgliedstaaten im Bereich der Grundrechte konfrontiert sind. Das Fokuskapitel des Grundrechteberichts 2018 ist der Gleichstellung älterer Menschen und der Achtung ihrer Grundrechte gewidmet.

„Grundrechte sind nicht nur für junge Menschen da. Sie schützen Menschen jedes Alters“, sagt der Direktor der FRA, Michael O’Flaherty. „Wir müssen mehr für den Schutz der älteren Mitglieder unserer Gesellschaft tun. Es ich höchste Zeit, dass politische Zusagen in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Wir müssen uns für die bürgerlichen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte älterer Menschen einsetzen.“

Der Bericht hebt hervor, wie wichtig es ist, den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Alters durch die Annahme der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie zu stärken. Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie soll den Schutz vor Diskriminierung erweitern. Neben der Beschäftigung soll er auch den Zugang zu Dienstleistungen, Wohnraum, der Bildung, der Gesundheitsversorgung abdecken. EU-Mittel sollen besser genutzt werden, um die Inklusion und Gleichstellung älterer Menschen zu fördern.

1. Kapitel: Neue Perspektiven: hin zu einem rechtebezogenen Ansatz für das Altern
In diesem Kapitel geht es um den langsamen, aber unaufhaltsamen Prozess des Umdenkens in Bezug auf ältere Menschen: weg von der Wahrnehmung des Alters als ein Defizit, das Bedürfnisse verursacht, und hin zu einem umfassenderen Denken, das dem Altern von einem rechtsbasierten Ansatz aus begegnet. Bei diesem sich schrittweise vollziehenden Paradigmenwechsel ist es ein zentrales Anliegen, das
Grundrecht auf Gleichbehandlung aller Menschen ungeachtet ihres Alters zu respektieren und gleichzeitig jenen, die darauf angewiesen sind, Schutz und Unterstützung zu bieten.

Ein Menschenrechtsansatz steht nicht im Widerspruch zur Realität altersspezifischer Bedürfnisse, sondern ermöglicht im Gegenteil, diesen Bedürfnissen innerhalb eines
menschenrechtsbasierten Gesamtkonzepts besser gerecht zu werden. Die Arbeitsmärkte und einzelstaatlichen Sozialschutzsysteme wurden bereits tiefgreifend reformiert, um nicht nur der höheren Lebenserwartung gerecht zu werden, sondern auch den Herausforderungen, die eine alternde Gesellschaft an die nationalen Wirtschafts- und Sozialsysteme stellt. Dieser Prozess begann in der Europäischen Union (EU) und weltweit mit einer Reihe von Initiativen. Dazu gehören
die Bekämpfung der Altersdiskriminierung im Beschäftigungsbereich, die Förderung des aktiven Alterns und Anreize für ein längeres Erwerbsleben. Zudem wurden das Alter betreffende Sozialsysteme reformiert, wie die Rente, das Gesundheitswesen und die Langzeitpflege. Die Reformen bewegen sich dabei auch weg von bedarfsorientierten Konzepten, die sich an der Überwindung altersbedingter „Defizite“ ausrichten, und konzentrieren sich stattdessen mehr auf die Einzelperson, einen Menschen mit Grundrechten und inhärenter Menschenwürde. Nach Artikel 1 der EU-Grundrechtecharta ist die Würde des Menschen unantastbar und ist, unabhängig vom Alter, zu achten und zu schützen.

Diese Verschiebung der Sichtweise darf jedoch nicht dazu führen, die altersbedingten Bedürfnisse älterer Menschen zu übersehen oder die Verantwortung des Staates gegenüber jeder einzelnen bedürftigen Person – auch älteren Menschen – herabzusetzen.

Ältere Menschen sind eine heterogene Gruppe mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorlieben. Viele Vorlieben und Erfahrungen, die sich aus dem
Lebenslauf einer Person ergeben, beeinflussen die Situation eines Menschen im Alter. Geschlecht, Migrationshintergrund oder die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit sowie der sozioökonomische Status und geografische oder andere Aspekte können sich verstärkt negativ für ältere Menschen auswirken. Diese Aspekte bestimmen größtenteils, inwieweit ältere Menschen ihre Rechte wahrnehmen
können.

Die zivilgesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in der EU-Grundrechtecharta gelten für jeden, unabhängig vom Alter. Nichtsdestotrotz wird das Alter insbesondere in Artikel 21 als geschützte Diskriminierungskategorie aufgeführt, und Artikel 25 erkennt „das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen
und kulturellen Leben“ an.

Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für ältere Menschen in unterschiedlichen Lebensabschnitten und ein würdevolles Leben wurden auch in die kürzlich proklamierte Europäische Säule sozialer Rechte aufgenommen. Laut der Europäischen Kommission geht die Europäische Säule sozialer Rechte „zum Teil über den derzeitigen Besitzstand hinaus“. Ziel ist es, darüber nachzudenken, wie der Schutz gegen Diskriminierung aufgrund des Alters auf die Bereiche des Sozialschutzes ausgeweitet werden kann, wie etwa Sozialversicherung und Gesundheitswesen, Bildung und Zugang zu öffentlich verfügbaren Gütern und Dienstleistungen.

Auch wenn sie nur ein rechtlich nicht bindendes Paket an Grundsätzen und Rechten ist, so signalisiert die Verkündung der Säule sozialer Rechte einen starken politischen Willen und die Verpflichtung der EU-Organe und -Mitgliedstaaten, an einem sozialeren und integrativeren Europa zu arbeiten – einem Europa, dass besser und respektvoller mit seinen Menschen umgeht und niemanden ausschließt. Dies bietet der EU und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, konkrete Ergebnisse zur Förderung und Umsetzung der Rechte älterer Menschen zu erbringen, die einen bedeutenden Teil des Humankapitals darstellen und wesentlich zu allen Lebensbereichen beitragen können.

Es ist jedoch nur der erste Schritt in diesem Prozess, Regeln und Mindeststandards festzulegen. Ebenso wichtig ist es, Menschen zu sensibilisieren und bestehende Koordinierungs- und Überwachungsmechanismen zu nutzen, um die in der Charta
verbrieften Grundrechte aller, einschließlich älterer Menschen, zu erfüllen. Für dieses Bemühen ist ein Engagement der EU-Organe und -Mitgliedstaaten unbedingt erforderlich.

In diesem Sinn sind die folgenden Stellungnahmen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ein Ansatz, um den Prozess zu einem umfassenden menschenrechtsbezogenen Ansatz für das Altern zu unterstützen.

FRA-Stellungnahme 1.1
Der EU-Gesetzgeber sollte seine Bemühungen um eine Annahme der Gleichbehandlungsrichtlinie fortführen. Diese horizontale Richtlinie wird den Schutz gegen Diskriminierung aus unterschiedlichen Gründen, etwa des Alters, auf Bereiche ausweiten, die insbesondere für ältere Menschen von Bedeutung sind, beispielsweise
den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Sozialversicherungen, Gesundheitswesen und Wohnraum.

FRA-Stellungnahme 1.2
Um die sozialen Rechte stärker zu schützen, sollte der EU-Gesetzgeber konkrete rechtliche Maßnahmen fortführen und die Grundsätze und Rechte der Europäischen Säule sozialer Rechte weiter umsetzen. In dieser Hinsicht sollte er eine schnelle Annahme der vorgeschlagenen Richtlinie zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sicherstellen und das Verfahren zur Annahme eines europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit beschleunigen. Um Kohärenz mit den anderen EU-Rechtsvorschriften zu gewährleisten, sollte der Rechtsakt zur Barrierefreiheit Vorschriften beinhalten, die ihn mit anderen relevanten Rechtsakten, wie den Rechtsvorschriften zu den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, verknüpfen.

FRA-Stellungnahme 1.3
Die Organe und Mitgliedstaaten der EU sollten erwägen, die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds sowie andere Finanzinstrumente der EU zur Förderung eines menschenrechtsbezogenen Ansatzes für das Altern zu nutzen. Um Reformen voranzutreiben, die ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben sowie Möglichkeiten
für die Teilnahme älterer Menschen fördern, sollten die Organe und die Mitgliedstaaten der EU im kommenden Programmplanungszeitraum (nach 2020) Ex-ante-Konditionalitäten sowie Bestimmungen zur Überwachung derer Umsetzung
bestätigen und verstärken. Solche Maßnahmen sollten sicherstellen, dass die EUFinanzmittel im Einklang mit grundrechtlichen Verpflichtungen eingesetzt werden.
Darüber hinaus sollten die Organe und Mitgliedstaaten der EU die Herausforderungen, mit denen ältere Menschen konfrontiert sind, in wichtigen
politischen Koordinierungsmechanismen wie dem Europäischen Semester angehen.

Die weiteren Kapitel:
2. Die EU-Grundrechtecharta und ihre Anwendung durch die Mitgliedstaaten
3. Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung
4. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit einhergehende Intoleranz
5. Integration der Roma
6. Asyl, Visa, Migration, Grenzen und Integration
7. Informationsgesellschaft, Privatsphäre und Datenschutz
8. Rechte des Kindes
9. Zugang zur Justiz, einschließlich der Rechte der Opfer von Straftaten
10. Entwicklungen bei der Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

zu finden unter: FRA Grundrechte-Bericht 2018 http://fra.europa.eu/en/publication/2018/fundamental-rights-report-2018

Link: Kalifornien: Verbot der Altersdiskriminierung im täglichen Leben, Unruh Act, 1959
Quelle: FRA