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Betriebsrentenfreibetragsgesetz: Antrag der LINKEN -Doppelverbeitragung konsequent beenden – Versicherte entlasten

Foto: H.S.

25.11.2019 - von Fraktion DIE LINKE

Doppelverbeitragung konsequent beenden – Versicherte entlasten

Deutscher Bundestag Drucksache 19/15436
19. Wahlperiode
25.11.2019 Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Dr. Achim Kessler, Harald Weinberg, Susanne Ferschl, Fabio De Masi, Klaus Ernst, Sylvia Gabelmann, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Cornelia Möhring, Niema Movassat, Sören Pellmann, Eva-Maria Schreiber, Jessica Tatti, Andreas Wagner, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:Seit 01.01.2004 unterliegen die aus einer Direktversicherung als Kapitallebensversicherung geleisteten Versorgungsbezüge – wie alle Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – der vollen Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 248 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V); zu tragen allein von den Rentnerinnen und Rentnern (§ 250 Absatz 1 SGB V).

Das führt dazu, dass Versicherte unter Umständen doppelt Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung leisten müssen, einmal bei Einzahlung in die betriebliche Rentenversicherung und einmal bei Auszahlung im Alter. Diese so genannte Doppelverbeitragung tritt bei verschiedenen Formen der betrieblichen Altersvorsorge auf.

Mit dem nun von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung eines Freibetrags in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge soll die betriebliche Altersvorsorge gestärkt und für Beschäftigte attraktiver gemacht werden.

Für Zahlungen der betrieblichen Altersvorsorge soll die bislang bestehende Freigrenze in Höhe von derzeit 155,75 Euro monatlich (2020: 159,20 Euro, ein Zwanzigstel der Bezugsgröße) in einen Freibetrag umgewandelt werden. Das führt zu einer deutlichen Entlastung zahlreicher Bezieherinnen und Bezieher von Betriebsrenten, werden doch mit dieser Änderung künftig nur noch Betriebsrenten oberhalb des Freibetrags in der Krankenversicherung beitragspflichtig.

Der aktuelle Vorschlag verringert die zum 01.01.2004 herbeigeführte Ungerechtigkeit nur zum Teil.

So sieht der Gesetzentwurf keinerlei Regelungen für vor dem 01.01.2004 abgeschlossene Direktversicherungen vor, für Verträge also, die vor Inkrafttreten der Doppelverbeitragung schon bestanden und die im guten Glauben abgeschlossen wurden. Da diese Betroffenen nachträglich um einen Teil ihrer Alterssicherung gebracht wurden, braucht es für diese Gruppe eine Regelung, die über den aktuellen Gesetzentwurf hinausgeht.

Darüber hinaus ist die angestrebte Freibetragsregelung zwar besser als die gegenwärtige Freigrenze, dennoch löst auch der Freibetrag das Problem nicht, dass weiterhin Menschen Krankenversicherungsbeiträge auf Rentenleistungen zahlen, für die sie aus bereits verbeitragtem Einkommen eingezahlt haben.

Darum muss für alle Betriebsrenten künftig der halbe Beitragssatz von aktuell 7,3 Prozent gelten.

Und schließlich ändert der Gesetzentwurf nichts daran, dass auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bei Betriebsrenten doppelt geleistet werden müssen.

Der Gesetzentwurf muss mindestens um eine Regelung erweitert werden, die auch die Beiträge zur Pflegeversicherung auf den halben Satz senkt.

Zur Finanzierung sieht der Gesetzentwurf vor, 2020 auf die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zurückzugreifen, in den drei Folgejahren dann die Mindereinnahmen schrittweise auf den Beitragssatz umzulegen. Ab 2024 werden die entgangenen Einnahmen dann vollständig durch Beiträge der Krankenversicherten kompensiert, da die Liquiditätsreserve dann voraussichtlich bis auf die gesetzliche Mindestrücklage erschöpft sein wird.

Die Finanzierung aus Versicherungsleistungen ist systematisch zwar richtig, sorgt aber für Druck auf die Beitragssätze.

Gleichzeitig gibt es den systematischen Fehler, dass für SGB-II-Leistungsbeziehende der Bund – etwa im Vergleich zu anderen Geringverdienenden – deutlich zu niedrige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Kassen zahlt. Die Größenordnung der dadurch derzeit entstehenden Mindereinnahmen der Kassen ist die gleiche wie der Finanzbedarf der in diesem Antrag geforderten Entlastungen der Betriebsrentnerinnen und -rentner.

Statt die Finanzierung der dringend gebotenen Aufhebung einer politischen Fehlentscheidung den Versicherten aufzubürden, muss stattdessen der vom Bund gezahlte Krankenversicherungsbeitrag für Bezieherinnen und Bezieher von SGB-II-Leistungen deutlich angehoben werden.

