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Rentner zu blöd zum Krötensammeln?

09.04.2006 - von Hanne Schweitzer

Seit in der FAZ darauf geachtet wird, dass die Wortwahl der Redakteure nicht mehr ganz so altersdiskriminierend wirkt, sind es die Karrikaturisten, die zur altersdiskriminierenden Hochform auflaufen.
Das Klischee vom trotteligen Alten, der meint sich nützlich machen zu müssen, bedient z.B. das Zeichnerteam Greser & Lenz auf der Politik-Seite der Zeitung.

Zu sehen sind Landschaft und Landstraße mit "Achtung - Tierwanderung-Schild" und drei Flatschen auf der Straße, die wohl Kröten sein sollen. Im Bildvordergrund stehen sich zwei Männer gegenüber. Der eine ist schlank, mit randloser Brille, Jackett und Gummistiefeln. Mit der einen Hand trägt er einen leeren Eimer. Seine andere Hand hält er ratslos/erschrocken vor den Mund. Laut Sprechblase denkt er gerade: "Ohweh, 5 gerettet, aber 3 zertreten oder aufgespießt".

Auslöser dieses Gedankens ist sein Gegenüber, ein kleiner, deutlich älterer Mann. Der steht, auf einen Stock gestützt, seine Bierplautze in eine stracke Trainingsjacke eingehüllt , aufrecht vor dem Dünnen. Ein krötenähnliches Tier ist auf seinem Stock aufgespsßt, der Alte bemerkt es aber nicht. Auf dem Kopf trägt er eine Schiebermütze, vor den Augen eine dicke Brille mit zentimeterdicken Gläsern. Der Dicke reckt dem Dünnen einen Eimer entgegen, aus dem ein Tier rausschaut, dass wohl eine Kröte darstellen soll. Hinter vorgehaltener Hand preßt der Dünne als Reaktion darauf hervor: "Ähem ... gut gemacht, Opa Ede!"

Unter der Zeichnung steht: "Zusatzverdienstmöglichkeiten für Rentner: Geht das gut?" Was soll uns das sagen?

  • 1. Rentner sind zu dämlich, um Kröten in einem Eimer zu sammeln ohne dabei Kröten plattzumachen.
  • 2. Technokraten sind zwar korrekt mit Gummistiefeln und Eimer ausgestattet, sammeln selbst aber keine Kröten.
  • 3. Wer keine Kröten gesammelt hat, kann den älteren Sammler ungestraft duzen und "Opa" nennen.


  • Damit nähern sich die FAZ-Zeichner dem Niveau der Kölner Boulevard-Zeitung Express. Dort taucht in der Headline auf der 1. Seite regelmäßig eine "Oma" oder ein "Opa" auf. "Oma Ilse" macht dies, "Opa" Walter macht jenes. Nun gilt es als wesentliches Merkmal der bürgerlichen Gesellschaft, dass Männer und Frauen mit ihrem Namen angesprochen werden. Sie sind kein namen- und rechtloses "Gesinde" mehr. Jeder bleibt, auch mit zunehmendem Alter - zuerst einmal Frau Sound so oder Herr Soundso. Erst danach folgen andere Attribute, wie Aufsichtsrat, Fernfahrer, Direktor oder familiäre Zuweisungen wie Vater, Sohn, Tochter, Mutter oder Großmutter oder Großvater. Für die Redaktion des Express ist das nicht von Belang. "Oma Gertrud (64), Kokain im BH", titelt die Zeitung. Die ungewohnte Kombination von "Oma", "Kokain" und "Büstenhalter" läßt die Überschrift zunächst knackig `rüberkommen. Erst beim zweiten Nachdenken stellt sich ein Unwohlsein darüber ein, wie dreist hier eine 64Jährige Frau, über deren Familienstand im Artikel +überhaupt nichts gesagt wird, von wildfremden Leuten öffentlich als "Oma" tituliert wird.

    Seit 1999 schreiben wir Beschwerdebriefe wegen "Oma und Opa-Überschriften" an die Chefredaktion des Express. Wir wüßten gerne, warum die Redaktion, die von den Oma- und Opatiteln scheint´s nicht lassen kann, warum sie ihre Vorliebe nicht auch auf die ausdehnt, die alt und prominent sind.

    Dann hieße es: Opa Dieter, statt Arbeitgeberpräsident Hundt, Oma Elke, statt Elke Heidenreich, Opa Franz, statt Franz Beckenbauer.

    Hoffentlich wird die Infektion der FAZ-Zeichner mit dem Oma/Opa-Virus nicht chronisch. Wir weisen sie vorsichtshalber aber darauf hin, dass z.B. in den USA das Zwangsverrentungsalter schon 1984 abgeschafft wurde. Und so kommt es, dass der Briefträger meiner Kusine in Maine über 80 ist, und Arthur Winston an dem Tag seinen 100. Geburtstag feierte, als er am 22.3.2006 in Los Angeles zum letzten Mal zur Arbeit erschien. Insgesamt 72 Jahre hat Winston als Reinigungs- und Wartungsmann für die städtischen Verkehrsbetriebe in Los Angeles gearbeitet. Davon 35 Jahre als Rentner. 1996 wurde er als Angestellter des Jahrhunderts von Präsident Clinton geehrt.

    Von wegen zu blöd zum Krötensammeln!

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1295
    Quelle: Kölnische Rundschau, 24.3.2006, FAZ, 7.4.06

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