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23.03.2022 - von Gewerkschaftsforum Dortmund
Die Krokodilstränen der Wohlfahrtsunternehmen: Immer wieder erheben sie ihre Stimmen wenn es um Armutsgesetzgebung und prekäre Beschäftigung geht – doch die größten Profiteure des Sozialabbaus sind sie selbst.
Von Zeit zu Zeit erheben die 4 großen Wohlfahrtsunternehmen, die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Deutsche Caritasverband (DC), das Diakonische Werk (DW) und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (Paritätische) die Stimme zu den Auswirkungen der Hartz-IV-Gesetzgebung und prekären Beschäftigung und fordern Verbesserungen. In ihren eigenen Unternehmen nutzen sie allerdings die unmenschlichen Bedingungen für ihre Beschäftigten aus, um den Profit zu sichern. Gleichzeitig unterbinden sie jegliche Gegenwehr, Selbstorganisation oder gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten in ihren Reihen.
Ein-Millionen-Grenze von offiziell arbeitslos gemeldeten Menschen überschritten
Im Februar 1975 schockierte eine Meldung in den Nachrichten die Menschen in der Bundesrepublik: Erstmals wurde die Ein-Millionen-Grenze von offiziell arbeitslos gemeldeten Menschen überschritten. Genauer betrachtet waren damals 1.184 000 Personen erwerbslos. Nach dem ersten Schreck wurde dies allgemein als einmaliger Ausrutscher infolge der großen Wirtschaftskrise, die fälschlich „Ölkrise“ genannt wurde, betrachtet. Als dann 1982 die Zwei-Millionen-Hürde fiel, wurde jedem klar, dass es sich um eine strukturelle Entwicklung handelte, die nicht von heute auf morgen gestoppt werden kann.
In vielen Städten versammelten sich arbeitsmarkt- und sozialpolitisch engagierte Menschen zu Demonstrationen. In den Ruhrgebietsstädten wurde das Thema Arbeitslosigkeit sehr breit diskutiert, da viele Arbeitsplätze im „Blaumannbereich“ vernichtet wurden. Viele der betroffenen Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten, wollten nicht resignieren, sie organisierten sich selbst und es entstanden überall Arbeitslosengruppen und –initiativen. Vor allem junge Menschen ohne Arbeit taten sich zusammen, um eigene Initiativen zu gründen. Die erwerbslosen Menschen wollten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, für Arbeit und soziale Sicherheit, gegen soziale Ausgrenzung und Diffamierung kämpfen. Diese Bewegung trat dafür ein, Arbeitslosigkeit als gesellschaftliches Problem zu begreifen und nicht den erwerbslosen Menschen selbst die Schuld für ihre Situation zu geben.
Die Selbstorganisation von betroffenen Menschen war nicht von den damaligen politischen Akteuren in den Kommunen gewünscht. Da es den Initiativen abgesprochen wurde, sich selbst für ihre Interessen einsetzen zu können, übernahmen zunächst die Kirchen die Domestizierung in die Hand und machten in den 1980er Jahren die Arbeit/Arbeitslosigkeit zu ihrem zentralen Thema. Gleichzeitig verwehrten sie in ihren eigenen Reihen ihren Beschäftigten die gleichen Rechte, wie z.B. das Streikrecht und Mitbestimmungsmöglichkeiten, wie im öffentlichen Dienst üblich, gänzlich. Dann folgte die AWO dem Trend der Einhegung der Basisinitiativen, parallel dazu der Paritätische, der nicht viel Energie aufbringen musste, da viele „freie Initiativen“ den Paritätischen als ihren Dachverband auserkoren hatten.
Wegen der zu starken Umarmung der Wohlfahrtskonzerne ist den Erwerbsloseninitiativen die Luft ausgegangen, von den zahllosen Gruppen in den 1980er Jahren haben kaum welche überlebt. Mittlerweile sind auch die selbstorganisierten Arbeitslosenzentren verschwunden oder in der Trägerschaft der Wohlfahrtsunternehmen gewechselt. So hat man es geschafft, über die ganzen Jahre hinweg, jegliche Ansätze von Selbstorganisation und eigenständiger Artikulation der erwerbslosen Menschen im Keim zu ersticken.
Als dann sich das Normalarbeitsverhältnis unter dem Einfluss des Neoliberalismus mit den Losungen von „Liberalisierung, Flexibilisierung und Deregulierung“ zunehmend auflöste, atypische, prekäre, befristete, Leih- und Zwangsteilzeitarbeitsverhältnisse an dessen Stelle traten, die Beschäftigten und ihre Familien nicht mehr über ein ausreichendes Einkommen verfügen konnten und nicht mehr den erforderlichen arbeits- und sozialrechtlichen Schutz hatten, um sich individuell wehren zu können. Gleichzeitig sind die Wohlfahrtskonzerne enorm gewachsen und haben sich zu Jobmotoren entwickelt. Für sie kam die Hartz-Gesetzgebung als Geschenk des Himmels um Betriebsteile auszugliedern, neue Geschäftszweige mit „Zweckbetrieben“ zu entwickeln und sich aller prekären Beschäftigungsverhältnisse, wie auch den Arbeitsgelegenheit (AGH/1€-Jobbs) zu bedienen.
