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Österreich: Krisenkosten gerecht verteilen - 5 Punkte-Plan des ÖGB

Foto: H.S.

Österreich - 05.09.2021

„Wie finanzieren wir die Kosten der Krise gerecht?"- das diskutierten ExpertInnen aus der Wirtschaft und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund beim dritten ÖGB-Sommerdialog 2021. Denn die Corona-Pandemie hat nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Folgen, gleichzeitig wurde auch viel Geld in die Hand genommen. „Das war einerseits wichtig, um Arbeitsplätze zu sichern”, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber am Rande des ÖGB-Sommerdialogs, „andererseits wurde damit aber auch das Vermögen von Reichen und Superreichen gerettet.”
Es müssen auch diejenigen einen gerechten Beitrag leisten, die vor der Krise viel hatten und jetzt noch mehr haben.
Bei der Finanzierung der Krisenfolgen geht es daher darum, dass „diejenigen einen gerechten Beitrag leisten, die vor der Krise viel hatten und jetzt noch mehr haben.” Als konkrete Instrumente zur Finanzierung der Krise nennt Teiber die Einführung einer Millionärssteuer, die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie steuerliche Maßnahmen im Digitalsektor.

Was nicht passieren darf:
„Dass in die Taschen der ArbeitnehmerInnen gegriffen wird und Leistungen des Sozialstaats gekürzt werden” so die GPA-Vorsitzende.

Wie finanzieren wir die Kosten der Krise gerecht?
Die Corona-Pandemie hat nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Folgen, sie
ist auch extrem teuer. Aktuell müssen Kosten von mind. 22 Mrd. Euro allein für 2020
kalkuliert werden. Vor allem Unternehmen wurden mit vielen Milliarden Euro durch die
Krise getragen und auch ArbeitnehmerInnen haben, etwa über die Kurzarbeit, Unterstützung erfahren.

Die logische – und drängende Frage – lautet daher:
Wer wird diese gewaltige Krisenrechnung bezahlen? Die Vergangenheit lehrt, dass in vergleichbaren Fällen gerne in die Taschen der ArbeitnehmerInnen gegriffen wird und Leistungen des Sozialstaats gekürzt werden. Diese sogenannte „ausgabenseitige Sanierung“ ist aber der falsche Weg – vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass hier einmal mehr die Krise vorgeschoben wird, um die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen voranzutreiben.

Denn die Corona-Pandemie hat (wieder einmal) deutlich gezeigt:
Länder mit funktionierenden Sozialstaaten kommen besser und schneller durch Krisen.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund hat deshalb ein fünf Punkte umfassendes Programm entwickelt, um sicherzustellen, dass Österreich die Folgen der Corona-Pandemie gemeinsam überwindet und heute schon fit ist für die Krise von morgen.
Der faire Weg: So kommen wir aus der Krise:

1.
Gerechte Verteilung der Steuereinnahmen:
Aufgrund der Corona-Krise gibt es eine Fülle an Steuersenkungen und -erleichterungen für Unternehmen, während sie gleichzeitig hohe Außenstände bei der Sozialversicherung haben. UnternehmensvertreterInnen fordern darüber hinaus weitere Senkungen bei Steuern und Abgaben – das vielleicht prominenteste Beispiel sind ist die Diskussion um Senkung der Lohnnebenkosten; gleichzeitig sollen die derzeitigen Begünstigungen beibehalten werden. Massive finanzielle Zuwendungen also, die aus dem Staatshaushalt fließen bzw. fließen sollen, der zum überwiegenden Teil von den ArbeitnehmerInnen finanziert wird.

Wir fordern, dass Unternehmen, sehr große Vermögen und Millionäre einen entsprechenden Beitrag zum Staatshaushalt leisten müssen. Dazu gehört auch ein effektiver Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung, vor allem auch auf europäischer Ebene ohne Blockaden der österreichischen Bundesregierung.

2.
Steuerstrukturreform mit einer fairen Beteiligung von Vermögenden
Entlastung des Faktors Arbeit:
Abgeltung der kalten Progression. Nachziehen bei lange nicht angepassten steuerlichen Positionen zugunsten der ArbeitnehmerInnen (z.B.: Zulagen und Absetzbeträge).
Einführung einer Millionärssteuer (= progressive Vermögenssteuer mit hoher Freibetragsgrenze)
Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer

Wertschöpfungsabgabe:
In einem ersten Schritt soll für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) statt der Lohn- und Gehaltssumme die Brutto-Wertschöpfung als Beitragsbasis dienen. Denn derzeit werden sehr breite Leistungen für alle, wie etwa die Kinder- und Familienbeihilfe, allein durch den Faktor Arbeit querfinanziert. Eine breitere Bemessungsgrundlage wirkt daher „strukturneutraler". Sie wird um Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten und Leasingraten verbreitert.

Harmonisierung der Unternehmenssteuern über die internationale Ebene:
Die Einführung einer globalen Mindeststeuer ist ein erster Schritt für mehr Steuergerechtigkeit, aber leider nur ein zaghafter mit vielen Ausnahmen. In der der EU braucht es vor allem eine konsolidierte Bemessungsgrundlage sowie zusätzliche steuerliche Maßnahmen in Digitalsektor. Eine Senkung der österreichischen Körperschaftsteuer auf 21 % - wie von türkis-grün angepeilt – wäre der falsche Schritt.
Die Körperschaftssteuer ist schon von 34 % auf 25 % gesenkt worden. Dazu müssten die SteuerzahlerInnen und damit überwiegend die ArbeitnehmerInnen tief in die Tasche greifen und das ist vor dem Hintergrund der großzügigen finanziellen Hilfen für Unternehmen nicht zu argumentieren.

