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Entscheidung über Personalbesetzung in der psychiatrischen+ psychosomatischen Versorgung katapultiert Psychiatrie um 40 Jahre zurück

Foto: H.S.

20.09.2019

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat gegen die Stimmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) einen Beschluss zur Mindestpersonalbesetzung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung getroffen, der die Versorgung in diesem Bereich um 40 Jahre zurückwirft. Das enttäuschende Ergebnis dieser G-BA-Entscheidung: Mehr Personal für Dokumentation und Bürokratie, weniger Personal für die psychisch kranken Menschen.

Die Kontrollwut der Krankenkassen führt dazu, dass moderne Versorgungsangebote unmöglich gemacht werden und die Psychiatrie der achtziger Jahre wieder aufersteht. „Mit dem kleinteiligen stationsbezogenen Nachweisverfahren verhindert die Mehrheit im G-BA moderne Versorgungskonzepte. Dies ist nicht nur Auffassung der DKG, sondern des überwiegenden Teils der Fachgesellschaften im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens. Nahezu alle Fachgesellschaften haben sich ausdrücklich für einen Einrichtungsbezug und strikt gegen jeglichen Stationsbezug ausgesprochen. Es ist besonders frustrierend und absolut nicht nachvollziehbar, dass der G-BA trotz Kenntnis von Angehörigen-, Patienten- und Fachvoten hier der Kassenseite gefolgt ist. Mit Excel-Personaltabellen aus dem G-BA verschärfen wir die Bürokratie, aber wir können damit keine am Patienten orientierte Versorgung gewährleisten. Das ist eine große Enttäuschung für alle, die auf wirkliche Verbesserungen gehofft hatten“, erklärte Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG.

Der von den Kliniken geforderte Einrichtungsbezug hätte bedeutet, dass die Personalmindestvorgaben differenziert nach Erwachsenen-Psychiatrie, Psychosomatik so wie Kinder- und Jugendpsychiatrie ganzhausbezogen und nicht stationsbezogen darzulegen sind. Demgegenüber muss durch die Entscheidung des G-BA das gesamte Personal, auch aus den stationsübergreifenden Therapien, in das enge Korsett einer Station gepresst werden, um dem Bürokratiewahnsinn gerecht zu werden. Dies ist ein massiver Rückschritt und Eingriff in die Organisationshoheit der Kliniken, wie der Präsident der DKG auch im Verlauf der G-BA-Sitzung deutlich machte. Es geht der Mehrheit des G-BA bei diesem Dissens in keiner Weise um das Wohl und die Sicherheit der Patienten. Es geht nur um das Ansinnen der Kassen, Kontrolle auszuüben und Versorgung einzuschränken. Im Verhandlungsverlauf und noch in der letzten Plenumssitzung waren die Kliniken den Kostenträgern in wesentlichen Punkten entgegengekommen, um einen Kompromiss zu erzielen. So waren die Krankenhäuser bereit, bei den Mindestvorgaben und den Minutenwerten über die bisherigen Vorschläge hinauszugehen.

„Die nun getroffene Entscheidung wird den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen nicht gerecht. Die moderne Psychiatrie orientiert sich mit ihren Therapieangeboten längst nicht mehr an Stationsgrenzen, sondern am individuellen Bedarf der einzelnen Patienten. In modernen Therapiekonzepten werden Patienten unterschiedlicher Stationen in übergreifenden Angeboten betreut und therapiert. Dies macht aber einen stationsbezogenen Personalnachweis unmöglich. Das gilt ausdrücklich auch für die Pflege, die in der Psychiatrie voll in die therapeutischen Angebote eingebunden ist. Angehörigenverbände und Patientenorganisationen haben sich neben den Fachgesellschaften massiv gegen eine derartige rückwärtsgewandte Versorgungspolitik ausgesprochen. Die Kostenträger haben einmal mehr deutlich gemacht, dass Kontrollwut und Misstrauenskultur ihr Handeln prägen. Unsere Kompromissvorschläge abzulehnen, nur weil man die Kliniken gängeln und die Versorgung einschränken möchte, zeigt, dass die Versorgung beim Spitzenverband der Krankenkassen nicht an erster Stelle steht“, so Gaß. Die DKG appelliert an Bundesminister Spahn und die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zu prüfen, ob der gesetzliche Auftrag an den G-BA zur Festlegung einer qualitätssichernden Personalausstattung in den psychiatrischen Krankenhäusern in Deutschland nicht verfehlt wurde.

Zum Hintergrund:
Gemäß § 136a Absatz 2 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung. Die Mindestvorgaben zur Personalausstattung sollen möglichst evidenzbasiert sein und zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen. Der G-BA hat diese Mindestanforderungen in einer Richtlinie erstmals bis spätestens 30. September 2019 zu beschließen. Der Plenumsbeschluss vom gestrigen 19. September 2019 bedarf noch der Prüfung nach § 94 SGB V und tritt im Falle der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und anschließender Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Januar 2020 in Kraft.

Quelle: PM Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), 20.9.2019