Zwei dieser Beschäftigungsverhältnisse werden im Folgenden näher betrachtet:
Seit Jahrzehnten schuften die „Programmkräfte“ in den Maßnahmen der Arbeitsverwaltung bei den Wohlfahrtsunternehmen für „einen Appel und ein Ei“ oder als 1-Euro-Jobber
Seit den 1990er Jahren treten die Wohlfahrtsunternehmen und ihre neu gegründeten Beschäftigungs- und Maßnahmeunternehmungen auf dem Arbeitsmarkt auf und nutzen vor allem langzeitarbeitslose Menschen in den gut geförderten Maßnahmen brutal aus.
Die Menschen in den Maßnahmen werden bewusst vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten, auch weil sie für den Maßnahmeträger gut eingearbeitete vollwertige Arbeiterinnen und Arbeiter sind und in den sogenannten Zweckbetrieben für Profit sorgen. Da sie rechtlich gesehen in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, haben sie auch keine Rechte, die sich aus einem regulären Normalarbeitsverhältnis ergeben. Sie sind den im Sozialgesetzbuch festgeschriebenen Sanktionsmöglichkeiten der Jobcenter ausgeliefert und damit verstoßen diese Maßnahmen gleich gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes, wie gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Berufsfreiheit oder das Koalitionsrecht.
Menschen im Maßnahmen- und Arbeitsgelegenheitengestrüpp
Es gibt Menschen, die seit Jahren immer noch unter besonderen „Vermittlungshemmnissen“ leiden. Sie haben seit 10 oder 12 Jahren immer die gleiche Beschäftigung beim gleichen kirchlichen Maßnahme- bzw. Anstellungsträger. Sie haben auch alle Programme durchlaufen, die die Arbeitsverwaltung in ihren Angeboten hat.
Dabei haben sich in der Zusammenarbeit mafiöse Strukturen, gegenseitiges Geben und Nehmen und Kungeleien zwischen den kirchlichen Einrichtungen und den Jobcentern entwickelt, die keinerlei Kontrolle unterworfen sind.
Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsträger Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechtem Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die recht- und schutzlosen Arbeiterinnen und Arbeiter erledigen lässt.
Diese Menschen werden in privaten Haushalten und Gewerben eingesetzt, die dann für eine Stunde Arbeit bis zu 20,00 Euro an den Träger zahlen müssen.
Wenn es der Betriebsablauf notwendig macht, werden bei den Arbeitsgelegenheiten auch Überstunden angeordnet, die dann mit 1,50 Euro in der Stunde vergütet werden.
Bei einigen Maßnahmen kassieren die kirchlichen Einrichtungen monatlich pro Teilnehmer bis zu 500,00 Euro „Regiekosten“. Wer diese Summe pro Träger und Teilnehmer zusammenrechnet und dann noch schaut wie viele „Regisseure“ in Wirklichkeit tätig sind, sieht, wie lukrative diese Förderketten sind.
Wenn bei Maßnahmen z.B. die Zusätzlichkeit nach den etwas verschärften Kriterien nicht geben ist, stellen die Kirchen schnell „Projektbezüge“ her oder man kann auch z.B. eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ für alle Gewerbe, die im Aktionsraum liegen, vom Einzelhandelsverband erhalten, die wird der Arbeitsverwaltung vorgelegt und alles ist gut.
In Läden in denen Ware verkauft wird, wird eine Erklärung abgegeben, dass nur an Bedürftige verkauft wird oder für eine Zeit lang werden Waren nicht mehr verkauft, sondern gegen eine Spende ausgegeben. Wenn einige geförderte Maßnahmen nicht anlaufen, kann man immer noch auf die Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) umschalten (Förderung durchschnittlich 65 Prozent).
Falls es eng wird und alles nicht mehr gegenüber der Arbeitsverwaltung beeinflussbar ist, kann die Rettung eine Umwandlung des Ganzen in einen Integrationsbetrieb sein. Dass dieser Tipp nicht immer gut ist, wurde deutlich, als am 01.08.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Diakonischen Integrationsbetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gGmbH eröffnet (AZ: 255 IN 45/14) wurde. 34 Menschen, davon über die Hälfte mit Beeinträchtigungen, die in den „CAP-Märkten“ gearbeitet hatten, mussten entlassen werden. Die Folge von Missmanagement und vor allem mangelhafter Kontrolle der eigenen Aufsichtsgremien und öffentlicher Mittelgeber.
