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Mindestlohnbericht des WSI für 2020

Foto: H.S.

17.02.2020 - von Malte Lübker und Thorsten Schulten

Der deutsche Mindestlohn ist mit 9,35 Euro pro Stunde so niedrig wie in Großbritannien und damit spürbar niedriger als die Lohnuntergrenzen in anderen westeuropäischen Euro-Staaten, deren Mindestlohn bei mindestens 9,66 Euro beträgt. In Luxemburg liegt er bei 12,38 Euro, in Irland seit 1. Februar bei 10,10 Euro, in den Niederlanden bei 10,14 Euro und in Frankreich bei 10,15 Euro. 60 Prozent des mittleren Lohns, Medianlohn, wären eine gerechtere Orientierung und würden in Deutschland 12 Euro entsprechen. Aber nur in Frankreich und Portugal erreichen die Mindestlöhne mindestens 60 Prozent des mittleren Lohns. Dieses Niveau gilt bei vielen Experten als Untergrenze für ein existenzsicherndes Entgelt.
Die Mindestlöhne in den süd- und osteuropäischen Staaten:europäischen Staaten: 3,76 Euro in Griechenland, 3,83 Euro in Portugal, 5,76 Euro in Spanien, 5,44 Euro inSlowenien. 3,40 in Tschechien, 3,50 in Polen, 3,72 in Litauen, 2,85 in Ungarn, 2,81 in Rumänien und 1,87 in Bulgarien.

Höhere Mindestlöhne. Abhilfe gegen den Niedriglohnsektor
Nach jahrelangen Debatten gegen den erbitterten Widerstand von konservativen Ökonomen verabschiedete der Bundestag einen allgemeinen Mindestlohn. Bis zu 1,2 Millionen Stellen seien in Gefahr, wurde uns damals von manchen Instituten prophezeit. Anfang 2015 war es dann soweit, unter 8,50 Euro pro Stunde sollte niemand mehr verdienen.
... Die vorhergesagten Massenentlassungen sind ausgeblieben, der Arbeitsmarkt hat sich weiter positiv entwickelt. Wie konnten sich namhafte Ökonomen und Institute damals so dermaßen irren? Warum sprachen sie sich so vehement gegen den Mindestlohn aus? In ihren Modellen vergaßen sie, wie sehr Lohnsteigerungen in überwiegend ärmeren Haushalten den Konsum stärken und damit die Binnenkonjunktur. In einigen Branchen wurden zwar auch Preissteigerungen ausgelöst, deren Wirkung auf den Konsum war aber vergleichsweise gering. ...

Fünf Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist die Bewertung insgesamt positiv - er steht für eine Trendwende in der Verteilung. Per Saldo gab es für die Beschäftigten im Niedriglohnbereich ein Gehaltsplus - nach Schätzungen unseres IMK und WSI aufs Jahr gerechnet um ca. 10 Mrd. Euro. Doch eines hat der Mindestlohn noch nicht erreicht – Löhne wirklich armutsfest zu machen. Seit seiner Einführung ist er lediglich von 8,50 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde oder jährlich um etwa zwei Prozent gestiegen.

Knapp 22 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiten nach den neusten verfügbaren Daten zu einem Niedriglohn. Deutschland liegt damit deutlich über dem EU-Schnitt, nach dem nur jeder sechste Arbeitnehmer für einen Niedriglohn arbeitet. ..."
Toralf Pusch
Leiter dess Referats Arbeitsmarktanalyse im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung.

Der Mindestlohnbericht 2020 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung von Malte Lübker und Thorsten Schulten: "WSI-Mindestlohnbericht 2020: Europäische Mindestlohninitiative vor dem Durchbruch?" WSI-Report Nr. 55, Februar 2020. Link

Quelle: WSI-Report Nr. 55, Februar 2020