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Haushaltsdebatte: Rot/grün/gelb streicht vier Milliarden bei der Pflegeversicherung

Foto: H.S.

06.09.2023 - von Hanne Schweitzer

"Die Regierung kennt die Lage im Land", hörte man unlängst aus Merseburg, wo die Regierung tagte. Was macht also die Bundesregierung, wenn die Bevölkerung älter wird und immer mehr BürgerInnen der Pflege bedürfen? SIE STREICHT DEN STEUERZUSCHUSS ZUR GESETZLICHEN PFLEGEVERSICHERUNG.*
Sie streicht den Zuschuss nicht für ein Jahr, nicht für zwei Jahre, nicht für drei Jahre sondern für vier Jahre. Von 2024 bis 2027 zahlt der Bund keinen Penny, erst wieder im Jahr 2028. So spart der Bund pro Jahr eine Milliarde Euro. Insgesamt also vier Milliarden, die der Pflegeversicherung - sprich den gesetzlichen Pflegekassen, sprich den Pflegebedürftigen und Pflegenden fehlen werden.

Wie allgemein bekannt, pfeift die Pflegeversicherung nicht erst seit heute aus dem letzten Loch. 2022 hat sie mit einem Defizit von 2,25 Milliarden Euro abgeschlossen. Die gesetzlich vorgeschriebene Liquitätsreserve wurde nicht eingehalten. 1,2 Milliarden Euro fehlen. Niemanden interessiert das sonderlich. Gesetze gelten fürs Volk, nicht für die Regierenden oder Kassenvorstände. 5,5 Milliarden Euro schuldet der Bund den Pflegekassen zur Zeit. Sie haben, während Corona, im Rahmen des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes (Pflegeschutzschirm), den Pflegeeinrichtungen pandemiebedingte Mehrausgaben und Mindereinnahmen erstattet. Über das Zurückzahlen hat der große Reformer Lauterbach noch keinen Ton verloren. Ebenso steht auch noch die Erstattung von 3,7 Milliarden Euro aus, die von den Pflegekassen an Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige gezahlt wurden. Der große Reformer und Gesundheitsminister hat das ein bisschen aus den Augen verloren.

Damit die Instabilität der Pflegeversicherung und ihre mangelhaften Leistungen in den nächsten Jahren aber nicht noch mehr ins Auge fallen, hat sich der große Gesundheitsminister einen Trick einfallen lassen, um die Streichung der Bundeszuschüsse zu kaschieren. In den Jahren 2024 bis 2027 reduziert er die gesetzlich festgelegten Zahlungen der Pflegekassen an den Pflegevorsorgefonds.

Dazu muss man wissen: 2015 hat der Staat diesen Pflegevorsorgefonds* gegründet, um ein gewisses finanzielles Polster - auch Zukunftsreserve genannt, anzulegen, damit die dann erwarteten astronomisch hohen Beiträge zur Pflegeversicherung für künftige Pflegebedürftige subventioniert werden können.

Inzwischen ist aber Krieg in Europa und Krieg ist teuer. Das verändert die politischen Präferenzen. 85,5 Milliarden fürs Militär müssen ja irgendwo herkommen.

Statt jeweils 1,6 Milliarden Euro in den Jahren 2024, 2025, 2026 und 2027 brauchen die Pflegekassen deshalb nur noch 700 Millionen Euro pro Jahr an den Pflegevorsorgefonds zu überweisen. Sie sparen also 900.000 Millionen pro Jahr, wodurch sich für sie der Verlust aus der Kürzung des Bundeszuschusses von einer Milliarde auf 100 Millionen reduziert.
Es müsste der Stiftung für die Rechte der jüngeren Generation auffallen, dass der Trick des großen Reformers und Gesundheitsministers auf ihre Kosten geht.

Im Artikel 7 des Entwurfs zum Haushaltsfinanzierungsgesetzes liest sich das so:
Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch
Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes
vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 202) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 61a Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Die Zahlungen für die Jahre 2024 bis 2027 werden ausgesetzt und ab dem Jahr 2028
wieder aufgenommen.“
2. Dem § 135 wird folgender Absatz 4 angefügt:
(4)„ Abweichend von Absatz 1 beträgt die Zuführung an das Sondervermögen für
die Jahre 2024 bis 2027 jährlich 700 Millionen Euro. Sie erfolgt monatlich zum 20. des
Monats in zwölf Raten in Höhe von jeweils einem Zwölftel des Jahresbetrages. Nach
dem Jahr 2027 werden die Zuführungen an das Sondervermögen nach Absatz 1 wieder aufgenommen.“

*
§ 132 SGB XI Zweck des Vorsorgefonds
Das Sondervermögen dient der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Es darf nach Maßgabe des § 136 nur zur Finanzierung der Leistungsaufwendungen der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden.

Quelle: Haushaltsentwurf 2024