Einer jungen Frau wurde zur Arbeitsaufnahme noch kurz vor ihrem Insolvenzverfahren ein Kredit für die Anschaffung eines KFZ durch das Jobcenter gewährt, der Arbeitsplatz selbst wurde mit 75 Prozent Lohnkostenzuschuss gesponsert und der Arbeitgeber bestand frech auf deren KFZ, weil die Frau als Vertreterin für Medizintechnik Arztpraxen anfahren musste – so etwas geben die Richtlinien für die “freie Förderung” her. Das Arbeitsverhältnis wurde nach 3 ½ Monaten beendet.
Sozialarbeiter werden beauftragt, Berichte über Maßnahmeteilnehmer anzufertigen, in dem diese psychiatrisiert und ihre die „Defizite“ der einzelnen Person aufgelistet werden, die noch bestehen. Dem Jobcenter soll so dokumentiert werden, dass diese Person noch in einer weiteren geförderten Maßnahme sein muss. In der Regel entsprechen diese Berichte nicht der Wahrheit, sondern dienen lediglich dem weiteren Geldfluss, mit erheblichen folgen für die Maßnahmebeschäftigten, die beim Jobcenter mit diesem psychischen Befund aktenkundig werden und der ihnen ihr Leben lang anheftet.
Gängige Praxis ist es, dass zweckgebundene Personalkosten z.B. für die Schuldnerberatung nicht für die Beratung von überschuldeten Menschen zur Verfügung steht, die qualifizierten Personalstellen sind längst abgebaut und die öffentlichen vom Land gezahlten Personalkosten fließen in unbekannte Kanäle der Wohlfahrtsunternehmen.
Wen wundert es da, dass niemand so recht etwas an der bisherigen Förderpraxis ändern möchte und froh ist, dass diese Beschäftigten nicht auf den 1. Arbeitsmarkt abwandern können, da dort schlicht die Arbeitsplätze fehlen und ihnen das Arbeitslosengeld 1 verweigert wird.
„Koop-kurenz“
Damit alles so weitergehen kann, haben sich die Maßnahme- und Anstellungsträger oft als übergeordnete Vereine zusammengeschlossen. Die Mitglieder der Gemeinschaft haben vereinbart, dass sie sich der „ Koop-kurrenz“, (bezeichnet die Dualität von Kooperation und Konkurrenz auf Märkten, Anmerkung L.N.)) in einer für alle Mitgliedsorganisationen zufriedenstellenden Weise zu widmen und sich schon in der Planungsphase bei neuen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung abzustimmen.
Das Ganze ist ein recht geschlossenes System in dem öffentliche Mittel verschoben und unrechtmäßig verwendet werden.
Sozialer Arbeitsmarkt: mit dem „Teilhabechancengesetz“
Am 1. Januar 2019 trat das Teilhabechancengesetz in Kraft. Die Bundesregierung stellte vier Milliarden Euro bereit, um Unternehmen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen für langzeitarbeitslose Menschen anbieten, die Lohnkosten zu subventionieren. Ohne jegliche arbeitsmarkt- und sozialpolitische Diskussion wurde mit dem neuen Gesetz ein gravierender Wechsel in der Arbeitsmarktpolitik vollzogen. Neuerdings stehen allen wirtschaftlichen Organisationsformen, auch den heimischen Privatunternehmen und -konzernen, staatliche geförderte Beschäftigungen ohne Einschränkung offen.
Der Staat zahlt den Unternehmen beim Zustandekommen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in den ersten zwei Jahren 100 Prozent sowie in den folgenden drei Jahren absteigend 90, 80 und 70 Prozent des Mindest- oder Tariflohns. Die Kriterien wie Zusätzlichkeit, öffentliches Interesse und Wettbewerbsneutralität wurden über Bord geworfen, die bislang die geförderte Beschäftigung nur bei sozialen Trägern und öffentlichen Einrichtungen einschränkte.
Rund 800.000 erwerbslose Menschen werden voraussichtlich mithilfe dieses Programms eine Beschäftigung aufnehmen und so soll der Niedriglohnsektor weiter ausgebaut werden, damit die deutschen Unternehmen weiterhin den Weltmarkt dominieren können.
Für die Wohlfahrtsunternehmen ist dies eine neue, sehr effektive Möglichkeit, ihre „Zweckbetriebe“ am Laufen zu halten.
Das Gesetz sieht im Einzelnen vor, dass
- eine Dauer der Maßnahme von fünf Jahren oder auch eine kürzere Befristung mit optionaler einmaliger Verlängerung explizit erlaubt ist.
- nach 5 Jahren keine Verpflichtung für die Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung, besteht und ein Großteil der Betroffenen wieder in den Hartz-IV-Bezug gehen wird.
- der typische Arbeitsvertrag im Rahmen dieser Förderung voraussichtlich zunächst auf zwei Jahre angelegt sein wird und bei guter Führung und Leistung anschließend für drei Jahre verlängert werden kann.
