24.10.2006 - von He
Das neue AGG scheint eine Baustelle zu bleiben. Am 19.10.2006 hat der Bundestag „still und heimlich“ im Wege eines sog. Huckepack-Gesetzes Änderungen am AGG verabschiedet.
Diese Änderungen sind in Art. 8 des „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes“ (Drs. 16/1936; 16/3007) versteckt und sollen dem Bundesrat zugeleitet werden (nächster möglicher Sitzungstermin 24.11.2006). Aber auch die Änderungen und Streichungen werfen neue Fragen auf.
Die Änderungen:
In § 20 Abs. 1 und 2 AGG bzgl. des allgemeinen Zivilrechtsverkehrs wurde das Kriterium der Weltanschauung gestrichen.
Das in § 11 Abs. 1 S. 6 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) verankerte Recht der Antidiskriminierungsverbände zur Prozessvertretung benachteiligter Arbeitnehmer wurde gestrichen.
Gleiches gilt für die entsprechende Regelung im Sozialgerichtsgesetz (§ 73 Abs. 6 S. 5 SGG). Beide Regelungen standen bisher in klarem Widerspruch zu § 23 Abs. 2 AGG, der Antidiskriminierungsverbänden lediglich das Recht gibt, als „Beistände“ Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten.
Betriebsbedingte Kündigung: Nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG sollte erlaubt sein „eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl anlässlich einer betriebsbedingten Kündigung im Sinne des § 1 des Kündigungsschutzgesetzes, soweit dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden.“
Sonderkündigungsschutz: § 10 S. 3 Nr. 7 AGG erlaubte „die individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarung der Unkündbarkeit von Beschäftigten eines bestimmten Alters und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit, soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz anderer Beschäftigter im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird.“
Die Nummern 6 und 7 in § 10 AGG wurden gestrichen. Dadurch untermauert der Gesetzgeber die vollständige Herausnahme von Kündigungen aus dem Anwendungsbereich des AGG. Den EUgH wird das nicht freuen!
Allerdings: Diese Änderungen lassen die Kernrisiken des AGG unberührt. Keine der neuen Arbeitgeberpflichten wird damit entschärft! Wer diese Pflichten nicht einhält, der zahlt drauf. Und das kann teuer werden.
Bevor man sich als Unternehmen also nun schon auf die Ratschläge und Informationen von Beratungsunternehmen und Kanzleien verläßt, die Schulungen zum AGG teuer anbieten, sollte man am besten seiner Informationspflicht nachkommen und ansonsten abwarten. Denn wer sagt z.B., dass der Bundesrat die Änderungen passieren läßt? Oder das diese EU-fest sind?
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