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Jung gegen Alt: Wer schürt den Streit?

18.05.2008 - von Volker Fieber

Konflikte der Jungen mit den Alten sind seit Generationen ein natürlicher Vorgang, der mit Ende der Pubertät eigentlich beendet sein sollte. Nun haben interessierte Politiker, Medienvertreter und Versicherer entdeckt, wie aus diesem Konflikt Kapital oder wenigsten Druckauflagen zu schlagen sind. Sie starteten ein Ablenkungsmanöver mit beispielloser Hetze gegen die Alten. Junge Journalisten brachten die Artikel

„Wie die Alten die Jungen ausplündern“ (SPIEGEL),
„Die Jungen werden verschaukelt“ (Henning Krumrey, 38, FOCUS),
„Rentner – Leben auf Kosten der Anderen“ (Viktoria Unterreiner, 29, DIE WELT),
„Ran an die Rente“ (FOCUS),
„Ran an das Geld der Rentner“ (Dorothea Siems, 40, DIE WELT).
„Die gierigen Alten“ (Jörg Tremmel, 33, SRzG in 3-Sat),
„Alte gebt den Löffel ab“ (Jan A. Dittrich FDP, 29, in BILD),
„Die Alten haben zu wählen - Verzicht oder Krieg“ (Hans-Ulrich Jörges, Jahrgang 1951, STERN)

Die FAZ schrieb: „Nie zuvor haben die Älteren ihre Nachkommen so schamlos ausgenommen."
Horst Seehofer (CSU): „Generationengerechtigkeit besteht im Moment darin, die Älteren zu schröpfen“.

Das Sozialministerium NRW veröffentlichte 2003 die Studie über „Einkommen und Ausgaben älterer Menschen“. Ergebnis: Senioren hätten monatlich netto (!)2.550 EURO „zur Deckung von Gütern des täglichen Bedarfs und Finanzierung individueller Konsumwünsche“ zur Verfügung. Also Miete, Versicherungen usw. waren bereits berücksichtigt, sprich abgezogen.

Eine Analyse der Studie ergab gravierende Fehler, aber die Zahl 2.550 Euro geisterte durch sämtliche Medien und damit verbunden die Darstellung von Rentnern als reiche Kreuzfahrtpassagiere.

Vor einigen Wochen war die „Erhöhung“ der Renten um 1,1 Prozent dann Anlass für die MedienarbeiterInnen, vor „Gierigen Alten“ und einer "Rentnerdemokratie" zu warnen, in der die "unersättlichen Senioren" die arbeitende Bevölkerung ausplündern. BILD appellierte an die „Omas und Opas“, auf den Rentenerhöhungsbetrag im Wert eines Tortenstückchens doch zu verzichten. Noch besser: Dieselben Parlamentarier, welche die sogenannte Erhöhung der Renten beschlossen hatte, genehmigte sich anschließend eine monatliche Erhöhung der Diäten von 16 % = 937,- Euro. Von dieser Summe könen viele Rentner, vor allem aber RentnerInnen nur träumen.

In der Sendung Plus vom 13. Mai 2008 wiederholte Ex-Bundespräsident Roman Herzog (74) in einem Interview in weinerlichem Singsang seine Warnung an die Jungen vor den „plündernden Rentner-Demokraten“. Plündernde Rentner-Demokraten", darauf muss man erst mal kommen!

Herzog (CDU), mit einer monatlichen Pension von ca. 20.000 Euro plus plus plus versorgt, hat gut reden. Welche Ziele verfolgt er mit seiner Art von Altersdiskriminierung?

Gemeinsam mit anderen sogenannten "Führungskräften" gründete Herzog 2003 den "Konvent für Deutschland e.V., Berlin". Als prominentes Gesicht dieses Konvents stellte Roman Herzog in der vornehmen Frankfurter Metzler Villa das neue Buch „MUT ZUM HANDELN“ zum stolzen Preis von 39,50 Euro vor. Sekt wurde gratis serviert. Das Buch mit Interviews einflussreicher Industriebosse und spendabler Sponsoren des Konvents soll den Bürgern zeigen, wie Deutschland durch Reformen "nach vorn gebracht" werden kann. Für Herzog und seine politischen Freunde heißt „Mut zum Handeln“ Reformen durchzusetzen, angeblich für Deutschland, aber keineswegs sozial und zu Lasten der Bevölkerung – so der Fernsehbeitrag.