- es sich nur zum Teil um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Da keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhoben werden, ist am Ende nur der Hartz-IV-Bezug möglich und das Hartz IV-System greift wieder. Es muss nicht Arbeitslosengeld 1 nach dem SGB III gezahlt werden und es fallen keine Vermittlungskosten an.
- die Jobcenter zusammen mit den potenziellen Arbeitgebern entscheiden, welcher Mensch welche Stelle annehmen muss. Der Arbeitszwang seitens der Jobcenter steht dabei der Selbstbestimmung des Einzelnen entgegen.
- ein Angebot nicht abgelehnt werden kann. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter.
- der Mindestlohn, selbst in Vollzeit sind das etwa 1.550 Euro brutto, zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Schon gar nicht kann man davon seine Familie ernähren.
- es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt und sich damit kein Arbeitsverhältnis begründet. So sind Verstöße gegen Arbeitsrechte und Arbeitsschutz vorprogrammiert.
- im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst werden.
Maßnahmeteilnehmer aus der Maßnahme durch die Arbeitsverwaltung abberufen werden können, z.B. für Bildungsmaßnahmen oder eine andere Arbeitsaufnahme
- und dass die Beschäftigten immer noch unter der Knute der Jobcenter stehen. Da es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt, sind sie während der gesamten Laufzeit nicht nur ihren Unternehmen, sondern auch der „Betreuung“ durch die Jobcenter unterworfen.
Sanktionen können auch hier greifen
Im § 31 des SGB II wird unter dem Begriff „Pflichtverletzungen“ festgelegt, dass langzeitarbeitslose Menschen vom Jobcenter sanktioniert werden können, wenn sie z.B. eine Maßnahme nicht annehmen oder unterbrechen. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter. Dies kann dazu führen, dass die Menschen gar kein Einkommen mehr erhalten, je nachdem, wie viel Prozent laut Vorgaben vom laufenden Bezug gestrichen wird.
Sanktion ist immer Strafe und Legitimation zugleich. Einmal wird bestraft und zum anderen den Menschen gezeigt, dass der Staat dazu das Recht hat, dass er das tun darf. Ohne Sanktionen würde das Hartz-IV-System seine Effektivität und Abschreckung als Mittel zur Lohnsenkung verlieren.
Grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ausgehebelt
Die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ebenfalls berührt, wenn die Menschen gezwungen werden, jede Arbeit, Beschäftigung oder Maßnahme anzunehmen. Der Aspekt der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit hat in den seit Jahren geführten Diskussionen um die Sanktionsmechanismen praktisch so gut wie nie eine Rolle gespielt. Die Menschen, die im Hartz-IV-Bezug sind, stehen permanent unter dem Druck möglicher Sanktionen, weil jeder Vermittlungsvorschlag des Jobcenters ein „nicht ablehnbares Angebot“ sein kann. Die Freiheit der Berufswahl gibt es für sie nicht. Es wird hierbei die SGB II Vorschrift der § 10 Abs. 2 angewandt. Danach ist einem erwerbslosen Menschen jede Arbeit zumutbar und er kann nur ausnahmsweise Arbeitsangebote ablehnen, z.B. nur, wegen besonderer körperlicher Anforderungen oder wegen der Gefährdung der Erziehung des Kindes. Ausdrücklich kein „Wichtiger Grund“ zur Ablehnung eines Vermittlungsangebots sollte sein, dass die „Arbeitsbedingungen ungünstiger“ als die Bedingungen des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses sind. Das ist der Hebel, mit dem man die Beschäftigten mit staatlichem Zwang in den Niedriglohnsektor drängt.
Staatlich subventionierte Leiharbeit
Neu beim Teilhabechancengesetz ist auch, dass Zeitarbeitsfirmen nicht als Förderberechtigte ausgeschlossen werden. Die Branche, die schon jetzt größter Abnehmer von langzeitarbeitslosen Menschen und Profiteur der Agenda 2010 ist, trommelte für das Gesetz am Lautesten. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. bietet bereits Seminare an und gibt eine Broschüre heraus, um seinen Mitgliedern Anleitungen für das Ausschöpfen des neuen Fördertopfs an die Hand zu geben. Denn das neue Gesetz macht die Träume dieser Branche wahr. Sie können ab sofort einen Menschen für 24 Monate anstellen, sich die kompletten Lohnkosten vom Staat bezahlen lassen und das Geld, das sie für die Verleihung der Angestellten erhalten, als Gewinn einstreichen. Der Leiharbeiter darf nicht mal kündigen, da ihm dann Sanktionen vom Jobcenter drohen.
Auch die Träume der Wohlfahrtsunternehmen werden nun wahr, viele ihrer langjährigen „Programmkräfte“ können ohne große Eigenanteile weiter ihre Dienste verrichten.
