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952. Programmreform beim WDR soll diesmal die Literaturkritik treffen

Foto: H.S.

31.01.2021 - von diverse

Hochgradig gefährdet ist auch der Sitz des VS-NRW im RUndfunkrat des WDRs!

Das deutsche PEN-Zentrum ist entsetzt über die Entscheidung des WDR, die Sendeplätze für Literatur und Sachbücher zu reduzieren und die täglichen Rezensionen zu streichen. Um die Vielfalt der Literatur und deren Rezeption weiterhin zu gewährleisten, ist es vielmehr dringend geboten, die Literaturberichterstattung auszubauen.

„Der Rückgang der Lesekultur wird inzwischen vielfach beklagt. Diesen Trend nicht nur zu stoppen, sondern Leselust zu wecken, ist eine wichtige Aufgabe für die öffentlich-rechtlichen Sender. Ich bitte den WDR, zu erklären, wie er diesen Verlust an Kultur ausgleichen wird“, so PEN-Generalsekretär Heinrich Peuckmann.

Am vergangenen Freitag hatte der WDR in einer E-Mail an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massive Streichungen in seinem Literaturprogramm angekündigt. Bereits im März soll es in der Sendung ‚Mosaik‘ im WDR 3 keine Buchrezensionen als feste Rubrik mehr geben. Neue Aufträge seien nicht zu erwarten, die Literatur werde bei WDR 3 zwar noch eine Rolle spielen, aber in geringerem Umfang.
Der deutsche PEN unterstützt den Offenen Brief zahlreicher freier Mitarbeitender an den WDR gegen die angekündigten Änderungen, der sich im Wortlaut unter folgendem Link nachlesen und unterzeichnen lässt Link.

PEN protestiert gegen geplante Kürzung von WDR 3-Literaturkritiken"
Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Kasinostr. 3, 64293 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23

Das deutsche PEN-Zentrum ist mit seinem Geschäftssitz in Darmstadt eine von weltweit über 150 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International zusammengeschlossen sind. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists. Die ursprünglich 1921 in England gegründete Vereinigung hat sich als Anwalt des freien Wortes etabliert und gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Der deutsche PEN begleitet mit Initiativen und Veranstaltungen das literarische Leben in der Bundesrepublik. Er bezieht Stellung, wenn er die Meinungsfreiheit, gleich wo, in Gefahr sieht. Er mischt sich ein, wenn im gesellschaftlichen Bereich gegen den Geist seiner Charta verstoßen wird.

Protestbriefe gegen die Pläne des WDR im Kölner Stadt-Anzeiger am 1.2.2021
Sprachlos sind wir ob der Absicht der WDR-Verantwortlichen, die tägliche
Buchrezension im „WDR3 Mosaik“ zu streichen. Wir sind eine Autorenvereinigung aus Bergisch Gladbach, gleichzeitig Förderverein der Stadtbücherei in dieser Stadt, das heißt, wir unterstützen die Aktivitäten und Anschaffungen der hiesigen Bücherei, um damit die Lesefreude aller Altersgruppen zu fördern. „WDR 3 Mosaik“ hat regelmäßig Informationen über literarische oder sachbezogene Bücher gesendet, bei der großen Anzahl von Neuveröffentlichungen eine willkommene Hilfestellung für den Kauf oder die Ausleihe von Büchern. Das soll es nun nicht mehr geben? Es ist uns unverständlich, wieso diese Sendezeit gestrichen werden soll. In Pandemie-Zeiten, wo Austausch oder Information weder in der Bibliothek noch im Buchhandel möglich ist, kommt uns das Handeln des WDR geradezu zynisch vor.
Gisela Becker-Berens

