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ARD-Sendung "Fakt": Zu alt für Vollbremsung

28.10.2006 - von Anke Schulz/Hanne Schweitzer

Problem beim Autofahren haben laut des Fersnehbeitrags in der Sendung Fakt ausschließlich mit dem Lebensalter zu tun. Warum wird in diesem Beitrag der ARD der Grund für die Fahrprobleme ausschließlich im Alter gesehen?

Ich stelle das untenstehende Zitat von der Website des Senders zur Diskussion. Handelt es sich hierbei um Altersdiskriminierung oder um sachliche Berichterstattung? Die Art der Darstellung - vor allem der Fahrprobleme der alten Dame - ist äußerst fragwürdig.

"FAKT" vom 23.10.2006
Test für ältere Autofahrer?
Manuskript des Beitrages
von Andreas Rummel und Karsten Scholtyschik


"Ältere Autofahrer sind zunehmend an Unfällen beteiligt." (Da es, demografisch bedingt, in Zukunft stets immer mehr ältere AutofahrerInnen geben wird, ist das nicht verwunderlich. Grundsätzlich gilt aber noch immer: Jüngere machen sehr viele mehr Unfälle als Alte!

"Jetzt gibt es wieder Stimmen, die eine regelmäßige Kontrolle der Fahrtauglichkeit dieser Fahrer fordern." (Sind das Stimmen aus dem All, oder eher Stimmen bestimmter Gruppen, die Autofahrertests als sichere Einkommensquelle avisiert haben?)

"Auf dem Gelände des ADAC in Berlin-Tegel am vergangenen Mittwoch: hier findet an diesem Tag eine Trainingseinheit für ältere Verkehrsteilnehmer statt. Motto: "60 plus". Diese Senioren wollen üben. Und einige wollen sich auch selbst testen. Damit stellen sie eine positive Ausnahme dar, denn Veranstaltungen dieser Art sind üblicherweise nicht sehr gut besucht." (Gilt das auch für Veranstaltungen, an denen jüngere AutofahrerInnen teilnehmen?)

"Gleicht die Erfahrung körperliche Handicaps älterer Autofahrer aus?"
(Gleicht die Erfahrung körperliche Handicaps 57, 58, oder 59Jähriger AutofahrerInnen aus?)

O-Ton: ADAC-Kursteilnehmer
"Meine Frau hat mich geschickt, eigentlich. Aber sie brauchte mich nicht groß überwinden: ich möchte natürlich auch selbst wissen, ob ich noch fahrtauglich bin!" (Selbstdiskriminierung, ich höre dich rufen! Jemand der mit dem AUto zu einem Kurs gefahren kommt, möchte wissen, ob er fahrtauglich ist?)

"Ich denke mal, wenn man über 75 ist, soll man mal sehen, was man noch drauf hat und wie lange man noch selber die Sicherheit für sich hat."

"Ich mache das aus dem Standpunkt, dass man ja auch eine Verantwortung für sich hat, aber allerdings auch für die Leute, die im Straßenverkehr mit um einen rum sind!"

Man merkt an diesem Tag: nicht alle Teilnehmer sind gleich fit." (Was hat das mit dem Lebensalter der Kursteilnehmer zu tun? Das wäre bei einer Gruppe, deren TeilnehmerInnen aus anderen Lebensaltern kommen, ebenso)
"Das zeigt vor allem das Üben einer Vollbremsung. Während die meisten Teilnehmer mit Tempo 50 abbremsen müssen, wird das von einer älteren Dame nur mit Tempo 30 verlangt. (Wie alt ist denn die ältere Dame?)

O-Ton: Bernd Teicher, ADAC-Trainer
Frage: "Mit 50 lassen Sie die Dame nicht bremsen?"

"Ne. Ne."

Frage: "Warum?"

"Sie hat kein ABS drin - und sie bringt den Bremsschlag nicht! Und - und das ist das Individuelle dann. Und deswegen lasse ich sie nicht mit 50 bremsen, weil - muss nicht sein! Die soll vorausschauend weiter fahren wie bisher, und da braucht sie auch keine Notbremsung. Sie kriegt es ja nicht hin! Das muss man akzeptieren, kann man nichts machen!"