Ehrenamtliche Arbeit/Freiwilligenarbeit
Die beiden Großkirchen betonen gern, dass sie in entscheidendem Maße auf das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder angewiesen sind. In der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche engagieren sich jeweils rund eine Million Menschen freiwillig und unentgeltlich. Hinzu kommt die ehrenamtliche Arbeit unzähliger Menschen in Einrichtungen der zu Sozialkonzernen mutierten früheren christlichen Wohlfahrtsverbände der Diakonie und der Caritas. Der Beitrag der Frauen an dieser Mitarbeit ist mit einem Anteil von etwa 70 Prozent besonders hoch.
Ähnlich sieht es bei der AWO, die besonderen Wert auf die Ehrenamtlichen/Freiwilligenarbeit legt, die auch in ihrer Struktur fest verankert ist. Beim Paritätischen mit den vielen kleineren Initiativen kommt es häufig zu Selbstausbeutungssituationen, da die viele Arbeit mit zu wenige hauptamtlichen Beschäftigten geleistet werden muss und der Arbeitsschutz und Arbeitszeiten bei den Initiativen und kleinen Vereinen gar nicht eingehalten werden kann. Das muss dann unbezahlt verrichtet werden.
Bei dem Einsatz der ehrenamtlich arbeitenden Menschen entstehen neue Unterschichtungen zwischen Erwerbsarbeitsverhältnissen und Ehrenamtlichen bzw. den neuen Freiwilligen des Bundesfreiwilligendienstes. Das führt zu noch mehr Konkurrenz zwischen den ohnehin schon heterogenen Beschäftigtengruppen bei den Wohlfahrtsunternehmen und zwischen Ehrenamtlichen, Freiwilligen und bezahlten Kräften. Eine Trennung zwischen Erwerbsarbeit und Engagement ist kaum mehr möglich.
Die ehrenamtlichen Arbeitskräfte haben schon immer gegen Gotteslohn als Lückenbüßer nicht besetzte Planstellen ausgleichen müssen, die dann mit öffentlichem Geld weiter voll aus finanziert werden und der „Dienst am Menschen“ als Notdienst aufrechterhalten wird.
Der Personalmangel in den schlecht bezahlten Sozial- und Pflegeberufen lässt wieder einmal den Ruf nach verbindlicheren und verlässlicheren Strukturen beim Ehrenamt ertönen. Man möchte die engagierten Menschen stärker in vertragliche Vereinbarungen einbinden und in personell unterversorgten Bereichen noch mehr als bisher einsetzen, auch um mehr Planungssicherheit zu erhalten. Weil Staat, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und private Träger die sozialen und pflegerischen Arbeiten nicht regulär bezahlen wollen, erhöht sich der Bedarf an der „freiwilliger Arbeit“ immens. So ist es kein Zufall, dass wieder offen über die Einführung von Arbeitsdiensten im Sinne von „sozialen Pflichtjahren“ diskutiert wird.
Die Umsetzung dieser Überlegungen scheitern derzeit noch daran, dass sie ohne Verfassungsänderung schwer zu realisieren wären, denn das Grundgesetz Artikel 12, Abs. 2 gebietet: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden“.
Wie aber die Erfahrungen mit dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) zeigen, geht das auch einfacher. Dort wird zwischen dem „Freiwilligen“ und dem „Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben“ eine Vereinbarung abgeschlossen, die mit einer Verpflichtung für einen vollen Arbeitstag (40 Stunden für unter 27-Jährige und 20 Stunden für über 27-Jährige) über mindestens zwölf Monate hinweg verbunden ist und mit einem Taschengeld (maximal 336 Euro monatlich) entlohnt wird.
Der DGB nennt diese Form des BFD eine „nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung“.
Weiterer Ausbau des Niedriglohnsektors
Die Schaffung von zusätzlichen Beschäftigungs-/Maßnahme/-Arbeitsplätzen z.B. im Rahmen des Teilhabechancengesetz werden die Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen aller Beschäftigten beeinflussen. Sie wird eine Umschichtung in den Betrieben zur Folge haben und reguläre Stellen abbauen. Die verbleibenden Beschäftigten entwickeln zunehmend Ängste um ihren Arbeitsplatz und leisten, wenn sie Glück haben, bezahlte Mehrarbeit. Dadurch verhindern sie Neueinstellungen und können ihre familiären und sozialen Beziehungen nicht mehr pflegen. Sie verzichten auf die notwendige Genesungszeit bei Krankheit, schädigen damit ihre Gesundheit und verursachen mehr Kosten für das Gesundheitssystem. Gesamtgesellschaftlich wird eine angstgetriebene Hoffnungslosigkeit erzeugt und die Konkurrenz bestimmt noch mehr den Alltag.
Immer mehr öffentliche und private Unternehmen ziehen sich weiter aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen zurück. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass eine bewusst erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert wird: mit Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gefördert, notwendige Arbeiten durch Arbeitskräfte aus dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ erledigen zu lassen.
