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Tarifvertrag Altenpflege steht? wackelt? GESCHEITERT !!

Foto: H.S.

26.02.2021 - von Richard Rother, ver.di

Die Pläne für einen staatlich vorgeschriebenen Tarifvertrag in der Altenpflege sind gescheitert. Das lag weniger am Arbeitgeberverband Pflege (AGVP), sondern mehr an der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas. Diese hat sich am 25.2.21 gegen den von der Gewerkschaft Verdi und dem Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelten, allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Pflege ausgesprochen. Die Kirchen fürchten sich vor einem verbindlichen Tarifvertrag. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einem „Tritt in den Rücken von Pflegekräften“. Siehe dazu auch: Gewerkschaftsforum.de unter: Link

2.2.2021: Mindestentgelt für Pflegefachpersonen soll in vier Schritten auf über 3.000 Euro steigen. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) haben sich auf den endgültigen Inhalt des Tarifvertrags über Mindestbedingungen in der Altenpflege verständigt. Dieser soll nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zum 1. August 2021 auf die gesamte Branche erstreckt werden. Die Mindestentgelte für alle Pflegepersonen in der Altenpflege steigen demnach im Vergleich zum aktuell geltenden Pflegemindestlohn in vier Schritten deutlich an. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien sowie die im Arbeitnehmerentsendegesetz vorgesehenen Anhörungen von Diakonie und Caritas.

Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand:
„Die Zeit drängt. Wie groß der Personalnotstand ist, hat sich gerade auch in der Pandemie bitter gezeigt. Händeringend werden überall Beschäftigte für die Altenpflege gesucht; diese gewinnt und hält man nur mit guten Arbeitsbedingungen. Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen sichert das Lohnniveau nach unten ab und schützt letztendlich auch die Arbeitgeber vor einem ruinösen Wettbewerb. Die guten Regelungen in Tarifverträgen bleiben von dem zu erstreckenden Tarifvertrag unberührt.“

Gero Kettler, BVAP-Vorstandssprecher:
„Die Tarifeinigung ist positives Signal für die gesamte Branche und zeigt, dass die Arbeitgeber Verantwortung für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege übernehmen. Nun ist die Politik am Zug, die Refinanzierung sicherzustellen. Dafür brauchen wir dringend eine grundlegende Reform in Finanzierung in der Pflege. Die finanzielle Belastung der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen muss so schnell wie möglich sicher begrenzt werden.“

Im Einzelnen sieht der Tarifvertrag vor, die Mindeststundenentgelte für alle Pflegepersonen in der Altenpflege im Vergleich zum aktuell geltenden Pflegemindestlohn in vier Schritten – beginnend ab dem 1. August 2021 – deutlich zu erhöhen und die Schlechterstellung der Beschäftigten in Ostdeutschland vorzeitig zu beenden. Pflegehelferinnen und Pflegehelfer erhalten demnach ab dem 1. August 2021 ein Entgelt von mindestens 12,40 Euro pro Stunde, ab dem 1. Januar 2022 mindestens 13,80 Euro, ab dem 1. Januar 2023 mindestens 14,15 Euro und ab dem 1. Juni 2023 mindestens 14,40 Euro. Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung bekommen ab dem 1. August 2021 mindestens 13,10 Euro pro Stunde; ihre Mindeststundenentgelte erhöhen sich ab 1. Januar 2022 auf 14,50 Euro, ab 1. Januar 2023 auf 15,00 Euro und ab 1. Juni 2023 auf 15,25 Euro. Die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegefachpersonen liegen demnach ab 1. August 2021 bei 16,10 Euro, ab 1. Januar 2022 bei 17,00 Euro, ab 1. Januar 2023 bei 18,50 Euro und ab 1. Juni 2023 bei 18,75 Euro. (Für einen Heizungsbauer oder Wasserinstallateur müssen Auftraggeber circa 50 - 60 Euro pro Stunde auf den Tisch des Hauses legen! H.S.

Die Erhöhung entspricht einer Steigerung gegenüber dem bisherigen Pflegemindestlohn von insgesamt 25 Prozent. Im Juni 2023 werden bei einer 39-Stunden-Woche dann mindestens folgende Monatsgehälter gezahlt: 2.440,00 Euro für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer, 2.585,00 Euro für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung und 3.180 Euro für Pflegefachpersonen.

Pflegepersonen in der Altenpflege haben zudem künftig Anspruch auf mindestens 28 Urlaubstage pro Jahr und ein zusätzliches Urlaubsgeld von mindestens 500,00 Euro. Der Tarifvertrag regelt Mindestbedingungen in der Altenpflege; bessere Regelungen bleiben davon unberührt und sind auch weiterhin möglich.

BVAP und ver.di sind zuversichtlich, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie den gemeinsamen Weg zu flächendeckend wirkenden Arbeitsbedingungen unterstützen. In den Anhörungen wurde deutlich, dass es das gemeinsame Ziel gibt, bundesweit die Arbeitsbedingungen in diesem relevanten Bereich zu verbessern. Gewerkschaft und Arbeitgeberverband richten zudem einen dringenden Appell an Politik und Kostenträger, eine ausreichende Finanzierung der neuen Mindestentgelte in der Altenpflege sicherzustellen, ohne dass die Eigenanteile der Bezieherinnen und Beziehern von Pflegeleistungen oder deren Angehörigen steigen.

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Die FAZ schreibt am 1.2.21: "Für Pflegefachkräfte würde damit ein Mindestlohn von 18,75 Euro je Stunde eingeführt. Die Regelung soll „zum 1. August 2021 auf die gesamte Branche erstreckt werden“, ... Die Bundesregierung reagierte zunächst zurückhaltend. Es seien noch offene Fragen zu klären."

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Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP), der mit dem BVAP konkurrierte, hat Klage gegen den Tarifvertrag angekündigt. Wie die Junge Welt am 2.2.21 meldete, werde der Verband beantragen, die Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft ver.di in der Altenpflege festzustellen. Dann wäre der Tarifvertrag mit der BVAP nichtig! Der Entwurf des Antrags an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg soll der FAZ vorliegen. Der Gewerkschaft fehle es an Tariffähigkeit in der Altenpflege, da sie „keine Durchsetzungskraft in der Branche für sich in Anspruch nehmen kann“, soll es im Antragsentwurf heißen.

Quelle: PM ver.di, 1.2.2021