3.
Beschäftigung und Arbeitsplätze schaffen:
Gute Arbeit sichert auch solide Einnahmenbasis
Geht`s den ArbeitnehmerInnen gut, geht`s der Wirtschaft gut – und damit dem ganzen Land. Rund sechzig Prozent der Staatseinnahmen hängen vom Arbeitsvertrag ab, sei es durch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und vieles mehr. Insgesamt sorgen ArbeitnehmerInnen sogar für rund 80 Prozent des Steueraufkommens in Österreich. Den Wohlstand im Land erarbeiten also die Menschen, sie beleben mit ihren Einkommen die Konjunktur und sorgen für die wirtschaftliche Zukunft. Ohne neue Arbeitsplätze kann also auch die Konjunktur nicht belebt werden.
Das Vergabewesen ist mit einem Anteil von ca. 14 Prozent des BIP ein wichtiges Instrument. Durch eine Anhebung der Schwellenwerte soll die regionale Wertschöpfung gestärkt werden. Die drohende Insolvenzwelle könnte weitere Jobs kosten.

Deshalb fordert der ÖGB mit dem Comeback-Beteiligungsfonds eine staatliche Beteiligungsgesellschaft, mit welcher Unternehmen über die schwierige Phase zwischen dem Auslaufen von Unterstützungszahlungen und Stundungsmöglichkeiten und wieder vollständig auf „eigenen Beinen zu stehen“, überbrücken können. Mit steigenden Gewinnen können die Unternehmen die Beteiligungen wieder auflösen – das Geld fließt an den Staat zurück.

4.
Ökologisch im Sinne der ArbeitnehmerInnen handeln
Die CO2-Steuer ist ein wesentliches Element der von der Bundesregierung geplanten „Ökosozialen Steuerreform“, die den CO2-Ausstoß fossiler Energieträger über höhere Energiepreise zurückzudrängen soll. Ein durchgängiger sozialer Ausgleich ist jedoch essenziell, andernfalls gibt es massive negative Auswirkung auf kleine und mittlere Einkommen.

Zweckbindung:
Mit diesen Einnahmen müssen den ArbeitnehmerInnen die Einkommensverluste
aus der CO2-Steuer abgegolten werden: Einführung eines Ökobonus Plus – d.h. eine periodische monetäre Pauschalgutschrift pro Erwachsenen (u.U. halbiert für Kinder), abgewickelt über die Lohn- und Einkommensteuer, ergänzt um zusätzliche Mittel für PendlerInnen und energiearme Haushalte.

Ergänzend zur Einführung der CO2-Steuer braucht es:
Öffentliche Unterstützung für den Umstieg bei Gas- bzw. Ölheizungen, Ausgleich für PendlerInnen und Umwandlung des Pendlerpauschale in einen Absetzbetrag, einen massiven Ausbau der Investitionen in saubere Mobilitätssysteme, eine Sanierungsoffensive für Infrastruktur und einen CO2-Grenzausgleich auf europäischer Ebene.
Öffentlich finanzierte Maßnahmen müssen außerdem der Energiearmut entgegenwirken. Flächendeckende LKW-Maut und Verkehrsanschlussabgabe
Einführung einer Kerosinbesteuerung
Einführung einer Pestizid- und Düngemittelsteuer

5.
Europäische Hilfen sinnvoll nutzen:
EU-Mittel aus dem Recovery-Fund in der Höhe von 3,5 Mrd. Euro
Mit den Mitteln aus dem Wiederaufbauplan der EU refinanziert die Regierung viele bereits laufende oder erst kürzlich beschlossene Maßnahmen. Das bringt finanziellen Spielraum, der auch genützt werden muss. Für Arbeitsmarkt, Gesundheit, Pflege, Just Transition, Ausbau Kinderbetreuung und Elementarbildung braucht es zusätzliche Mittel oder weitere Anschubinvestitionen.

Arbeitsmarkt und Bildung:
Mittel für die arbeitsmarkt- und weiterbildungspolitischen Instrumente sind zu erweitern.
Weiterer Ausbau der Kinderbetreuung und Elementarbildung
Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft: Massive Investitionen sind nötig, um die Produktionsanlagen und Infrastruktur anzupassen und einen gerechten Übergang für die ArbeitnehmerInnen zu gewährleisten.

Gesundheit, Pflege und Soziale Dienste:
Ein gut ausgebautes Gesundheits- und Pflegesystem ist gerade in der Krise unersetzlich. Investitionen müssen aber von Reformen begleitet werden – bessere Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Personalausstattung, aber auch Versorgungssicherheit mit Medikamenten und Technik, sowie Ausbau inländischer Produktionsmöglichkeiten.

Transparenter Plan zur Budgetsanierung inkl. Kassasturz:
Es muss eine transparente, für die Bevölkerung darstellbare Form des Budgetsanierung geben, ähnlich der Strukturanpassungsgesetze in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Quelle: ÖGB, 26.8.2021