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09.01.2023 - von Gewerkschaftsforum Dortmund
Die aktuellen Daten des Schuldneratlas 2022 der Creditreform zeigen: rund 2,94 Millionen Haushalte sind überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Auffällig ist der hohe Überschuldungsgrad älterer Menschen. Die 60- bis 69-Jährigen weisen rund 760.000 Überschuldungsfälle auf und die Zahl überschuldeter Personen ab 70 Jahren bzw. deren Überschuldungsquote ist noch höher, als würde so wie das Alter auch die Überschuldung steigen.
Für alte arme Menschen sind Schulden eine ganz große Belastung und mit Scham verbunden, da im Gegensatz zu anderen Ländern in Deutschland die Verschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn gleichgesetzt wird, weil wegen der nicht gelebten protestantischen Askese, mangelndem Fleiß und Arbeitseifer der gepriesene wirtschaftliche Wohlstand nicht erreicht wurde. Der religiöse Überbau bedeutet auch, dass nach den fetten Jahren, in denen man angeblich in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, in denen man die Schulden begleicht, sich wohl verhält und Reue zeigen muss.
Wer die Verarmung und Überschuldung als individuelles Versagen deutet, hat verpasst, dass es schon seit vielen Jahren einen Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung gibt.
Altersarmut
Ein Indikator für die wachsende Altersarmut stellt das Kriterium der Europäischen Union dar, wonach armutsgefährdet ist, wer in einem Mitgliedsland über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäqivalenzeinkommens verfügt. Als einkommensarm kann hierzulande somit ein Alleinstehender gelten, der 2021 weniger als 1.148 Euro im Monat zur Verfügung hatte.
Die Altersarmut in Deutschland stellt sich so dar (Stand 2021):
-Mit 17,4 Prozent und knapp drei Millionen betroffenen Personen ab 65 Jahren hat die Altersarmut einen Höchststand erreicht wie die Armut insgesamt mit 16,6 Prozent der Bevölkerung und 13,8 Millionen Betroffenen,
- 19,3 Prozent der Frauen über 65 Jahren sind arm; bei den Männern sind es 15,1 Prozent, mehr als ein Viertel (27,8 Prozent) der Rentenbezieher hat ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro,
- Die Durchschnittsrente im Alter bei den Männern im Westen beträgt durchschnittlich 1.138 Euro; bei den Frauen 783 Euro. Im Osten liegt sie bei den Männern bei 1.071 Euro und bei den Frauen bei 1.038 Euro.
- Bei der vollen Erwerbsminderungsrente liegen die Unterschiede nicht so weit auseinander. Hier bekommen die Frauen im Westen netto 837 Euro, und die Männer 881 Euro ausbezahlt. Im Osten jeweils 977 Euro, bzw. 856 Euro netto.
- Etwa jede fünfte Altersrente beträgt weniger als 500 Euro im Monat.
- Mehr als jeder fünfte Mensch im Alter über 80 Jahren hat ein monatliches Netto-Einkommen von maximal 1.167 Euro zur Verfügung.
Besonders stark von Altersarmut betroffen sind Frauen – unter anderem wegen der schlechteren Bezahlung während des Arbeitslebens
- Innerhalb der Gruppe der Hochbetagten mit den niedrigsten Einkommen sind Frauen stärker von Armut betroffen als Männer. Demnach leben 26,1 Prozent der hochaltrigen Frauen unter der Armutsgrenze, bei den Männern sind es 16,9 Prozent.
- Der Anteil armer Frauen über 80 Jahren ist fast zehn Prozentpunkte höher als der ihrer männlichen Altersgenossen. Das zeigt, wie deutlich sich schlechtere Bezahlung, aber auch längere Teilzeitarbeit und Unterbrechungen im Erwerbsleben in späteren Jahren auf das Leben von Frauen auswirken.
- 1,1 Millionen alte Menschen beziehen im Alter trotz ihrer Rente zusätzlich Sozialleistungen,
- Jedem dritten Beschäftigten droht derzeit nach 45 Berufsjahren in Vollzeit eine Bruttorente von unter 1.300 Euro im Monat.
- 12,9 Prozent der 65- bis unter 75-Jährigen arbeiten, also rund jeder siebte alte Mensch, von den mehr als eine Million arbeitenden Rentnern sind über 230.000 sozialversicherungspflichtig angestellt und rund 835.000 ausschließlich auf geringfügiger Basis beschäftigt.
- über 460.000 Menschen über 65 Jahre sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, weil sie noch zu ihrer geringen Rente arbeiten müssen.
- Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Bevölkerung im Alter von 60 bis unter 65 Jahren stieg von 28,0 Prozent Ende 2011 auf 47,8 Prozent Ende 2021.
- Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 60 bis unter 65 Jahren stieg von 1,351 Millionen Ende 2011 um 1.514 Millionen (112,1 Prozent) auf 2.865 Millionen Ende 2021.
- Mehr als eine Million Beschäftigte (1.066.895) sind 67 Jahre oder älter, das sind 200.000 mehr als 2015.
- Mehr als 400.000 Beschäftigte sind bereits über 70 Jahre alt, 138.000 über 75,
mehr als 13.000 sogar noch in einem Alter von über 85 Jahren erwerbstätig und unter den 13.000 Beschäftigten, die 85 Jahre und älter sind, gibt es 446 Menschen, die noch als Fahrzeugführer im Straßenverkehr tätig sind.
Detaillierten Bericht weiterlesen bei gewerkschaftsforum Dortmund unter: Link
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