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Aufgelöst: Performance mit Daniel Ernesto Müller

Foto: H.S.

14.09.2025 - von Hilse/Schweitzer

Eine Wohnung wird aufgelöst, die Besitzerin ist verstorben. Vieles aus der Wohnung steht oder liegt verteilt auf dem Cava-dei-Tirreni-Platz in Schwerte. Der Künstler Daniel Ernesto Müller nimmt das eine oder andere davon in die Hand, stellt es weg, fasst etwas anderes an, schaut es an, hebt es hoch, legt es weg.

Dabei spricht er in ruhigem, sachlichen Ton über die Erinnerungen, die er mit den Dingen verbindet: Mit dem Geschirr zur Feier, mit den „guten Schuhen“, mit den aufbewahrten Geschenken in der Vitrine, mit dem Schlauchboot oben auf dem Schlafzimmerschrank mit dem Spezialtopf für die Tomatensuppe. Alles hat eine Geschichte, sie ist verbunden mit dem Vater, den Kindern und der Mutter, der Nachbarin oder dem Wirtshaus.

Zwischendurch stellt er kleine Megaphone auf, die in Endlosschleifen Sätze sprechen wie: „Alles hat eine Geschichte“ – „Alles hatte einen Sinn“ – „Sie wollte nie alleine sein“ – „Sie wollte immer zu Hause sterben" – „Jetzt kann das alles weg“, später dann auch: „Alles hat seinen Sinn verloren“.

Dazu sinniert der unaufdringlich aber eindringlich sprechende Performer immer wieder: „Das bleibt von einem langen Leben“. Er klettert auf die Koffer oder den Schrank, holt Dutzende von Hemden und Blusen aus Umzugkartons, faltet sie auseinander, legt sie übereinander und erzählt dabei von der Ehe und der erloschenen Liebe, von der Geburt des Sohnes und der Tochter, vom Tod des Ehemanns, von der zurückgekehrten Lebensfreude durch die Enkelkinder, von den schönen Urlaubserlebnissen zu Hause, von den Gesprächen mit der besten Freundin.

Und immer wieder der langsam gesprochene Satz „Das alles kann jetzt weg“ oder „es hat keinen Sinn mehr“. Auch Fragen werden gestellt. „Wisst ihr noch, wie es ist, wenn man in den Raum mit dem festlich geschmückten Tisch gekommen ist?“ oder „Wenn man ein Geschenk für die Oma gemacht hat und ganz stolz darauf ist?“

Vor den Augen des Publikums entsteht ein Geflecht aus den Erlebnissen und Beziehungen der verstorbenen Frau zu ihren Mitmenschen. Zwischen den kurzen Textpassagen immer wieder lange Pausen. Zum Nachdenken, Erinnern. Schuhschrank und Schubladen werden geöffnet und langsam geleert, Nägel und Schmuck ausgeschüttet...

- Die mehrstündige Performance des empathischen Darstellers mit dem eindringlichen Text von Angie Hiesl und Roland Kaiser und einem Bühnenbild, das jedem, der mal eine Wohnung auflösen musste, vertraut ist, lässt bei den Zuschauern ähnliche Erinnerungen lebendig werden: An die eigenen Eltern, die Kinder, den Partner. Viele können ihre Tränen nicht zurückhalten und immer wieder werden verstohlen im Publikum die Augen gewischt.

Ein großes, gelungenes Stück Theater - ohne jede Sensation.


Angie Hiesl ist seit den 80ern eine Pionierin für ortsspezifische Tanz- und Theaterprojekte. Seit 1997 realisiert sie mit Roland Kaiser Produktionen auf nationalen und internationalen Festivals. Kontakt: info[at]angiehiesl-rolandkaiser.de
»Aufgelöst« bringt in einer Verflechtung von Realität und Fiktion das private und tabubehaftete Thema Tod in die Öffentlichkeit.
Gefördert vom Kultursekretariat NRW Gütersloh
Mit freundlicher Unterstützung von »Franke Transport und Umzüge, Schwerte«

Quelle: 32. Festival des Welttheaters der Straße in Schwerte