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Alexandra Rau: Das Affektregime weiblicher Altersarmut. Zur subjektiven Verarbeitung von Prekaritaet

Foto: H.S.

08.10.2025 - von Alexandra Rau, Dr.

Inhalt
1. Altersarmut – Ein weibliches Phänomen?! . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.1 Ein Feld stellt sich vor . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .11
1.2 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3 Der prekäre Ruhestand . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15
1.4 Ziel der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17


2. Hintergründe, Verortungen, Heuristik . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .21

2.1 Die Institutionalisierung geschlechtsspezifischer Armutsrisiken
– Ein historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.1.1 Von der Geburt des Alters in der Moderne und seiner
sozialen Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21
2.1.2 Die »Polarisierung der Geschlechtscharaktere« und das
System abhängiger Alterssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... 24
2.1.3 Gegenwärtige Verschränkungen von Alter(n) und
Geschlecht aus prekarisierungstheoretischer Perspektive ......................26

2.2 Weibliche Altersarmut: Wissenschaftstheoretische Verortungen
und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .29

2.2.1 Arbeit als Ursache und Folge weiblicher Altersarmut – Zu
den Implikationen eines weiten Arbeitsbegriffs . . . . . . . . ...............29
2.2.2 Von relativer Armut zur Prekarität im
Lebenszusammenhang: Eine begriffspolitische
Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.2.3 Altersarmut von Frauen: »Ein lange vernachlässigtes
Problem« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44

2.3 Das Affektregime und die subjektive Verarbeitung von
Prekarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

2.3.1 Marginalisierte Forschungsfelder, Subjektperspektive
und Praxisbezug, oder: Eine imaginäre Begegnung
zwischen Pierre Bourdieu und Simone de Beauvoir . . . . ..................... 50
2.3.2 Die »Logik der Praxis« und das Unterschätzen von
Affekten – Analysen im Spannungsfeld von Struktur –
Subjekt – Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 58
2.3.3 Affekte zwischen Machtverhältnissen und
Handlungsmacht – Zur politischen Dimension
alltäglicher Gefühle . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.3.4 Praxistheorie und Affektregime: Bourdieu meets Affect
Studies meets weibliche Altersarmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74


3. Forschungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 79

3.1 Methodologie und Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

3.1.1 »Das Elend der Welt« als methodologische Anleitung für
eine verstehende und engagierte Wissenschaft –
Forschungsethische Standpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.1.2 Wider die biografische Illusion: Zur Biografie als
Forschungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.1.3 Weibliche Altersarmut erforschen: Die methodische
Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

3.2 Sprechen über Unsagbares – Methodische Überlegungen zum
Erforschen schwieriger Themenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

3.2.1 Armut und Alter – Zur Verquickung zweier
gesellschaftlicher Tabus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 98
3.2.2 Vertrauen als Voraussetzung sich anzuvertrauen . . . . . . . 103
3.2.3 Die Tandem-Interviewführung als Balancetechnik
zwischen Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105
3.2.4 Verstehensansatz und Lernprozess als nachhaltiger
Feldzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
3.2.5 Leerstellen – Über Unsagbares und zurückbleibende
Unsichtbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
3.2.6 Wenn die Stimme versagt: Ethnografisches Schreiben als
Lösungsansatz im Umgang mit Unaussprechlichem . . . . 115

3.3 Material und Verschriftlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

3.3.1 Der Datenkorpus als »selbstbewusste soziale Fiktion« –
Zur Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

3.3.2 Kodieren und Auswerten – Zwischen rekonstruktiver
Fallanalyse und fallübergreifenden Thesen . . . . . . . . . . . . . 123
3.3.3 Das ethnografische Porträt: Eine analysegeleitete
Schreibpraxis in dramaturgischem Format . . . . . . . . . . . . 126


4. Differenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

4.1 Minderwertigkeitsgefühl und Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

4.1.1 »Und somit ist der Traum geplatzt. Und das heißt,
mindestens lebenslänglich verkaufen« – Ethnografisches
Porträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.1.2 Weibliche Selbstverhandlungen an der Grenze der
Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.1.3 Subjektive Arbeitsmoral und soziale Missachtung: Das
entwertete Subjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 142
4.1.4 Abgrenzung und Distinktion: Ressentiments und »die
Anderen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
4.1.5 Praktiken des Selbstschutzes: Einsamkeit und
Selbstisolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

4.2 Kränkung, Zufriedenheit und Zuversicht . . . . . . . . . . . . . . . . 163

4.2.1 Prekär? »Ich bin rundum zufrieden« – Ethnografisches
Porträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 163
4.2.2 Weibliche Selbstverhandlungen vor dem Hintergrund
abwertender Armutszuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
4.2.3 Selbst- versus Fremdbild – Das gekränkte Subjekt und
seine Abwehrstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 172
4.2.4 Sozialkapital als Quelle der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . 178
4.2.5 Vertrauen in bedingungslose Freundschaftsdienste – Zur
affektiven Dimension sozialer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . 183

4.3 Prekärer Ruhestand, Differenzierungen und gesellschaftliche
Spaltungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186