Der Bericht über die begonnenen und geplanten Programmänderungen bei WDR 3 und WDR 5 sollte zu einem Überdenken der „Reform“-Bemühungen beim WDR führen. Als jahrzehntelang
treuer Hörer von WDR 3 und 5 ärgere ich mich seit Wochen über Änderungen in mir liebgewordenen Programmen, die ich als Verschlechterungen erlebe:
Reduzierung von Information auf Geplauder und Gelaber– häufig zwischen hausinternen Redakteuren statt mit sachkundigen Berichterstattern; Reduzierung von Nachrichten- und Infobeiträgen auf drei Minuten, Verschnipselung interessanter Themen auf eineinhalb oder drei Minuten, vielfache Wiederholungen desselben Kurzbeitrags am selben Tag.
Wer also gewohnheitsmäßig WDR 5 als Informationskanal nutzt, hört neuerdings die gleichen, auf drei Minuten reduzierten „Kurznachrichten“ drei- bis viermal pro
Stunde. Die Kürzungen bei den oft sehr geistreichen, witzigen und anregenden
Wortbeiträgen wie Buchkritik, Zeitzeichen, Zwischenruf legen endgültig die Axt an den
Kultur- und Info-Sender WDR, wie er von vielen seit langem geschätzt wurde. Der
WDR wird damit keine neuen Hörer gewinnen, sondern nur die verlieren, die ihn bisher mehr schätzten als andere Sender.
Dr. Utz Ingo Küpper

Die Pläne von WDR-Intendant Buhrow und Programmdirektorin Weber sowie Wellenchef Kremin, die WDR-3-Sparte zu reformieren machen deutlich, dass man im WDR längst davon abgerückt ist, ein Programm zu gestalten, das dem langjährigen Ruf, ein Qualitätssender zu sein, gerecht wird. Offenbar soll der WDR insgesamt zu einem „Trallala-Sender“ umfunktioniert werden. Wie kann man nur auf die Idee kommen, die tägliche Buchrezension aus dem Programm
zu nehmen? Die Schreiber des offenen Briefs haben völlig recht, wenn sie darle- gen, dass 250 Bücher nicht mehr besprochen und voraussichtlich dann nur noch solche, die von den Marketingabteilungen der Verlage promotet werden. In Gesprächen mit Schriftstellern kann man natürlich keine Rezensionen eines Buches vortragen, denn solche Gespräche haben,
wenn sie länger als die avisierten drei Minuten dauern, schon einen anderen Inhalt. Wohin also wollen die Verantwortliche mit dem kulturell so wertvollen WDR 3?
Was wird aus den vielen großartigen Musiksendungen? Und wird der Veränderungswille noch weitergehen? Ist es zu befürchten, dass demnächst auch noch das Funkhausorchester gestrichen wird und der WDR-Rundfunkchor aufgegeben wird? Es ist ein Jammer, wenn man sieht, wie der WDR heruntergewirtschaftet wird. Viele, gerade ältere Hörerinnen und Hörer, haben mit WDR 3 den Sender gefunden, der ihnen die Kultur ins Haus liefert, die sie wegen Corona nicht mehr live erleben können.
Alwin-Georg Maibach

Die Literatur stellt ein unverzichtbares Kulturgut dar. Zu den vielfältigen Aufgaben der Rundfunkanstalten gehört es, sie einem breiten Publikum vorzustellen – wie dies bisher in der Sendung WDR 3 Mosaik geschah. Die Ankündigung, Buchrezensionen ab März als feste Rubrik zu streichen, erscheint angesichts der Corona-Krise geradezu zynisch. Erschreckender noch wirkt die beschönigende Wortwahl, mit der diese Maßnahme begründet wird. Es verlieren nicht nur zahlreiche freie Mitarbeiter, Rezensenten und Schriftsteller notwendige Verdienstmöglichkeiten, sondern man verprellt auch die Hörer. Die Verantwortlichen vertreten offenbar die Auffassung, auf diesen kurzen Sendebeitrag könne man getrost verzichten, weil Literatur aus ihrer Sicht unbedeutend erscheint. Literatur
wird ihre Bedeutung nie verlieren. Sie wird immer aufrütteln und Menschen in ihren
Bann ziehen. Überflüssig aber sind jene fest Angestellten, die die vorgegebenen Weisungen willfährig umsetzen. Es wird Zeit, sich entschieden gegen derartige „Streichkonzerte“ zu wehren, damit das Schweigen innerhalb des WDR endet.
Evert Evers, Sprecher des VS Bezirk Köln