Die Beschäftigten
Bei den Menschen, die bei den Wohlfahrtsunternehmen arbeiten, handelt es sich um eine bunte Schar. Neben der immer kleiner werdenden Stammbelegschaft steigt die Zahl der Maßnahmeteilnehmer kontinuierlich an, deren Arbeitsverhältnis sich aus dem entsprechenden Rechtskreis für die Anstellung ergibt. Derzeit sind es grob zwei Gruppen von Beschäftigten:
Die Maßnahme- und Programmteilnehmer:
Deren Beschäftigung gründet sich in den Maßnahmen und Programmen auf die Sozialgesetzgebung (SGB). Der Arbeitnehmerstatus gilt für sie nicht und für die Beschäftigten in Maßnahmen und Programmen gelten ebenso nicht die Arbeitsschutzrechte, geschweige denn Mitbestimmungsrechte. Sie können keine Vertretung wählen und das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist ihnen verwehrt.
Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 SGB II stellt unmissverständlich klar, dass z.B. die zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Deshalb war in der Rechtsprechung bisher umstritten, welcher Rechtsnatur die Beziehung zwischen dem „Ein-Euro-Jobber“ und dem Dritten ist, der die Arbeitsgelegenheit anbietet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun ausdrücklich in einer Entscheidung noch einmal festgestellt, dass das Rechtsverhältnis zwischen einem Ein-Euro-Jobber und dem Dritten, bei dem die Tätigkeit erbracht wird, kein Arbeitsverhältnis ist, sondern vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur.
Die „Stammbeschäftigten“
Hier tummeln sich die Beschäftigten in allen derzeit möglichen Arbeitsverhältnissen, begonnen von Abrufarbeit, Teilzeit, geringfügige Beschäftigung, Zeitverträge (auch programmgebunden), Solo-Selbständige, bis hin zu den gut dotierten frei ausgehandelten Managergehältern. Bis auf die Ausnahme bei der AWO werden den Gewerkschaften das Zutrittsrecht zum Betrieb verweigert und keine Tarifverhandlungen geführt. Das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz finden keine Anwendung, sodass eine sachgerechte Interessenvertretung der Beschäftigten durch die Gewerkschaften nicht möglich ist, auch weil ihnen die Zutritts-, Werbe-, Informations-, und das Aushangrecht erst gar nicht gewährt werden.
Die von den Gewerkschaften mühsam erkämpften Rechte und Regelungen wie Kündigungsschutz, Tarifverträge, festgelegtes Entgelt, Arbeitszeit, Arbeitszeitbestimmungen und Mitbestimmungsrechte fehlen dort zum Teil oder ganz.
Andauernden Verstößen gegen das Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz sind so Tür und Tor geöffnet.
So ist es Usus, dass unliebsame längjährige und engagierte Beschäftigte der Stammbelegschaft in neu gegründete GmbH`s versetzt werden, die dann in die Insolvenz gehen und das Unternehmen die sonst unkündbaren Menschen auf die Straße setzen kann.
Entfremdete Arbeit
Die Ideologie der Privatisierung gesellschaftlicher Ebenen hat auch den dritten Sektor der Volkswirtschaft, die Bildungs- und Sozial- und Gesundheitseinrichtungen erreicht, mit fatalen Folgen für die Beschäftigten.
Die Beschäftigten der Wohlfahrtsunternehmen mussten und müssen ungeheuerliche Änderungen über sich ergehen lassen, die nicht nur Auswirkungen auf die tag tägliche Arbeit haben, sondern ihre gesamte Lebenssituation beeinflussen.
Es geht hierbei nicht nur um ein Unbehagen, sich den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen, als Verkäufer sozialer Produkte auftreten zu müssen, bei der das eigentlich Menschliche zu einem Wettbewerbsfaktor der Markt- und Konkurrenzwirtschaft wird, in der Zuneigung, Aufmerksamkeit, Hilfe, Sicherheit, Ehrlichkeit und Authentizität zu verkaufen bzw. zu erwerben sind. Es hat sich ein Geld-Hilfe-Geld Verhältnis entwickelt, bei dem sich alle Beteiligten dem Diktat der betriebswirtschaftlichen Kenn- und Schlagzahlen unterwerfen und vor allem geht es um Entfremdungsprozesse, die die Beschäftigten völlig zerstören können.
Die Beschäftigten in diesem Sektor sind einem System ausgesetzt, in dem z.B. die Produktion von sozialer Dienstleistung den Dialog zwischen Klient und Mitarbeiter versachlicht und einer zeitlichen Ergebnisrealisierung geschuldet ist.
- der Face-to-Face Bezug als Prozess der pädagogischen bzw. sozialen Arbeit zum mark Kosten-Nutzen-Analyse und der Wirtschaftsplan den persönlichen und sozialen Sinn der Realisierung des Arbeitsprozesses dominieren.
- der Hilfeakt bzw. der pädagogische Dienst Geschäft-Vertrag-Standard wird und den Aufbau nachhaltiger Beziehungen verhindert. Gemessen wird alles in psychotechnischen Verfahren wie BSC, EFQM, DIN-En-Iso, die als aktualisierte Methoden aus dem Fordismus entwickelt wurden und konkret den Arbeitsablauf und Arbeitstakt vorgeben.
- die Flexibilität als positives Markenzeichen zu gelten hat und die Bereitschaft verlangt wird, sich (selbst) zu instrumentalisieren.
- der Prozess des Auf- und Absteigens innerhalb der Gesellschaft als normaler Vorgang bewertet und dem individuellen Fleiß oder der Risikobereitschaft des Einzelnen zugeordnet wird.
- das Privatkapital auf den Sozialmarkt drängt, der staatlich alimentiert wird und in Zeiten der Krise sichere Anlagemöglichkeiten verspricht.
- die Gentrifizierung städtischen Wohnraums Gewalt gegen Senioren, Behinderte und „Normalverdiener“ ausübt, in dem Gettoisierung der Lebensverhältnisse und Unbezahlbarkeit von Gesundheit, Bildung, Teilhabe und Sicherheit für die Mehrheit der Bürger vorherrscht
- und in dem die Sozialraum-Philosophie da endet, wo schlicht die Lebenskosten für die Menschen die Ausgrenzung bedingen und sie in die Klassenschranken verweist.
Für den Einzelnen in den Hilfeinstitutionen sind diese Prozesse nur schwer zu erkennen, da sie sich schleichend entwickeln, gepaart mit einer Salamitaktik der Anstellungsträger, mit ihren verlogenen „Leitbildern“.
Bei dieser konkreten Lebens- und Arbeitssituation müssen die Beschäftigten z. B. aushalten, dass trotz eklatanter Unterbesetzung, die Stellenpläne nicht eingehalten werden müssen, durch den Personalmangel die Klienten und Patienten schlecht oder gar nicht versorgt werden können, das Geld, das der Kostenträger für Personal bereitstellt beim Anstellungsträger auf die hohe Kante oder in „Rückstellungen“ gelegt wird und der Kostenträger augenzwinkernd öffentlich kundtut, dass der Anstellungsträger auch einen finanziellen Anreiz für die Durchführung der Aufgabe benötigt und nicht abspringt bzw. das System von Geben und Nehmen verlässt.
Die so erlebte Entmündigung der Beschäftigten bei den Wohlfahrtsunternehmen führt in der Berufspraxis dann häufig zu spontanen und situativ ausgerichteten Widerständen, die schnell eskalieren und regelmäßig in nicht steuerbare Konfliktsituationen münden.
Da der Konkurrenzkampf auch unter den Beschäftigten ausgetragen wird, wird der Konflikt von allen Beteiligten schnell individualisiert, denn dort wo der Markt herrscht, herrscht auch die Vorteilsnahme auf Kosten anderer. Es gilt der Wettbewerb, Konkurrenz und die brutale Durchsetzung von Eigeninteressen, als Voraussetzung für persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit gewinnen die Oberhand. Mitgefühl, Empathie, Kooperation und Solidarität sind fehl am Platz. Das gesamte Kommunikationssystem kommt ins Wanken.
Alles, was den Beschäftigten früher als Kleinkinder von der Familie oder in den pädagogischen Einrichtungen und auch in ihrer Fachausbildung als Norm vermittelt wurde, steht nun den tatsächlichen Rahmenbedingungen, Normen und Werten und sogar Gesetzen völlig entgegen. Sie empören und schämen sich, wenn berechtigte Interessen oder Ziele der ihnen anvertrauten Menschen nicht berücksichtigt werden, deren Gefühle verletzt und ihnen in der Not Hilfe verweigert wird, weil alles sich dem Markt zu unterwerfen hat.
Die Gewerkschaften
Die Arbeit bei den Wohlfahrtsunternehmen ist, wie die Care-Arbeit insgesamt, eingebettet in ein System korporatistischer Regulierung und markt-wettbewerblicher Steuerung, mit vielfältigen horizontalen und vertikalen Arenen der Aushandlung von Entgelten und Arbeitsbedingungen.
Die isolierten Arbeitsrechtssysteme, Akteursstrukturen, Verhandlungsszenarien und Handlungsroutinen haben nicht nur eine aufgesplitterte Landschaft tariflicher Abschlüsse und Vereinbarungen hervorgebracht, sondern dieses verbändegeprägte Institutionensystem trägt dazu bei, dass die Verhandlung und Durchsetzung arbeitspolitischer Interessen in der Care-Arbeit gegenüber der Politik, aber auch gegenüber anderen Wirtschaftsbranchen, zurzeit erheblich erschwert ist. Das System der Arbeitsbeziehungen ist historisch gewachsen und letztlich das Ergebnis einer zwischen Staat, Wohlfahrtsverbänden und Wirtschaft verhandelten Ordnung.
Die Gewerkschaften haben tatenlos zugeschaut als das Kapital antrat, sich in die Care-Wirtschaft einzukaufen und sie durch betriebswirtschaftliches Management, Budgetierung und Pflegesatzverhandlungen aufzuwerten, mit dem Preis der Abwärtsspirale bei Entgelten und Arbeitsbedingungen. Die Ökonomisierung von Care-Arbeit ist aber nicht allein das Ergebnis der Einführung marktlich-wettbewerblicher Mechanismen in den Sozialsektor, sondern die Abwärtsspirale von Löhnen und Arbeitsbedingungen wurde auch durch das Zusammenwirken von branchenspezifischer Regulierung und Steuerung möglich, sie war immer schon eingebettet in einen fragmentierten und desorganisierten institutionellen Rahmen zur Aushandlung von Entgelten und Arbeitsbedingungen.
Das wichtigste Anliegen der Gewerkschaften ist es und war es immer schon, den Faktor Arbeit zu kartellieren und Vollbeschäftigung zu erreichen und dabei sollte es um jede Stelle gehen, die, wenn möglich, mit einem Mitglied besetzt ist. Für den Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich bzw. dem gesamten Care-Bereich scheint das nicht mehr zu gelten. Obwohl die zuständigen Gewerkschaften die Ausbeutung und Überlastung der Beschäftigten anprangern, lassen sie es zu, dass Betrügereien mittlerweile systematisch ablaufen können. Ihnen ist bekannt, dass in den einzelnen Einrichtungen Stellen nicht besetzt sind und die meist öffentliche Finanzierung dafür weiterläuft, mit Wissen und Duldung der Beteiligten.
Die Gewerkschaften scheuen sich, dieses kriminelle Vorgehen der Unternehmen zu skandalisieren und die Aufsichtsgremien und -behörden zu informieren. Sie haben Angst, dass die Betriebe, die zu Unrecht kassierten öffentlichen Personalkosten zurückzahlen müssen und die Einrichtung in die Insolvenz gehen muss, mit dem größeren Verlust von Arbeitsplätzen als bei der Nichtbesetzung. Sie haben seit vielen Jahren dabei nur zugeschaut, wenn der Anstellungsträger schlechter bezahlte Leiharbeitskräfte über eigene Sozialdienstleistungsgesellschaften eingesetzt hat und den Konflikt dahin ausrichten, darüber intern zu streiten, ob die outgesourcten Beschäftigten zu ihrer oder einer anderen Gewerkschaft gehören.
Sie lassen ihre Mitglieder im Regen stehen, die immer wieder mit Kündigung, Geschäftsgeheimnisverrat und Schadensersatzleistungen von den Unternehmen bedroht werden, wenn sie als Whistleblower die zuständigen Stellen informieren oder an die Öffentlichkeit gehen. Der Staat päppelt die Wohlfahrtsunternehmen auf, ohne sie groß zu kontrollieren
Der Staat zahlt den Wohlfahrtsverbänden jährlich zig-Milliarden für die Beratung, Betreuung und Beschäftigung von Menschen. Er prüft allerdings nicht, ob die Gelder auch dem Bedarf und den Richtlinien entsprechend, bestmöglich eingesetzt werden. Missbrauch und Betrug sind so Tür und Tor geöffnet.
Für systematische Prüfungen der Mittelverwendung fehlt den Gemeinden, Kreisen und Kommunen Geld und das entsprechende Personal. Den eigentlich zuständigen Landesrechnungshöfen, die im Auftrag der Kommunen solche Prüfungen bei sozialen Trägern durchführen könnten, fehlt die Legitimation dazu. Die Akteure der Unternehmen sind außerdem recht gut in der kommunalen Politik vernetzt.
Es kommt immer wieder zu Skandalen, die nicht durch die Aufsichtsinstitutionen und Kontrollgremien aufgedeckt werden, sondern die Sozialbehörden werden zum Teil nur „per Zufall“ auf die Unregelmäßigkeiten aufmerksam oder unter großer Gefahr durch die Beschäftigten in diesen Konzernen, Verbänden und Vereinen.
Es scheint für die Wohlfahrtsunternehmen angebracht, sich nicht als Sprachrohr der Opfer des Sozialabbaus zu versuchen, sondern nach Jemanden Ausschau zu halten, der ihnen die Krokodilstränen trocknet.
Quellen: Stadt Dortmund, WAZ, AWO, Paritätische, Diakonie, Caritas, Report Mainz, Monitor, RN, K.P. Schwarz: Die Vermarktwirtschaftlichung sozialer Hilfebedarfe, Bundesarbeitsgericht
Bild: Flickr cco / Bearbeitung L.N.
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