5. Schweigsamkeiten . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

5.1 Sorgen, Mutterliebe und Melancholie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
5.1.1 »Und das ist mein Horror: Wenn meine Kinder für mich
bezahlen« – Ethnografisches Porträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
5.1.2 Mütterlichkeit im Spannungsfeld gesellschaftlicher
Sorgefigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
5.1.3 Selbstaufgabe, Fürsorge und Liebesdienst . . . . . . . . . . . . . 200
5.1.4 Zur Umdeutung der mütterlichen Gabe – Familiäre
Tauschlogiken unter prekären Bedingungen . . . . . . . . . . . 205
5.1.5 Handlungs(ohn)macht zwischen Melancholie,
Zukunftsnegation und Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
5.1.6 Das Schweigen der Mütter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

5.2 Scham und Schuldgefühle . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 222

5.2.1 »Ich habe lange gedacht: Ich sage es keinem Menschen,
wie wenig ich kriege« – Ethnografisches Porträt . . . . . . . 222
5.2.2 Weibliche Altersarmut zwischen öffentlichem Diskurs
und privater Tabuisierung – Auf den Spuren eines
widersprüchlichen Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
5.2.3 Von kollektiven Kämpfen zum individualisierten
Scheitern: Die affektiven Folgen der »List der
Geschichte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
5.2.4 Ambivalenzen der Handlungsmacht – Schweigen als
unterwerfende und ermächtigende Praxis . . . . . . . . . . . . 237
5.2.5 Zur alltäglichen und gesellschaftlichen Dramatik der
Scham . . . . . . . . . . . . . . . . .244

5.3 »Warum das Prekariat schweigt« – Neuauflage einer alten
Fragestell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245


6. Verkörperungen . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

6.1 Existenzielle Ängste und Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
6.1.1 »Gott, was kommt jetzt daher? Was passiert mir alles?« –
Ethnografisches Porträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
6.1.2 Zur Feldspezifik von Körperlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
6.1.3 Körperliche Verunsicherung als verstetigter Affekt . . . . . 261
6.1.4 Der »ramponierte« Arbeitskörper als begrenzte Ressource
– Erfahrungen von Altersdiskriminierung und
Endlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
6.1.5 Vorsorgestrategien und Körperimaginationen – Zur
ökonomischen In-Wert-Setzung des altersarmen
Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

6.2 Verlusterfahrung und Resilienz . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 277
6.2.1 »Das hier ist eine große Änderung für mich. Aber jetzt
muss ich zufrieden sein« – Ethnografisches Porträt . . . . . 277
6.2.2 Der Ruhestand als verlorene Zukunftserwartung . . . . . . . 285
Inhalt 9
6.2.3 Zwischen Ohnmachtsgefühl, Enttäuschung und Nostalgie
– Erinnerungsarbeit als Verlustbewältigungsstrategie . . 290
6.2.4 Kleidung und Identität – der »getragene« Körper als
Medium der Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
6.2.5 Ästhetische Ambivalenzen und die Verkörperung sozialer
Ungleichheit . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

6.3 »Körper von Gewicht« – Zur verunmöglichten Verdrängung des
existenziellen Prekärseins . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 310


7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

7.1 Das Affektregime weiblicher Altersarmut – Zentrale
Erkenntnisse im Spiegel der Prekarisierungsdebatte . . . . . . . . . 317

7.2 Selbstreferenzielle Affektarbeit – Eine konzeptionelle
Begriffsschärfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 328
7.3 Hin zu einer Affektregimeforschung – Epistemologische und
methodologische Reflexionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

7.4 Ein Feld schafft sich ab? – Nachdenken über die
identitätspolitische Kategorie der »altersarmen Frau« und die
Veränderung sozialer Ungleichheitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . 344

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .373


1. Altersarmut – Ein weibliches Phänomen?!

1.1 Ein Feld stellt sich vor
April 2016. Irgendwo in München in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Im Wohnzimmer haben sich einige Frauen1 versammelt. Sie sind um die 60 Jahre alt und treffen sich circa einmal im Monat, um sich informell über verschiedene Themen auszutauschen. Die Initiatorin stellt ihre Wohnung dafür zur Verfügung. Die Stimmung ist ausgelassen, im Hintergrund das Geräusch der Haustürklingel. Manche unterhalten sich in Grüppchen, andere
beschaffen weitere Stühle aus der Küche, während die Neuankömmlinge begrüßt werden. Wieder läutet es an der Tür. Das große Ecksofa ist bereits besetzt, die Letzten nehmen auf den noch freien Stühlen und Hockern Platz.
Langsam kehrt Ruhe ein. Die Veranstalterin räuspert sich und beginnt das heutige Thema vorzustellen: »Altersarmut von Frauen«. Sie habe nicht mit so vielen Interessierten gerechnet, erzählt sie. Normalerweise seien sie eine überschaubare Gruppe von fünf Personen. Heute sind 15 Frauen gekommen. Nachdem sie den Ablauf des Abends erklärt, folgt eine kurze Vorstellungsrunde.
...


Arbeit und Alltag
Beiträge zur ethnographischen Arbeitskulturenforschung
Schriftenreihe der Kommission Arbeitskulturen
in der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft
Herausgegeben von Irene Götz, Gertraud Koch,
Klaus Schönberger und Manfred Seifert
Band 25

Alexandra Rau, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Alexandra Rau
Das Affektregime
weiblicher Altersarmut
Zur subjektiven Verarbeitung von Prekarität
Campus Verlag
Frankfurt/New York
ISBN 978-3-593-51751-3 Print
ISBN 978-3-593-45465-8 E-Book (PDF)
DOI 10.12907/978-3-593-45465-8

Quelle: NL Forum Qualitative Sozialforschung