Foto: H.S.
04.11.2020
Im Mai 1968 kommt niemand an ihm vorbei: Tag und Nacht ist Peter Ernst Eiffe, aufgewachsen in einer hanseatischen Familie, in Hamburg mit dem Filzstift unterwegs und überzieht Toiletten, Verkehrsschilder, Briefkästen mit seinen Sprüchen. Vermutlich ist er der erste Graffitiwriter Deutschlands. Höhepunkt seiner Karriere: Er fährt mit einem Fiat Topolino in die Wandelhalle des Hauptbahnhofs und ruft die »Freie Republik Eiffe« aus. Zwangseingewiesen in die Psychiatrie, gründet er die Partei »Eiffe Brothers«. Weihnachten 1983 entweicht er aus der Anstalt und wird Monate später erfroren aufgefunden.
In den 1990er-Jahren fangen der Filmemacher Christian Bau und Artur Dieckhoff an, sich mit Eiffe zu beschäftigen. In ihrem Dokumentarfilm »EIFFE FOR PRESIDENT« erzählen sie seine Geschichte. Verwandte, Freunde, Weggefährten erinnern sich und schildern seinen Werdegang und seine Außenseiterrolle im SDS.
Eiffe passt in keine Schublade, gilt er den einen als »Rebell mit Filzstift«, ist er für die anderen der »Hofnarr der APO«. Ein Quergeist und zerbrechlicher Mensch. Und einer der Ersten, der die Frage »Wem gehört die Stadt?« durch seine Art, den öffentlichen Raum zu nutzen, aufgeworfen hat.
Die Zeit ist reif, Eiffe neu zu entdecken. Deshalb entschloss sich die thede, ein Kollektiv von Dokumentarfilmmacher*innen, den Film zu digitalisieren und auf DVD zusammen mit einem Buch neu herauszubringen. Der aufwendig gestaltete Band enthält zahlreiche Fotos, Eiffes Sprüche sowie Essays u.a. von Mererid Puw Davies, Jorinde Reznikoff und Christoph Twickel über Eiffe, 1968 und Graffiti-Kunst.
EIFFE FOR PRESIDENT rekonstruiert die Geschichte eines aus der Ordnung ausbrechenden Menschen und verrückt die Perspektive auf 1968.
Das Projekt wurde durch eine Crowdfunding-Kampagne ermöglicht.
Ausgezeichnet mit dem dem Preis HamburgLesen 2020 der Staats- und Universitätsbibliothek für das beste Hamburg-Buch des Jahres.
GELEITWORT Theo Bruns
Dieses Buch ist das Ergebnis einer Begegnung: zwischen der thede und Assoziation A, dem Dokumentarfilmer-Kollektiv und dem linken Verlag, beide in den 1970er-Jahren und aus dem lang anhaltenden Impuls der 68er-Revolte entstanden und nun in der fux Genossenschaft ansässig, einem selbstverwalteten Ort, der für eine andere Stadtentwicklung steht. Der Spirit, der die beiden Projekte verbindet, ist der gleiche geblieben.
Zugleich ist dies eine Begegnung zwischen Peter Ernst Eiffe und Walter Josef Fischer, alias OZ, zwischen dem ersten Graffitikünstler Deutschlands und dem bekanntesten Sprayer Hamburgs. Der eine, geboren 1941, hinterlässt seine Spur im magischen Jahr der Revolte 1968 in Hamburg und stirbt nach seinem Entweichen aus der Psychiatrie Rickling Weihnachten 1983. Der andere, ein knappes Jahrzehnt jünger, als Heimkind von NS-geprägten Erziehern malträtiert, beginnt seine Laufbahn im deutschen Herbst 1977, als in Stuttgart der Stammheim-Prozess läuft und in den Straßen Parolen zur Solidarität mit politischen Gefangenen auftauchen. Zeit seines Lebens wird OZ als Partisan der Farbe mit seinen Graffiti gegen das Einheitsgrau der Städte, gegen »Saubernazis« und Ordnungswahn aktiv sein. Seine Devisen lauten: Fuck the norm! Es lebe der Sprühling! Dafür verbringt er fast acht Jahre seines Lebens im Gefängnis. 2014 kommt er beim Sprühen durch einen Zusammenstoß mit einer S-Bahn ums Leben. ...
thede e.V., die (Hg.)
Eiffe for President
Alle Ampeln auf Gelb
Für die thede herausgegeben von Christian Bau in Zusammenarbeit mit Artur Dieckhoff
ISBN 978-3-86241-470-3 | erschienen 10/2019 | 144 Seiten | Hardcover | lieferbar | 20,00 €
Buch mit Film auf DVD, gestaltet von Andreas Homann zu bestellen unter:
Link oder:
Link
Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema
Sonstiges:
03.11.2020: I WANT A PRESIDENT ... Zoe Leonard, POEM
29.10.2020: Feiern in Chile: Für neue Verfassung stimmten rund 80 Prozent !
29.10.2020: Offener Brief an Oskar Lafontaine
Alle Artikel zum Thema
Sonstiges
Zurück zur Suche nach Fischer