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v. d. Leyen will zu den Eltern ziehen

02.04.2007 - von Lisette Milde

Der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen, Ernst Albrecht, geriet am 28. April 1987 in die Schlagzeile der Frankfurter Rundschau, weil er als Amtsinhaber mit einem Monatseinkommen von 21.766 DM, nach Vollendung seines 55.Lebensjahrs vorzeitig die Ruhegelder anforderte, die ihm als EG-Beamter zustanden. Laut FR verzichtete er wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme auf mehrere tausend DM monatlich.

Sein Einkommen finanziert sich aus der Staatskasse und übersteigt das Jahreseinkommen so mancher lohnabhängiger Familienväter.

Wenn es denn zutrifft, dass die Bundesfamilienministerin, deren hohes Einkommen ebenfalls den Staatshaushalt belastet, im Sommer mit Kind und Kegel (Kleinzoo) auf den Hof des Vaters zieht, dann erfüllen sich da Gutbetuchte den Traum vom Mehrgenerationen-Wohnen, den viele Menschen träumen, die sich das aus Kostengründen aber nicht leisten können.

Auch Henning Scherf, der vormalige Bürgermeister von Bremen, radelt seit langem durch die Lande und wird nicht müde die obige Lebensform anzupreisen, so, als stünden landesweit leere Immobilien zu erschwinglichen Mietpreisen herum und warteten auf Mieterinnen/Mieter. Auch Herr Scherf, als ehemals öffentlich Bediensteter, kann sich den Luxus
des Mehrgenerationenwohnens leisten. Fragt sich nur, warum er in dem überschaubaren Land Bremen, in dem er viele Jahre politische
Verantwortung trug, nicht für ein entsprechendes Angebot für Kleineinkommensbezieher gesorgt hat?

Die gleiche Frage muß natürlich auch dem familienbewußten Herrn Albrecht gestellt werden, wie übrigens all den Politikern, die seit vielen Jahren immer neue Umfragen, Studien und Modellprojekte finanziert haben, deren Ergebnisse dann in den Schubladen verschwanden. Sie alle wissen schon lange, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht von der Massenheimunterbringung träumt.

Hier sind besonders die Frauenministerinnen zu kritisieren, die sich gerade selbstgefällig für 20 Jahre Frauenministerium gefeiert haben. Dazu haben sie sich handverlesene junge Menschen eingeladen, die ihnen aufgrund der anderen Bedürfnislage ihre Versäumnisse nicht um die Ohren hauen konnten.

Außer Hochglanzbroschüren und Schreckensszenarios über die "vergreisende Gesellschaft", sowie
der unermüdlichen Aufforderung an die Alten, durch die sogenannte Ehrenamtsarbeit der Gesellschaft ihr "erworbenes Erfahrungspotenzial" zur Verfügung zu stellen, haben die Frauenministerinnen leider kaum Spuren hinterlassen.

Den zum Abwürgen des heiklen Themas "wer kann sich Mehrgenerationenwohnen leisten" gerne erhobenen Vorwurf des Neids möchte ich angesichts der immer ungerechteren Verteilung staatlicher Gelder ausdrücklich bestätigen, aber Neid und Mißgunst als verschiedene Begriffe verstanden wissen.

Dem Jesuitenpater Prof. Oswald von Nell-Breuning verdankt unsere Sozialordnung eine spezielle Interpretation des Subsidiaritätsprinzips: Im Falle von Bedürftigkeit verweist die übergeordnete gesellschaftliche Einheit, der Staat, die Hilfesuchenden an die untergeordnete Einheit, die Familie. Nicht nur die Hartzgesetze praktizieren dieses Prinzip für die Bedürftigen deutlich spürbar.

Damit kehrt sich aber ein Satz
von Heide Adele Albrecht, Ehefrau von Ernst Albrecht und Mutter von Ursula von der Leyen, in sein Gegenteil um, der da hieß: "Wo der Mensch nicht mehr in Not lebt, gibt er die Bindung zur Familie auf."

Denn inzwischen ist es doch so, dass sich nur noch die Wohlhabenden die freiwillige gegenseitige Familienfürsor leisten können, wohingegen die Mittel- und Unterschichtangehörigen sich vor jedem Anspruch eines Familienmitglieds fürchten,
weil das die Versorgungsgrundlage der ganzen Familie ins Wanken bringt.

Kleinrentenbezieherinnen/-bezieher wohnen und leben da, wo es preiswert ist, auch wenn das fernab von Kindern und Enkeln ist. Deshalb ist Neid nachvollziehbar. Er hilft zwar nicht, nimmt aber auch niemandem etwas weg.

Quelle: Mail an das Büro gg. Altersdiskriminierung

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