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Kreis Peine lehnt IT-Umschulung wegen Alters ab

10.10.2005 - von Michael Schröder

Hartz IV: 47-jähriger Betriebsschlosser aus Abbensen ist seit 2003 arbeitslos und möchte jetzt in der Computerbranche Fuß fassen

26 Jahre lang hat Wilfried Giere aus Abbensen als Betriebsschlosser und Fräser gearbeitet. Seit Februar 2003 ist er arbeitslos, lebt vom Arbeitslosengeld II.

"Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr und ich wollte auch nicht mehr", sagt der 47-Jährige, "es war nie mein Wunschberuf". Viel lieber möchte er in der Computer-Branche (IT) arbeiten. Einen Platz für eine Umschulung hat er gefunden.

Die PAZ sprach mit Kreis-Pressesprecher Henrik Kühn.

In welchem Umfang werden Umschulungen gewährt, um Arbeitslose wieder in den Beruf zu bekommen?

Die Bewilligung einer Umschulung ist grundsätzlich gesetzlich geregelt und eine Ermessensentscheidung. Die Umschulung wird dann ermöglicht, wenn diese notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. In der Praxis bedeutet dieses, daß der Arbeitssuchende beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen in seinem Beruf nicht mehr tätig sein kann oder im erlernten Beruf kaum noch Chancen auf berufliche Eingliederung bestehen.
Zum Beispiel, weil keine Arbeitsplätze mehr vorhanden sind. Vorrang hat in jedem Fall die Integration in den gelernten Beruf oder in verwandten Berufsfeldern.

Bis zu welchem Alter, bis zu welchen Kosten?

Generell gibt es hier keine Altersgrenze. Es ist aber zu prüfen, ob der Arbeitssuchende mit einer neuen Ausbildung - auch im Hinblick auf das jeweilige Alter - noch Chancen am Markt haben wird. Es gibt Arbeitsfelder, wie zum Beispiel die Werbe-, aber auch die IT-Branche, in denen ältere Arbeitslose deutlich schlechtere Chancen haben als in anderen Berufen. Dies ist aus unserer Sicht zwar sehr bedauerlich, dennoch bleibt es unsere Aufgabe zu prüfen, ob wir mit einer Maßnahme tatsächlich die jeweiligen Chancen verbessern. Auch Arbeitsförderung ist unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu betrachten.
Die Kosten richten sich je nach Art der Weiterbildung. Im konkreten Fall sollte die Ausbildung 16.568,82 Euro kosten; die Chancen auf eine spätere Beschäftigung wurden selbst von der zuständigen Siemens-Mitarbeiterin - Siemens ist Maßnahmeträger - als "verhalten" eingeschätzt, sodass dem Wunsch von Herrn Giere auch vor diesem Hintergrund nicht entsprochen werden konnte. Im Übrigen hat bereits 2003 die seinerzeit zuständige Bundesanstalt für Arbeit einen gleich lautenden Antrag von Herrn Giere mit dem Hinweis auf die faktisch nicht vorhandene Arbeitsnachfrage abgelehnt.

Mit Herrn Giere wurden vielfältige weitere Möglichkeiten diskutiert; kommende Gespräche sind bereits vereinbart. Denn selbstverständlich möchte der Landkreis Peine gerade auch ältere Arbeitslose möglichst zielgerichtet und passgenau fördern.

Wie sind die Erfolgszahlen, so es denn welche gibt?

Auf "Erfolgszahlen" können wir leider nicht verweisen, werden aber noch in diesem Jahr zu Aussagen kommen.

Wird ein Arbeitsloser durch den Landkreis in seinem "alten" Beruf weiterqualifiziert beziehungsweise in die Weiterqualifizierung vermittelt - zählt er für den Zeitraum dieser Maßnahme als Arbeitsloser weiter oder fällt er aus der Statistik heraus?

Während des Besuches einer Fortbildung/ Umschulung sind Arbeitssuchende im rein statistischen Sinn nicht mehr arbeitslos und fallen daher aus der Statistik heraus.

Wo werden die Beschäftigungsschwerpunkte angesetzt? Unterbringung im erlernten Beruf; Berufsübergreifende Qualifizierung; Umschulung?

Wir setzen Schwerpunkte in arbeitsmarktnahen Integrationsmaßnahmen, die einen praktischen Teil im Betrieb haben, im Bereich der Arbeitsvermittlung und im Einsatz von Eingliederungszuschüssen. In längerfristigen Weiterbildungen und Umschulungen befinden sich derzeit etwa 50 Personen.


Müssen vor einer möglichen Umschulung erst bestimmte Qualifizierungen (Vorbildung/ Schulabschluss/ abgeschlossene Berufsausbildung) nachgewiesen beziehungsweise erworben werden?

Umschulungen und Fortbildungen haben vorgeschriebene Eingangsvoraussetzungen, beispielsweise einen bestimmten Schulabschluss. Ansonsten ist die individuelle Eignung zu prüfen.

Wann besteht bei einer Umschulung überhaupt Aussicht auf Erfolg, im neu gelernten Beruf Fuß zu fassen?

Garantien können leider nicht gegeben werden, aber gute Chancen bestehen bei einer betrieblichen Umschulung und bei Fortbildungen mit einem betrieblichen Teil.

Quelle: PAZ Peiner Allgemeinen Zeitung, 5.10.05

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