Die ältere Dame bekommt eine Notbremsung bei höherer Geschwindigkeit nicht hin, meint der Prüfer. (Unhinterfragt übernehmen die Journalisten die Meinung - nicht das Wissen - eines ADAC-Mitarbeiters, der - wohl um seine Autorität aufzuwerten, von ihnen auch noch "Prüfer" genannt wird)
"Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder zu hoffen, dass sie nie schneller als 30 fährt - oder: wenn sie es tut, dass sie nie plötzlich bremsen muss!" (Die dritte, einem öffentlich-rechtlichen Filmteam anstehende Möglichkeit wäre gewesen, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen!)

Senioren im Straßenverkehr - bei Unfällen, die von älteren Fahrern verursacht werden, stellt sich oft erst im Gerichtsverfahren heraus, dass nicht Unachtsamkeit, sondern körperliche Beeinträchtigungen die Unfallursache waren. In die Statistik geht das dann nicht mehr ein. Die Kölner Polizei hat dazu jetzt eine Untersuchung beauftragt. Das Ergebnis ist eindeutig.

O-Ton: Helmut Simon, Leiter der Direktion Verkehrsunfallbekämpfung, Polizeipräsidium Köln
"Tatsache ist, dass die Unfälle insgesamt erfreulicherweise sinken, auch die Verletztenzahlen. Leider aber auch die Unfälle mit Senioren, und auch verletzten Senioren, steigen - permanent, von Jahr zu Jahr. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die eigentlich festgestellt hat, dass die Senioren unterschiedliche - oder andere - Unfallursachen haben, als der normale Verkehrsteilnehmer. Und wir haben gesagt: diese Ursachen können wir nicht mit Kontrollen bekämpfen, hier ist Aufklärung gefragt. Und wir halten es auch für sinnvoll, dass Senioren ab einem bestimmten Alter sich gewissen Tests unterziehen, um festzustellen, ob sie noch genug Sehfähigkeit haben, ob sie noch genug hören können, und ob ihre Beweglichkeit so ist, dass sie auch am Verkehr teilnehmen können - als PKW-Fahrer!"

Bremen, vor fünf Wochen: eine 52-jährige Frau verunglückt, als sie mit ihrer Tochter auf einem Parkplatz ihr Auto ausladen will. Ein 79-jähriger Rentner fährt rückwärts, er stößt gegen den Wagen der Frau, sie stürzt, er fährt einige Meter weiter und schleift sie mit. Heidi Bertram hat keine Chance - sie stirbt im Krankenhaus. Für die Familie ein traumatisches Erlebnis, vor allem für die Tochter, die alles miterlebte.

O-Ton: Ilka Gorniak, Tochter
"Ich war mit meiner Mama einkaufen, sie hatte für mich Getränkekisten eingekauft. Und dann haben wir auf dem Garagenhof geparkt, und genau vor der Garage wollte dann einer einparken. Daraufhin habe ich gesagt: park' eben um, ich mache schon die Tür auf, die Kellertür auf. Und bin dann nach vorne gegangen, und kurz vor der Haustür habe ich einen lauten Knall gehört, bin sofort zurück gelaufen - und da habe ich meine Mama dann unterm Auto gefunden."

O-Ton: Norbert Bertram, Ehemann
"...und sie hat dann noch mal kurz genickt, auf die Fragen: 'Verstehst du mich? Hörst du mich?' kam noch mal ein Nicken und ein Augenzwinkern. Und das sind die letzten Lebenszeichen, die ich von meiner Frau gekriegt hab'."

Für die Polizei vor Ort ist unklar, warum der Rentner nicht sofort stoppte und sich vergewisserte, was passiert ist.

O-Ton: Manfred Gartelmann, Leiter Verkehrskommissariat Polizei Bremen
"Also wenn ein Körper überrollt wird, dann gibt es eine Bemerkbarkeit. Die taktile Bemerkbarkeit, die ist bei jedem Verkehrsunfall einfach spürbar. Das heißt also, er hätte früher reagieren müssen. Ich gehe davon aus, dass jemand, der spürt, dass sein Fahrzeug über einen Gegenstand über eine Sache hinweg fährt, was in dieser Situation nicht zu erwarten ist, dass er sofort stoppt und nicht erst nach mehreren Metern zum Stehen kommt!"

