foto: H.S.
20.03.2020 - von uns reicht`s
Das Coronavirus trifft das Gesundheitswesen in Zeiten von horrendem Pflegenotstand, massiver Arbeitsbelastung und Arbeitsverdichtung und Versorgungslücken, die ihre Ursache in der Ökonomisierung durch das Fallpauschalensystems (DRGs) hat.
Der Coronavirus bestimmt den Krankenhausalltag auch im Klinikum Bremen Mitte seit einiger Zeit. Eine Krisensitzung jagt die andere. Einen besonderen Dank geht an die Kolleg*innen, die innerhalb einer sehr kurzen Zeit die Coronaambulanz im Haus 99 (die ehemalige Station 6 im Modulbau) eingerichtet haben.
Aber es ist ein absoluter Skandal, ein menschenverachtender Akt, wenn die Kolleg*innen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, weiter arbeiten sollen. So jedenfalls möchte es die GeNo-Direktion, wie sie es in einer Mitteilung an die Krankenhausbeschäftigten kundgetan haben. Wir können den Kolleg*innen nur raten, in so einem Falle sich sofort krankschreiben zu lassen.
Mangelnde Händedesinfektion aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und fehlende Schutzausrüstungen gefährden den Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Patient*innen in unseren Krankenhäusern. Sparvorgaben und Produktionsverlagerungen ins Ausland haben zu einer maximal knappen Materialbevorratung geführt, welches sich täglich bemerkbar macht. Schutzkittel und Mundschutz z.B. müssen jetzt in der Regel mehrfach verwendet werden. Die Hygienerichtlinien werden aufgeweicht. Natürlich müssen wir mit den knappen Ressourcen sorgsam umgehen. Desinfektionsmittel werden in den Krankenhäusern knapp. Die Kosten für diese notwendigen Arbeitsmittel haben sich dramatisch erhöht. Wie sollen wir ohne diese Hygiene- und Schutzmaterialien die erkrankten Menschen adäquat versorgen und dies auch noch in Zeiten von einem enormen Pflegenotstand im Gesundheitswesen.
Alle möglichen verschiebbaren Operationen (v.a. absurde, medizinisch nicht notwendige Eingriffe) bis auf weiteres abzusagen ist sicherlich sinnvoll. Die Krankenhäuser durch Kompensationszahlungen von Wettbewerb und Sparzwang zu befreien, geht in die richtige Richtung: der Markt wird es nicht richten. Diese Kompensationszahlungen dürfen keine Finanzspritzen für die privaten Krankenhauskonzerne sein. Um das Überleben aller Einrichtungen im Gesundheitswesen zu sichern, müssen die anfallenden Kosten refinanziert werden und ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Abschaffung der Fallpauschalen. Die Beschäftigten aller Berufsgruppen müssen bei der Umstrukturierung der Versorgungsabläufe mit einbezogen werden, damit kein Chaos entsteht.
„Ich glaube, dass wir wir diese Krise meistern können, nicht, weil das Gesundheitssystem gut vorbereitet ist, sondern weil wir uns alle den Arsch aufreißen werden. Aber darauf kann sich ein Gesundheitssystem nicht dauerhaft stützen“, so eine Berliner Kollegin. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Diskussionsbeitrag zu Corona: Für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und einen Umbau der Wirtschaft!
“Aktuell stellt Corona die Welt auf den Kopf und hat tiefgreifende Konsequenzen für unseren Alltag. Corona ist ohne Zweifel eine Epidemie, die Zahl der Ansteckungen wächst. Für die Zahl der letztendlich zu erwartenden Sterbefälle gibt es sehr unterschiedliche, gut begründete Prognosen. Zur Einordnung hilft vielleicht der Blick auf andere erschreckende Zahlen, die jedes Jahr wiederkehrend zu registrieren sind. Wir beschränken uns auf Deutschland, aber alle genannten Beispiele haben ebenso globale Dimensionen wie auch Corona: Jährliche Grippewelle: 2019 hat die Grippewelle in Deutschland 182.000 Menschen erfasst und 954 Tote gefordert. Jährliche Krebserkrankungen: 2016 erkrankten ca. 491.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs, 229.000 Menschen starben an dieser Krankheit. Jährliche Gefahr im Straßen-Verkehr: 2019 wurden 396.000 Menschen verletzt, 3.275 wurden getötet. Über den zu erwartenden Verlauf der gegenwärtigen Epidemie besteht keine Einigkeit.
