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Seniorenrat Flensburg gegen Diskriminierung

16.05.2007 - von Dr. Ekkehard Krüger

Der Flensburger Seniorenrat schreibt einen Brief an:
Flensburger Tageblatt
Redaktion Kreis Schleswig-Flensburg
Herrn Hannes Harding

Am 8. Mai 2007 erschien im Flensburger Tageblatt ein Artikel mit der Überschrift: „So droht der Kreis Schleswig-Flensburg zu vergreisen“.

Sehr geehrter Herr Harding,
leider hat Ihr weitgehend sachlicher und informativer Artikel eine Überschrift, die eine heftige Altersdiskriminierung enthält. Es geht um den Ausdruck „vergreisen“.

Dagegen verwahrt sich der Seniorenbeirat Flensburg entschieden.

„Vergreisung“ und „vergreisen“, was beides auch mehrfach in Ihrem Text vorkommt, hat in unserer gegenwärtigen Gesellschaft einen drohend negativen Klang und signalisiert „Gefahr im Verzuge“ verbunden mit negativen Assoziationen.

Ähnlich wie „Alterslawine“, „Alterslast“, „Alterstatistik ... wird belastet“ transportieren diese Begriffe ausschließlich negative Aspekte und eine gewisse Unausweichlichkeit.

Dabei gerät aus dem Blickfeld,
- dass es sich keineswegs um eine gefährliche Katastrophe handelt, sondern um eine statistische Verschiebung und gestaltbare Prozesse.
- dass nicht Schneemassen im Gebirge herab zu stürzen drohen, sondern Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft ganz normal älter werden, von denen keine Gefahr ausgeht.
- dass der demografische Wandel Chancen bietet (z.B. die, dass alte Menschen nicht mehr einfach ausgegrenzt und beiseite geschoben werden können, sondern dass alle Generationen sich um ein gedeihliches Miteinander, einen gegenseitigen Wissenstransfer und gegenseitige Unterstützung kümmern müssen. Das bedeutet die Chance zu einer menschlicheren Gesellschaft als es die gegenwärtige, fast auschließlich von Wirtschaftsdenken bestimmte „Leistungsgesellschaft“ sein kann.
- dass die Anpassung von Straßen und Plätzen, von Wegen und Wohnungen an die Bedürfnisse von gebrechlichen Menschen und Menschen mit Behinderungen letztlich allen nützt, weil das Leben und Wohnen für alle Generationen (Enkel, Kinder, Eltern, Großeltern usw.) weitgehend frei von Stoß-Ecken, Stolper-Kanten, Türschwellen und zu schmalen Türen, zu kleinen Waschbecken usw. für alle bequemer und angenehmer wird.
... und es gerät aus dem Blickfeld, dass nicht die Älteren „Schuld“ an den statistischen Zahlen sind, sondern die jungen Paare, die keine Familien mit Kindern werden (können), wobei hier die „Schuld“ weiter geschoben werden muss: Denn wer möchte schon – angesichts des oben beschriebenen Wirtschaftsdenkens – freiwillig ärmer werden.

Bei allem rechtschaffenen Bemühen unserer Familienministerin: Es ist heute keineswegs attraktiv, Kinder zu bekommen und aufzuziehen.
Es geht also nicht darum, die Angst vor der „Vergreisung“ zu schüren, sondern
- bundesweit: bessere Rahmenbedingungen für junge Familien zu schaffen und
- für jedes Dorf und jede Stadt: „generationenfreundliche Gemeinde“ zu werden.
Hier tragen Alt und Jung zur Lebensqualität aller bei: Junge gründen eher Familien, bringen Neuigkeiten mit, bekommen Kinder, verdienen Geld und zahlen Steuern davon;
Alte teilen ihre Zeit und ihre Lebenserfahrungen mit Jüngeren, Kenntnisse und Kniffs werden weiter gegeben, aber: Alte lernen auch gern Neues von Jungen.
Junge helfen Alten, Alte übernehmen „ehrenamtlich“, freiwillig Aufgaben, für die sonst niemand Zeit und/oder Geld aufbringen kann oder will.
Verwaltung und Kommunalpolitik stützen und fördern diese Gegenseitigkeit nach Kräften.

Wer „alt“ und wer „jung“ ist, ist zudem keine Frage ausschließlich des Lebensalters, auch „Greise“ können jung und erfrischend sein im Umgang mit anderen Menschen.

Bei „Vergreisung“ richtet sich der Blick eher auf eine Kombination von hochbetagt sein, gebrechlich sein, krank sein und sonstige Einschränkungen. Da fallen uns auch „Greise“ ein, die vor 20 oder 30 Jahren geboren wurden!

Wir freuen uns deshalb, wenn in Zukunft im Flensburger Tageblatt zu diesem Themenkreis, aber auch grundsätzlich(!) begriffliche Diskriminierungen vermieden werden. Dann sind wir dankbar für Ihre Sorgfalt.

Mit freundlichen Grüßen im Namen des Seniorenbeirats der Stadt Flensburg

Quelle: Mail von Herbert Cordsen

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