Hans-Jürgen Gebhardt ist Verkehrsanwalt und Vizepräsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages. Er sieht die Politik gefordert - aber die handelt nicht.

O-Ton: Hans-Jürgen Gebhardt, Verkehrsanwalt
"Wir haben hier auch in der Kanzlei dauernd Fälle, in denen ältere Verkehrsteilnehmer Unfälle verursacht haben, die eigentlich nur zu erklären sind mit Handicaps: schlecht sehen, schlechte Reaktion - also diese altersbedingten Handicaps. Und ich kann mich nur darüber wundern, dass die Politik hier nicht reagiert - ich kann es mir eigentlich nur damit erklären, dass man auf die Wählerstimmen der Älteren schielt. Aber dass das nicht sachgerecht ist, das wird Ihnen jeder erklären - es sei denn, er ist Politiker!"

Auf FAKT-Anfrage beim Bundesverkehrsministerium heißt es: kein Handlungsbedarf. Ähnlich in Sachsen. Im Frühjahr stellte der sächsische Innenminister Buttolo die Verkehrsunfallbilanz des Bundeslandes vor. In der Presse wurde er wiedergegeben mit der Forderung nach obligatorischen Gesundheits-Checks für Senioren. Doch auf FAKT-Nachfrage heißt es: ganz so sei es nicht gewesen. Auffassung des Ministers sei es vielmehr:

Zitat:
"...dass Kraftfahrzeugführer ab einem gewissen Alter zumindest höflich daran erinnert werden sollten, sich mit ihrer Fahreignung kritisch auseinander zu setzen."

Doch Experten, wie hier an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden, halten einen obligatorischen Gesundheitstest für zwingend erforderlich.

O-Ton: Prof. Bernhard Schlag, Direktor des Instituts für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, TU Dresden
"Andere Länder gehen da sehr, sehr viel weiter, und in Deutschland ist das ein Anachronismus, dass wir die Fahrerlaubnis auf Lebenszeit haben und immer behalten können, wenn wir nicht sozusagen selbst den Gegenbeweis dafür liefern, dass wir nicht mehr die Fahrerlaubnis verdient haben!"

O-Ton: Helmut Simon, Leiter der Direktion Verkehrsunfallbekämpfung, Polizeipräsidium Köln
"Ich denke, ab 65 wäre vielleicht eine Altersgrenze, wo man sagen kann: hier kann man regelmäßige Tests einführen. Es besteht ja die Möglichkeit zu sagen: ab 65 ein Test, ab 70 alle drei Jahre ein weiterer Test - dass man das eben mit dem Alter dann auch stuft!"

Im Fall von Heidi Bertram wird jetzt geprüft, ob der 79-Jährige überhaupt noch in der Lage war, sein Auto sicher zu führen. Seine Fahrerlaubnis wurde jetzt sichergestellt. Die Familie muss heute mit der quälenden Frage leben, ob ein Pflichttest für Senioren den Tod von Heidi Bertram hätte verhindern können."

(Körperliche Beeinträchtigungen, die hier als Teufel an die Wand gemalt werden, treten nicht gehäuft ab einem bestimmten Lebensalter auf, nach dem Motto: Mit 64 biste fit, mit 65 ein fahruntüchtiger Greis. Deshalb: Wenn schon wieder bundesweite Personenkontrollen und Datenbanken geplant werden, dann bitte für alle! So ist z.Bsp. in Kalifornien schon seit ewigen Zeiten für alle AutofahrerInnen in regelmäßigen Abständen ein Sehtest und eine theoretische Prüfung zur Verlängerung der Gülrigkeit des Führescheins selbstverständlich. Selbstverständlich ist auch, dass dieses Verfahren völlig unbürokratisch durchgeführt wird und anders als hierzulande geplant, nicht als Goldesel für notleidende TÜV´s oder andere Organisationen gehandhabt wird.)

Quelle: MDR

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