Der Notstand
Völlig neu ist die Lage nur in dieser Hinsicht: Noch nie, bei keiner der oben genannten Gefahrenlagen, hat es je annähernd so extreme „Schutzmaßnahmen“ gegeben, wie sie jetzt in immer hektischerem Tempo über uns und die gesamte Gesellschaft verhängt werden: Einschränkung der kleinräumigen, nationalen und internationalen Bewegungsfreiheit; Festsetzung in Wohnungen, Gebieten und Städten; Schließung der sozialen Infrastruktur wie Kindertagesstätten, Schulen, Restaurants, Freizeitstätten etc.; mögliche Verhängung von Zwangsarbeit; Beeinträchtigung bzw. Aussetzung demokratischer und anderer Rechte; Ausrufung des Notstands in Bayern; Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
Ein Ende der Verhängung weiterer Maßnahmen ist bislang nicht in Sicht.
Die Notstands-Maßnahmen umfassen augenfällige Seltsamkeiten. So werden in Deutschland „unbegrenzt“ Finanzmittel für die „Wirtschaft“, also für die großen Konzerne, Banken und Ultra-Reichen, zum „Ausgleich“ bereitgestellt. Kleine Unternehmer, Mini-Jobber und Freischaffende stehen erst mal alleine da. Auch Kündigungen setzen in diesen Tagen tausende vor die Tür. Dabei wird von den „Folgen der Corona-Krise“ gesprochen, doch tatsächlich geht es um die Folgen nicht der Virus-Welle, sondern der ohnehin begonnenen Wirtschafts-Krise und der verhängten Maßnahmen.
Und während also die Konzerne entschädigt werden, stehen für die normalen Menschen, deren Reisen storniert werden, die nicht mehr arbeiten können, weil sie ihre Kinder beaufsichtigen müssen usw. usf. keine ausgleichenden Zahlungen zur Verfügung.
Ganz offenkundig geht es hier also – wieder einmal – um ökonomische Fragen. Wird nicht auch diese Krise zur weiteren Umverteilung von unten nach oben genutzt? Haben nicht die Reichsten der Reichen, die fast drei Viertel des gesamten Weltvermögens ihr eigen nennen und um die weitere Steigerung ihrer Profite bangen, ein großes Interesse an der Zerschlagung des Mittelstandes? Wird die Krise nicht für eine Destabilisierung der Welt genutzt, um dann für die (überlebenden) stärksten Konzerne die Märkte neu aufzuteilen? Werden im Schatten der Krise nicht die Militarisierung und die weitere autoritäre Ausrichtung der Staaten vorangetrieben? Dient die Covid-19-Welle jetzt als Sündenbock für die schwere Wirtschafts-Krise aufgrund von Profitgier und Spekulationssucht, vor der Expert*innen seit Jahren bereits warnen? Sollen im Schatten von Corona die Flüchtenden in Griechenland ein für alle Mal mit brutaler Gewalt zurück geschlagen werden?
Wachsamkeit & Solidarität
Über all das lohnt es sich nicht nur nachzudenken. Seien wir wachsam und solidarisch. Lassen wir vor allem die betroffenen Berufsgruppen nicht allein, die nun vor dem Aus stehen. Unterstützen wir auch die Forderungen der Arbeiter*innen der Pflege- und Liefer-Dienste, auf deren Knochen die Krise im wahrsten Sinne des Wortes geht! Nachdem Krankenhäuser jahrelang kaputt gespart wurden, wird das Chaos nun höheren Mächten in die Schuhe geschoben. Doch Pfleger und Krankenschwestern gab es auch vor der Corona-Welle zu wenige. Nun sollen sie die Suppe auslöffeln, die ihnen Jens Spahn und seine Vorgänger eingebrockt haben?