Durch Anhebung der nicht ausreichend finanzierten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im SGB II um 3,3 Mrd. Euro lässt sich der durch die vollständige Abschaffung der Doppelverbeitragung zu erwartende Beitragsausfall in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kompensieren.

So kann die finanzielle Stabilität ohne Steigerungen des Beitragssatzes gewährleistet werden

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um
1.
die Freigrenze nach § 226 Absatz 2 SGB V in einen Freibetrag umzuwandeln, der sowohl für die Gesetzliche Kranken- als auch für die Pflegeversicherung gilt,
2.
auf alle Rentenleistungen aus Direktversicherungen und betrieblichen Rentenversicherungen der verschiedenen Durchführungswege oberhalb des Freibetrags künftig nur noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe des halben Beitragssatzes zu erheben,
3.
für Leistungen aus Direktversicherungsverträgen, die vor dem 1.1.2004 abgeschlossen wurden, gar keine Beiträge mehr zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu erheben,
4.
den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung für Personen im SGB-II-Bezug um 3,3 Mrd. Euro anzuheben.


Begründung
Das bedeutet die Änderung der Bundesregierung konkret: Bei einer monatlichen Betriebsrente von 200 Euro sind künftig von diesen 200 Euro nur noch 40,80 Euro beitragspflichtig (bei dem 2020 gültigen durchschnittlichen Beitragssatz von 15,7 Prozent ein Krankenversicherungsbeitrag von 6,41 Euro).

Bei der bisherigen Regelung gilt: Sobald die Betriebsrente die Grenze übersteigt, wird die gesamte Rentenzahlung beitragspflichtig, in diesem Beispiel also 200 Euro (31,40 Euro Krankenversicherungsbeitrag).

Die Pflegeversicherungsbeiträge müssen auch nach dem Gesetzentwurf weiterhin auf 200 Euro bezahlt werden und betragen damit unverändert 6,10 Euro oder 6,60 Euro (bei Kinderlosen).

Bereits im Dezember 2017, also vor zwei Jahren, hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE. einen Antrag zur Abschaffung der Doppelverbeitragung in den Bundestag eingebracht (Drucksache 19/242).

Die öffentliche Anhörung im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zu diesem Antrag fand am 25. April 2018 statt. Seither, also seit nunmehr eineinhalb Jahren, wurde von der Regierungskoalition die Endabstimmung dieses Antrags im federführenden Gesundheitsausschuss verhindert.

Zu sieben verschiedenen Terminen hat die einbringende Fraktion DIE LINKE. den Antrag hierzu im Ausschuss aufgesetzt, zu allen sieben Terminen wurde dieser Tagesordnungspunkt mit den Stimmen der Koalition abgesetzt. Die Begründung war in allen Fällen etwa gleichlautend: Man stehe kurz vor einem Durchbruch, man arbeite innerhalb der Koalition an einer Lösung.

Durch dieses Spiel auf Zeit und dadurch, dass der vorgelegte Gesetzentwurf beileibe keine vollständige Lösung bringt, wurde dieser neuerliche Antrag nötig. Zudem beinhaltet der nun vorgelegte Gesetzentwurf aufwachsende Beitragssatzerhöhungen für alle gesetzlich Krankenversicherten, sorgt für ein Abschmelzen der Reserve des Gesundheitsfonds auf das gesetzlich festgelegte Minimum und senkt gleichzeitig die Höhe dieses Minimums.

Um diese Folgen zu vermeiden, wird eine Gegenfinanzierung notwendig. Um die deutlich weitergehende Beseitigung der Doppelverbeitragung nach diesem Antrag zu finanzieren, bietet sich an, die vom Bund gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für SGB-II-Beziehende auf die Höhe anzuheben, die auch Geringverdienerinnen und -verdiener zahlen müssen.

Dazu müssen die Bemessungsgrößen in § 232a SGB V vom 0,2155-fachen der Bezugsgröße (2020: 686,36 Euro) sowie in § 57 SGB XI vom 0,2266-fachen der Bezugsgröße (2020: 721,72 Euro) auf das 0,3297-fache (2020: 1050 Euro) erhöht werden.

Das brächte rund 3,3 Mrd. Euro Mehreinnahmen für Kranken- und Pflegeversicherung und würde die ungerechtfertigte Subventionierung des Bundeshaushalts durch die Beitragszahlenden beenden.

Ausdrücklich müssen die Bezieherinnen und Bezieher von Versorgungsbezügen auch in der Pflegeversicherung entlastet werden. Es darf nicht sein, dass die Pflegeversicherung der Krankenversicherung nur dann folgt, wenn es um zusätzliche Belastungen der Versicherten geht – dies muss auch bei Entlastungen gelten. Vor dem Hintergrund, dass Rentnerinnen und Rentner seit April 2004 ihre Pflichtbeiträge zur Pflegeversicherung vollumfänglich allein finanzieren müssen, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Berlin, den 25. November 2019 Amira Mohamed Ali, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15436

Quelle: Deutscher Bundestag