Mit Befremden beobachte ich die zunehmende Boulevardisierung, die inzwischen
auch beim WDR immer mehr Einzug hält. WDR 3 streicht einfach feste Kultur-Rubriken – man wolle flexibler werden, so der Sender. Warum fallen so viele prägnante Wahrzeichen des WDR dem Rotstift zum Opfer? Es reicht nicht mehr ein Moderator, es muss ein lustiges Moderatorenteam sein. Täglich gibt es Verlosungen, Hörer werden zu beliebigen Themen befragt, samstags gibt es eine Samstags-„Show“. Den WDR-5- Hörern wird es wohl nicht mehr zugetraut, am frühen Abend eine nüchterne halbstündige Nachrichtensendung wie zum Beispiel „Der Tag heute“ zu verfolgen, mit Anmoderation und dazu aktuellen Beiträgen. Stattdessen wird jetzt viel mehr moderiert und es gibt zur Auflockerung immer wieder Interviews. Früher fühlte ich mich kompakt informiert, das Gerede jetzt geht mir sehr auf die Nerven. Dann ist es bald egal, ob ich einen Privatsender oder den WDR einschalte. Schade.
Barbara Denner
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Die Rundfunkzwangsgebühren sollen ja mal wieder erhöht werden. Wo aber ist eine Aufstellung darüber zu lesen, wieviel Prozent dieser Gebühren zur Bezahlung der Gehälter von Intendanten, Direktoren, Redakteuren, Sachbearbeitern, Moderatoren, Korrespondenten und ihrer aller Betriebspensionen dient?
WDR-Chef Tom Buhrow erhielt 2019 laut Kölner Express vom 20.8.2020 ein Jahresgehalt von 395.000 Euro. Siehe dazu: Link H.S.

Ein Unglück kommt selten allein: VS-NRW soll Sitz im Rundfunkrat verlieren.
Nach Plänen der Landesregierung soll das WDR-Gesetz u. a. dahingehend geändert werden, dass die Zahl der Sitze im Rundfunkrat reduziert und damit der Sitz des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in NRW trotz seiner aktiven Gremienarbeit gestrichen wird. Der Verband setzt sich nicht nur für ein attraktives Kultur- und Bildungsprogramm beim WDR und in der ARD ein, sondern auch für die Belange kulturinteressierter Menschen aller Altersgruppen, für junge Medien, für eine literarische Bandbreite von Experimenten bis zu Klassikern.

Die geplante Gesetzesänderung macht nach Einschätzung des Landesvorstandes des VS NRW schmerzlich klar, dass die Kultur immer dann, wenn etwas wegfallen soll, als Erstes attackiert wird, die beschlossenen bzw. geplanten Änderungen auf WDR 5. WDR 3 und z.T. auch im Fernsehen sprechen hier eine deutliche Sprache.

Kultur und mit ihr die Literatur sind aber ein wichtiges Fundament dieser Gesellschaft und eine tragende Säule der Demokratie.

Vorrangige Aufgabe der Rundfunkratsmitglieder ist die Aufsicht über Programm und Finanzen des WDR, wobei zugleich eine größtmögliche Vielfalt der Berufsvertreter und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger gewahrt werden soll. Während alle künstlerischen Berufe wie Theater, Musik und bildende Kunst vertreten sind, soll nach den derzeitigen Plänen durch die Änderung des WDR-Gesetzes die Literatur demnächst außen vor bleiben. Die gestrichenen Plätze sollen von der IG Metall und IG Bergbau/Chemie eingenommen werden. Offizielle Begründung: Die Änderung trage so der Rolle Nordrhein-Westfalens als Industrieland Rechnung.

Frage: Wer trägt dann der Rolle von Literatur, literarischer Kultur und Bildung Rechnung?

Mit dem Wegfall des Sitzes des VS NRW im Rundfunkrat hätte die Literatur, hätten alle literarisch interessierten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes keine sichere Vertretung mehr im Aufsichtsratsgremium des WDR, der doch immerhin – auch – ein Kultursender ist (und hoffentlich bleiben wird).

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in den Programmen des WDR und auch durch die geplante Streichung des VS-Sitzes im Rundfunkrat zeigen sich Schriftstellerinnen und Schriftsteller in NRW sowie die Literaturinteressierten des Landes jetzt besorgt:
Droht – mit schwerwiegenden Folgen für Demokratie und Bildung – ein verheerender Kulturabbau in den Medien des "Industrielandes"?

Im Sinne von Kultur, freiem Wort und Literatur und im Auftrage der Bürgerinnen und Bürger in NRW muss der VS NRW deshalb seinen Sitz und seine Stimme im Rundfunkrat des WDR behalten!

Sabine Lipan, Landesvorsitzende info@sabine-lipan.de
Volker W. Degener, Mitglied im RR - volker.w.degener@cityweb.de

Quelle: PEN-Zentrum