Mehr als Dankbarkeit brauchen die Krankenschwestern eine angemessene Bezahlung, sichere Arbeitsbedingungen und Unterstützung für ihre Familien, die Verstaatlichung von relevanten Pharma-Bereichen, die Inbetriebnahme stillgelegter Kliniken, Neu- und Wiedereinstellungen von Kolleg*innen. Uns ist es bewusst, dass neue Kolleg*innen erst dann kommen werden, wenn sich die Arbeitsbedingungen sich deutlich verbessern. Auch Lieferfahrer*innen sollen unter Missachtung von Arbeitsrechten die Versorgung der ganzen Bevölkerung retten. Sie müssen nicht nur erkrankte Personen mit lebensnotwendigen Gütern, sondern auch immer größere Teile der unter Quarantäne gestellten Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen. Die Konzerne bezahlen ihnen zugleich krankheitsbedingten Ausfall nicht, obwohl die Fahrer besonders gefährdet sind: Einer Umverteilung zugunsten der Konzerne müssen wir eine entschiedene Absage erteilen!
Wir fordern:
- staatliche Sofort-Direktinvestitionen in Milliardenhöhe in öffentliche Gesundheitseinrichtungen zur Notfallbewältigung!
- ein Investitionsprogramm für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft, insbesondere und dringend für den - Ausbau eines auf flächendeckende Versorgung ausgerichteten Gesundheitswesens!
- Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitsausfall!
- Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitszeitreduzierung wegen Kinderbetreuung!
- Überbrückungskredite für Selbständige und kleine Unternehmen, die mit Liefer- oder Absatzschwierigkeiten kämpfen! die - Finanzierung dieser Aktivitäten mittels Krediten durch temporäre Erhöhung der Verschuldung und deren Begleichung durch effektive Besteuerung von Vermögen, gerechter Unternehmensbesteuerung und Verhinderung von Steuerflucht und Steuervermeidung!Keine Panik!
Die Gefährdeten unter uns – das heißt besonders die älteren und/oder vorerkrankten Menschen – müssen wir in solchen Zeiten durch gemeinsame Vorsicht unterstützen. Solidarität muss immer unser oberstes Gebot bleiben. Das Schüren von Angst und Panik, wie sie momentan betrieben wird, richtet sich neben allem oben bereits genannten auch gegen die Solidarität und das gemeinsame Handeln.
Und: Mehr als alles andere gefährdet uns eine Panik-Mache, die zu Kopflosigkeit, brutaler Gewalt und Egoismus führt und ausbeuterischer, autoritärer bzw. neofaschistischer, rassistischer und militaristischer Politik Tür und Tor öffnet.
Vor dem Hintergrund des drohenden Kollaps der Weltwirtschaft, einer Hungers-Katastrophe, voranschreitendem Klima-Chaos, brutaler Bekämpfung von Flüchtenden, drohender Weltkriegsgefahr und angestrebter Neuordnung der Welt im Interesse der Maximal-Profite ist die Corona-Pandemie weltweit bereits zum Experimentier-Labor autoritärer Maßnahmen geworden. Noch verheerender wird die Lage, wenn wir darüber den Kopf verlieren.
Vergessen wir nicht: Verantwortlich für die immer verheerenderen Epidemien sind gerade die Pharma- und die Agrarindustrie sowie die Privatisierung und Zerstörung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge.
Auch der militärisch-industrielle Komplex erforscht und entwickelt weiter ABC-Waffen (ABC steht für „atomar“, „biologisch“, „chemisch“), die kaum öffentlich diskutiert werden. Was aber keineswegs heißt, dass diese Forschung und Erprobung nicht existieren würde.
Die Virus-Epidemie zeigt einmal mehr, wie Profite über Menschenleben gestellt werden. Und wie wichtig unabhängige Konzern-Kritik ist.
Das System macht keine Fehler. Es ist der Fehler!
Und zu guter Letzt fordern wir in der jetzigen aktuellen Coronasituation: 500 Euro an die Beschäftigten!
Die Kolleg*nnen von "uns reicht`s", die unabhängige Betriebsgruppe im KBM Klinikum Bremen Mitte
V.i.S.d.P. und Kontakt: Ariane Müller, uns.reichts.bremen(at)t-online.de
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