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Freiberg will 300 altersgerechte Wohnungen abreißen

11.03.2007 - von Dr. Peter Müller

So hatten sich das die Stadtoberen und das kommunale
Wohnungsunternehmen SWG in der beschaulichen Bergbau-und Universitätsstadt Freiberg wohl nicht vorgestellt: Sie
planen den Abriß von ca. 1000 Wohnungen im Stadtteil Friedeburg und fangen mit einem fast vollständig vermieteten
Haus für altersgerechtes Wohnen (barrierearm, Fahrstuhl,
Versorgungseinrichtungen im Haus) aus dem Jahr 1989 an –
die Alten werden sich nicht wehren.
Aber die wehren sich –
und schon ist es aus mit der Beschaulichkeit im Erzgebirge.

Die in ihrer Mehrzahl Hochbetagten und Behinderten verblüffen die Immobilien-Bürokraten mit ihrer Fitness (diese Wohnform reduziert offenbar das Risiko von Pflegebedürftigkeit) und sozialer Vernetzung, weil sie schon seit Jahren gute Nachbarschaft pflegen (was anderswo mit viel Geld bspw. im Rahmen des „Soziale Stadt“-Programms mühsam inszeniert
wird).

Und sie haben sich Hilfe geholt, neben Angehörigen, die ihre Eltern doch nicht so alleinlassen wie in der Öffentlichkeit oft kolportiert, und dem Mieterbund auch den Landesverband der sächsischen GRAUEN Panther.

Am 1.2. nahmen der Landesvorsitzende, Dr. Peter Müller, und der Dresdner KV-Vorsitzende, Joachim Schwurack, an der Stadtratssitzung teil und versicherten öffentlich – während
alle Stadträte schwiegen – den Betroffenen ihre tatkräftige
Unterstützung und der Oberbürgermeisterin entschiedenen
Widerstand gegen das sozial und ethisch nicht vertretbare und wirtschaftlich zynische Vorhaben -der Abriß LEERER Wohnungen bringt der Kommune Fördermittel aus dem Programm Stadtumbau Ost.

Diese „Abrißprämie“ wird im Herbst 2007 vom sächsischen Staatsministerium des Innern
erwartet, nachdem der Freiberger Stadtrat ebenfalls am 1. 2. 07 eilends das seit Jahren überfällige Stadtentwicklungskonzept als Fördermittelvoraussetzung verabschiedet hat.

Bürgerbeteiligung? Zumindest in Freiberg-Friedeburg Fehlanzeige!

Sollen sich dafür die Alten opfern? NEIN sagen wir GRAUE Panther-und helfen den durch ihre „Stadtväter“ solchermaßen existenziell Bedrängten, sich selbst zu helfen.

Die GRAUEN Panther Sachsen stehen nach Prüfung der Situation im Wohnquartier Friedeburg vorbehaltlos hinter den vom Abriß „ihrer“ über 300 altersgerechten Wohnungen bedrohten älteren Bürgern. Das Vorgehen der SWG ist nicht vertretbar und missachtet elementare Lebensbedürfnisse der
z. T. langjährig treuen Mieter („Kunden“).

Das mußten die Mieter erneut auf einer auf ihren Druck hin kurzfristig von Stadtverwaltung und SWG einberufenen Bewohnerversammlung am 9.2. zur Kenntnis nehmen; der SWG geht es nur noch darum, WIE die Wohnungen frei werden.

Umzugshilfen werden in Aussicht gestellt, die Prüfung wirtschaftlich und sozial sinnvoller Alternativen wie Verkauf des Hauses Kurt-
Handwerk-Str. 2 oder Einbeziehen in ein Kleeblatt-Konzept des fußläufig erreichbaren städtischen Pflegeheims werden leichtfertig verworfen. (Da sich die SWG nach unterlassener Instandhaltung nunmehr, nach 17 Jahren, zu einer Sanierung der Kurt-Handwerk-Str. 2 nicht in der Lage sieht, sollte
ein Verkauf an einen motivierten Investoren geprüft werden – den gab es zumindest vor kurzem noch.)

Von den GRAUEN Panthern direkt angesprochen, zog sich die Freiberger Sozialverwaltung auf die Priorität wirtschaftlicher Zwänge gegenüber sozialen Erfordernissen zurück –
eine Bankrotterklärung und ein beschämender Opportunismus wie er zu DDR-Zeiten nicht schlimmer war.

Die Sozialverwaltung könnte ausrechnen, was der Abriß an Begleit-und Folgekosten für die Kommune bringt, wodurch die
ersehnten Fördermittel mehr als aufgefressen werden. Oder:

Sie könnte sich in anderen ostdeutschen Kommunen über
sozial verträgliche und wirtschaftlich „funktionierende“ Wohnformen informieren – das Mehrgenerationenhaus in Grimma,
„Miteinander Wohnen“ in Berlin-Lichtenberg, oder die Versuche der Stadt Leipzig, gemeinschaftsorientiert die Substanz der Gründerzeithäuser zu retten.

Die GRAUEN stehen der Sozialverwaltung, dem Stadt-und Seniorenbeirat Freibergs und der SWG gern beratend zur Seite, wenn es um Alternativen zum Abriß geht.

Als Interessenvertreter älterer
Menschen fordern die GRAUEN Panther den Stadtrat und
die Stadtverwaltung auf, gewachsene Sozialstrukturen und
Nachbarschaftsnetzwerke nicht fahrlässig zu zerstören; Menschen nicht in existenzielle Nöte zu stürzen und den Stadtteil
Friedeburg unter nachhaltiger Beteiligung der Freiberger
umzugestalten (bspw. über ein „Bürgergutachten“).

Und schließlich fordern wir alle Freiberger Bürger auf, nicht
tatenlos zuzuschauen, wenn Mitbürger aus ihrem sie sozial
stützenden Umfeld vertrieben werden, obwohl es Alternativen
gibt. Wie wird die Kommune mit Euch umgehen, wenn Ihr alt
seid: "Heute wir - morgen Ihr"? Und dafür gibt’s dann noch
Fördermittel vom Freistaat („Stadtumbau Ost“ durch Abrißkündigungen)?


Wir wehren uns entschieden gegen diesen Verfall öffentlicher
Sitte im Zeichen kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Kalküle.


Schon deshalb stehen wir an der Seite der vom Abriß bedrohten Mieter in Freiberg-Friedeburg, ihrer Verwandten und Freunde – in einem sich nunmehr formierendem Netzwerk von Unterstützerpersonen, -gruppen und -organisationen.

Wir helfen, Öffentlichkeit herzustellen für den sich hier abzeichnenden Skandal, und stärken die Selbsthilfekompetenz der
Betroffenen bspw. als deren „Vertrauenspersonen“. Wir helfen auch gern der Freiberger Stadtverwaltung, im Sinne der
BürgerInnen und einer ausgewogenen Regionalentwicklung tragfähige Lösungen zu finden …


Dr. Peter Müller,
Landesvorsitzender, Graue Panther, Sachsen
eMail: graue-panther-sachsen@jpberlin.de

Link: http://www .graue-panther-sachsen.de:
Quelle: Presseinfo: DIE GRAUEN, Graue Panther Sachsen

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