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Hilfe für schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete in Not

Foto: H.S.

08.01.2019

Die Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten sind von Altersarmut bedroht. Das meldeten die regionalen Zeitungen im Juli 2018. Landtagspräsident Klaus Schlie hatte zuvor alarmierende Mitteilungen an die Presse gegeben. Was war passiert? Im Jahr 2007 beschlossen die Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein ihre staatlichen Pensionen durch Privatvorsorge abzulösen. Im Jahr 2018 stellten sie mit Entsetzen fest, dass ihre Rentenansprüche nur noch ein Drittel so hoch sein werden wie nach der alten Pensionsordnung.

Wie konnte das passieren?
Fehlte den Abgeordneten Sachverstand? Haben sie die Risiken und Kosten der Privatvorsorge falsch eingeschätzt?
Nun: Nach dem Versorgungsrecht, das bis 2007 in Schleswig Holstein galt, hättenLandtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 nach fünf Jahren einen Pensionsanspruch von 1.510 € pro Monat gehabt (*). Wegen des seit 2007 geltenden neuen Rechts kommen nach fünf Jahren aber nur noch 384 € monatlich raus (**). Und das, obwohl für jeden Abgeordneten jeden Monat 1.829 € bzw. 21.948 € pro Jahr aus der Staatskasse für private Vorsorge ausgegeben werden, kommt ein so erbärmlicher Betrag zu Stande.

Spätes Erwachen
Blankes Entsetzen bei den Abgeordneten. Das Wort Altersarmut erreicht sie plötzlich ganz persönlich. Welchen Selbstbetrug hatten sie da eigentlich im Jahr 2007 eifrig beschlossen? Geraten worden war ihnen das von einer hochrangigen und teuren Sachverständigenkommission. Zur Lösung des eklatanten Versorgungsproblems soll jetzt aber wieder eine hochrangige und teure Expertenkommission tätig werden. Herr Schlie hat dafür schon mal 210.000 € in den Haushalt eingebucht. Es droht eine ähnlich mangelhafte Beratung wie vor 2007.

Wirklich skandalös ist:
- Bei eigener direkter Betroffenheit, reagiert die Vertretung der Politiker sofort.
- Das 90% ihrer Wähler durch Gesetze in eine ähnliche Situation hineingedrückt wurden, lässt sie kalt.
- Das Desaster der jetzigen und zukünftigen Rentner heißt Riester-Rente. Seit 2003 wurde die gesetzliche Rente systematisch gekürzt. Wer nicht in Altersarmut landen wollte, sollte privat vorsorgen, der sollte „riestern“. Die Rentenerwartung aus den Riester-Verträgen ist aus vielerlei Gründen noch mieser. Ein Durchschnittsverdiener hat, grob gerechnet, einen Rentenanspruch von ca. 20 € im Monat, wenn er fünf Jahre eingezahlt hat (***). Dieser erfolglose und riskante Weg der privaten Vorsorge soll sogar noch weiter ausgebaut werden. Noch mehr Steuergelder für die Riester-Förderung. Noch mehr sogenannte Betriebsrente, die aber fast vollständig aus dem Bruttolohn finanziert wird. Immer werden dabei die profitablen Versicherungsgeschäfte gefördert und die gesetzliche Rente wird weiter geschwächt.

Die sauberste Lösung
- Eine Expertenkommission kann man sich sparen
- Schluss mit den Sonderversorgungen und der Rosinenpickerei.
- Alle Erwerbstätigen ohne Ausnahme in eine Versicherung. Auch Politiker, Beamte und Selbständige in eine Erwerbstätigenversicherung.
- Anhebung der gesetzlichen Rente auf ein Niveau, das den erreichten Lebensstandard sichert. Das sind etwa 75% der im Arbeitsleben erzielten Nettoeinkommen.
- Wenn die Rente zu niedrig ist, wird sie aus Steuermitteln zu einer Mindestrente angehoben. Das Maß für die Mindestrente muss die Armutsgefährdungsschwelle sein – derzeit ca. 1.100 €.

Senioren unterstützen Abgeordnete
Am 13.12.2018 haben DBG-Senioren vor dem Kieler Landeshaus ein vorweihnachtliches Angebot an die Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten gemacht: Um 9.30 Uhr gab es kostenlose, öffentliche Beratung zur Lösung ihrer prekären Altersversorgung. Die DGB-Senioren wollten dabei behilflich sein, weitere Irrtümer zu vermeiden und zu einer nachhaltigen und gerechten Lösung zu kommen. Schließlich geht es ja um öffentliche Gelder mit denen bekanntlich sorgsam und verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Jeden Verdacht einer unangemessenen Selbstbedienung gilt es, zu vermeiden.

Erwerbstätigenversicherung für alle
Die Problematik der Schleswig-Holsteinischen Abgeordneten mit ihrer Privatvorsorge könnte eine größere Bedeutung für uns alle bekommen. In Baden-Württemberg ist die Situation ähnlich gelagert, ähnlich sieht es auch in NRW, in Brandenburg und Bremen aus. Die Äußerung des Schleswig-Holsteinischen Landtagspräsidenten Schlie, dass man erwäge, eine für alle Parlamente gleiche Altersversorgungsregelung zu finden, könnte von uns für die Propagierung einer Erwerbstätigenversicherung genutzt werden.
Herzliche Grüße, Reiner Heyse

(*) 3,675% pro Jahr, nach 5 Jahren 18,375%. Macht bei „Diäten“einkommen von 8.220€ ein Pensionsanspruch von 1.510 €.
(**) Nach 5 Jahren sind 113.700 € eingezahlt worden. Bei dem gegenwärtigen Garantiezins von 0,9% reicht das nach Berechnungen von Versicherungsmathematikern für eine monatliche Rente von 384€.
(***) Nach Gesetz sollen 4% vom Brutto in Riester-Verträge gezahlt werden. Durchschnittseinkommen z. Zt: ca. 3.100€/Monat. Davon 4%: ca. 125€. Das würde nach 5 Jahren Einzahlung einen Rentenanspruch von ca. 20€ ausmachen.

Link: Rentenpolitik: Welche Parteien sind wählbar, welche nicht??
Quelle: IG Metall Kiel-Neumünster