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Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch immer ohne ChefIn - 5.Antidiskriminierungsrichtline der EU NICHT der Grund

Foto: H.S.

19.12.2018 - von Hanne Schweitzer

Die gut dotierte Leitung der Antidiskriminierungsstelle ist seit knapp acht Monaten vakant. "Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird momentan kommissarisch von Bernhard Franke geleitet", heißt es dazu lapidar auf der Webseite. Momentan, das ist untertrieben. Christine Lüders wurde als ( zweite) Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bereits am 27. April 2018 aus dem Amt verabschiedet. Weil sie das Rentenalter und die Rente erreicht hatte. Bis heute, 19. Dezember 2018, ist die Amtsleitung nicht wieder besetzt. Die Arbeit geht aber weiter, vielleicht sogar konzentrierter als vorher. Was auch an den differenzierten Beschwerden über Altersdiskriminierung liegen könnte, die mittlerweile von den MitarbeiterInnen renommierter Unternehmen und Organisationen vorgetragen werden.

Gestaltet sich die Personalauswahl für die Stelle schwierig? "Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle wird fortgesetzt", heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und erneuerter SPD. Und Paragraf 26 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bestimmt, dass die Leitung der Antidiskriminierungsstelle vom Bundesfamilienministerium (aktuell SPD) ernannt wird, allerdings auf Vorschlag der Bundesregierung! Wo hakt`s? Nun, es hakt bei der Personalauswahl. Eine/r der beiden BewerberInnen die/der es in die Endauswahl geschafft hatten, klagt vor dem Verwaltungsgericht, weil er/sie die Leitungsfunktion nicht bekommen hat, sondern der/die andere. Und weil die Verwaltungsgerichte nicht gerade üppig mit Personal besetzt sind, und weil Klagen deshalb dauern, ist die Stelle schon so lange vakant. Und nicht, wie hier vermutet, wegen der anstehenden Novellierung des AGG.

Desungeachtet sei erneut auf die nebulöse Aussage hingewiesen, die sich im Koalitionsvertrag des vierten Kabinetts Merkel findet. Die Bundesregierung plane, heißt es da, "im Rahmen der Weiterentwicklung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)" zu prüfen, "wie Private, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, angemessene Vorkehrungen umsetzen können. Ein erster Schritt wird den Gesundheitssektor betreffen."

Angemessene Vorkehrungen? Dienstleistungen für die Allgemeinheit? Gesundheitssektor? Warum so vage, warum so schlechte deutsche Sprach´ ? Was bedeutet Gesundheitssektor? Auf neudeutsch wird damit die ´Gesamtheit der Aktivitäten zur Förderung der Gesundheit` beschrieben. Was also früher GesundheitsWESEN genannt wurde, nennt die Bundesregierung jetzt SEKTOR.

Wer wird im Gesundheitssektor aus welchem Grund diskriminiert?
Menschen mit anderer Hautfarbe oder ethnischer Herkunft können nicht gemeint sein. Für sie ist das Diskriminierungsgebot im Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfassend geregelt. Nicht, weil die Bunderegierung das gewollt hätte, sondernd deshalb weil mit der EU-Richtinie 43 (Antirassismusrichtlinie) im Jahr 2000 ein europaweit das Verbot der Diskriminierung wegen der sogenannten Rasse oder der ethnischen Herkunft festgelegt wurde. Dieses gilt in den gesellschaftlichen Bereichen: Beschäftigung und Beruf, Sozialschutz, bei der allgemeinen Bildung, beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum und auch - im Gesundheitswesen.

Bei den "angemessenen Vorkehrungen" haben die Koalitionäre von CDU/CSU und erneuerter SPD an andere Diskriminierungsgründe gedacht. Sie hatten Gründe für Diskriminierungen im Blick, die im Gesundheitssektor, und nicht nur da, noch immer legal sind. Dazu gehören: Alter und Geschlecht, sexuelle Orientierung und Religion.

Dazu muss man wissen: Schon im Jahr 2008 wollte die EU-Kommission das von ihr selbst mit den beiden Richtlinien 43 + 78 aus dem Jahr 2000 etablierte Zweiklassenrecht in der europäischen Diskriminierungspolitik beenden und der Hi­e­r­ar­chi­sie­rung von Merkmalen Einhalt gebieten. Der Schutz, der für die ethnische Herkunft und die rassistische Diskriminierung (EU-Richtlinie 43) gilt, sollte fortan auch für alle anderen Diskriminierungsarten, die in der EU-RIchtlinie 78 aufgezählt werden, gelten.

Doch die damalige Bundesregierung spielte nicht mit. CSU, CDU, FDP und sämtliche Wirtschaftsverbände mitsamt ihrer willfährigen TrompeterInnen in den Medien sagten "Njet" zur 5. Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union, die im EU-Parlament schon abgenickt worden war. Ausser den BürgerInnen wollte so etwas hierzulande keiner haben: Diskriminierungsverbot für alle Personen im öffentlichen und privaten Bereich, einschließlich öffentlicher Stellen, beim den Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, beim Sozialschutz und der sozialen Sicherheit und bei den Gesundheitsdiensten. Die Vertragsfreiheit war bedroht!

Jetzt, 10 Jahre später, hat die EU eine neue Initiative in dieser Angelegenheit gestartet. Das weiß die Bundesregierung. Da kommt was auf sie zu. Mit dem vagen Geschrubbbel aus dem Koalitionsvertrag ist es dann nicht getan. Die neue Leitung der Antidiskriminierungsstelle, wenn sie denn mal da ist, muss einen gekonnten Spagat zwischen handfester Vertretung der Wirtschafts- und Regierungsinteressen und den berechtigten Bürgerinteressen zur Zufriedenheit aller Verbände und Parteien hinkriegen.

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EU-Grundrechtereport fordert besseren Schutz vor Altersdiskriminierung
Link

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sich

Link: Schwarz/Gelb: NEIN zur 5. Antidiskriminierungsrichtlinie
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung