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Österreich: Kalte Progression: Das Geld gehört den ArbeitnehmerInnen

Foto: H.S.

Österreich - 29.04.2022 - von Alina Bachmayr-Heyda

Die Finanzminister kassierten allein seit 2016 4,5 Milliarden Euro zu viel. Der ÖGB fordert einen Ausgleich
Die Einkommen vieler ArbeitnehmerInnen steigen jährlich durch kollektivvertragliche Erhöhungen, dadurch rutschen sie auch in höhere Steuerstufen. Oft bedeutet die Lohnerhöhung aber nur den Ausgleich der Inflation - man kann sich also real nicht mehr dafür leisten. Und genau das ist die kalte Progression: Nämlich dass ArbeitnehmerInnen mehr Steuern bezahlen, ohne dass sie tatsächlich mehr realen Lohn in der Tasche haben.
Wie die kalte Progression funktioniert

Die Gewerkschaften verhandeln Jahr für Jahr wichtige Lohn- und Gehaltserhöhungen. Diese gelten für fast alle ArbeitnehmerInnen in Österreich (98 Prozent) und beinhalten einerseits einen Ausgleich für die steigenden Preise (= Teuerung) und andererseits für die gestiegene Leistung (= Produktivität).

Wer mehr verdient, bezahlt auch mehr Lohnsteuer. So ist durch das Leistungsprinzip sichergestellt, dass, wer mehr verdient, auch mehr zum Allgemeinwohl beiträgt.

ÖGB und Gewerkschaften fordern regelmäßig einen Ausgleich der kalten Progression im Zuge einer Steuerreform.

So rücken ArbeitnehmehmerInnen durch kollektivvertragliche Vorrückungen manchmal in höhere Steuerklassen, obwohl sie sich real nicht mehr von ihrem Lohn leisten können. Denn die Werte für die Berechnung der Steuerklassen werden nicht an die Teuerung angepasst. Das kann dazu führen, dass man sich in Summe trotz höheren Einkommens weniger leisten kann. Diese Mehrbelastung nennt man „kalte Progression“.

Wichtige Einnahmen zur Umverteilung
Deswegen gibt das Finanzministerium das Mehr an Einnahmen durch die kalte Progression regelmäßig bei Steuerreformen zurück. Dabei kann auf besondere Herausforderungen eingegangen werden. Das ist wichtig für eine soziale Budgetgestaltung und eine gerechte Umverteilung.

Eine komplette Abschaffung der kalten Progression würde vor allem das oberste Einkommens-Zehntel stark entlasten.

Finanzministerium profitiert von kalter Progression

Das Finanzministerium verschafft sich auf diese Weise ein ordentliches „Körberlgeld“ in Milliardenhöhe. Durch die kalte Progression haben ArbeitnehmerInnen seit dem Jahr 2016 etwa 4,5 Milliarden Euro zu viel an den Finanzminister bezahlt.

90 Prozent dieser Mehreinnahmen stammen von ArbeitnehmerInnen. Mit jeder Lohnsteuersenkung erhalten sie im Prinzip also vor allem das zurück, was sie bereits vorher an das Finanzministerium abgeliefert haben.

Abschaffung oder Abgeltung?

Immer wieder werden Rufe nach einer völligen Abschaffung der kalten Progression laut. Damit fehlen im Budget aber Milliarden an Einnahmen, die für die Umverteilung in einer solidarischen Gesellschaft wichtig sind.

Eine regelmäßige Senkung der Lohnsteuer ebenso wie die Erhöhung von Absetzbeträgen, Taggeldern und Zulagen ist wichtig. Sie sorgt für Gerechtigkeit und kann etwa besonders kleine Einkommen – die von der Inflation besonders hart getroffen werden – entlasten. Von der Senkung der Lohnsteuer profitieren auch PensionistInnen. Ein Teil der Entlastung geht so direkt in den Konsum, belebt die Wirtschaft, schafft Investitionen und Arbeitsplätze. Dadurch steigen auch wiederum die Staatseinnahmen, wodurch ein gutes Leben für alle möglich wird.

Ein gutes Leben für alle

Neben der Lohnsteuer gibt es aber noch andere Möglichkeiten der Abgeltung der kalten Progression, etwa durch soziale Beihilfen oder Zukunftsinvestitionen.

Alternativ dazu können Teile der Mehreinnahmen auch für Zukunftsinvestitionen in beispielsweise Aus- und Weiterbildung, soziale Sicherheit, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und des Klimawandels bzw. den Schutz der Umwelt verwendet werden. Auch davon profitieren die ArbeitnehmerInnen.

Was am Ende natürlich nicht herauskommen darf, ist die Umverteilung nach oben. Zum Beispiel, wenn eine Bundesregierung mit den Mehreinnahmen von ArbeitnehmerInnen großzügig Unternehmen und Millionären eine Senkung der Körperschaftsteuer (= Unternehmenssteuer) finanzieren will. Dann würde diese nämlich von den ArbeitnehmerInnen bezahlt werden. Für sie würde dadurch weniger herausschauen.

Quelle: Österreichischer Gewerkschaftsbund