Finanziert wird der Konvent von elf Großunternehmen, darunter die Deutsche Bank, RWE, Linde, FRAPORT, Bank of America, DB, IBM, Bilfinger Berger und Porsche. Mitglieder im Konvent sind prominente Namen, deren soziales Verhalten von Internet-Nutzern kritisch beurteilt wird, da einige von ihnen wegen des Vorwurfs der Untreue, Korruption oder Steuerhinterziehung Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt hatten.

Mitglieder im Konvent sind u.a.
Dr.Otto Graf Lambsdorff, FDP-Politiker, Josef Ackermann, Deutsche Bank, Peter Löscher, Siemens, Wolfgang Clement, Ex-Minister der SPD, Aufsichtsrat E.on, Wendelin Wiedeking, Porsche, Spitzenverdiener mit 60 Mio. Euro p.a.,Hans-Olaf Henkel, ehem. IBM und BDI-Präsident,Prof. Dr. Roland Berger, Unternehmens- und Politikberater.

Die Lobby der Mächtigen und Reichen, die in zahlreichen Aufsichtsräten sitzt und erheblichen Einfluss auf Politik, Arbeit, Lohn und Sozialbedingungen der Bürger ausübt, will mit Reformen den Sozialstaat zurückdrängen. Die gesetzliche Rente soll drastisch gedrückt und damit leistungsunfähig gemacht werden. Ersatzweise soll die Versicherungswirtschaft den Jungen lukrative, zusätzliche Privatrenten als Altervorsorge verkaufen. Groß im boomenden Geschäft mit Privatrenten ist die ALLIANZ, die 2007 mit einem Jahresüberschuss von 8 Milliarden Euro das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielte.

Herzogs Konvent-Buch ist Teil der Kampagne. Der angebliche Generationenkonflikt ist ein breit angelegtes Ablenkungsmanöver, ein Scheingefecht, wie Politologe Professor Dr. Butterwegge, Uni Köln, im PlusMinus-Beitrag darstellte.

Das Gesellschaftsproblem ist nicht „Alt plündert Jung“ oder die „Gier der Rentner“. Das Problem ist die wachsende soziale Ungerechtigkeit, in der die Armen ärmer werden, die Mittelschicht in die Verarmung gedrängt wird und die Reichen immer mehr Reichtum und Macht anhäufen und sich aus der sozialen Verantwortung ziehen.

Vor 11 Jahren hatte Roman Herzog in seiner „Ruckrede“ zu einem Ruck aufgerufen, der durch Deutschland gehen sollte. Seitdem sind die Erträge der Unternehmen und die Einkommen aus Gewinn und Vermögen um mehr als 40 Prozent gestiegen. Die realen Einkommen der Arbeitnehmer sind dagegen, inflationsbereinigt, netto gesunken, die Renten sogar bis 10 Prozent. Sie sind die abkassierten Verlierer.

Das Problem sind politische Entscheidungen, durch die z.B. der Steuersatz für Besserverdiener von 52 % auf 42 % gesenkt wurde und sie vor gerechten Abgaben durch Beitragsbemessungsgrenzen geschützt sind. Börsenspekulanten sind für Millionengeschäfte mit Papieren völlig von Umsatzsteuer befreit. Die Zahl der Millionäre stieg in Deutschland auf eine knappe Million, die Zahl der superreichen Milliardäre von ursprünglich 25 auf 122. Laut Emnid-Umfrage sind es vor allem Besserverdiener, die Steuern und Sozialleistungen durch Schwarzarbeit mit 348 Milliarden pro Jahr hinterziehen und die der Staat angeblich nicht finden und bestrafen kann. Wer heute ehrlich arbeitet, ist der Dumme, beschreibt Spiegel-Redakteur Michael Sauga die Situation. Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich dramatisch und Reichtum wird zunehmend ungerechter verteilt. Die Armut im Mittelstand, bei Rentnern und Kindern steigt. 13 % der Bürger gelten schon heute als arm und die wachsende Zahl der 7 Millionen Geringverdiener wird in nicht allzu ferner Zeit in die Altersarmut fallen.

Die Bürger hatten sich Herzogs “Ruck“ anders vorgestellt.

Während Alt-Bundespräsident Roman Herzog mit seinen elitären Konvent-Freunden über Reformen und Gewinnsteigerungen durch Reduzierung von Steuern, Sozialabgaben und Renten diskutiert, klagt der amtierende Bundespräsident Horst Köhler über die Gier der Reichen und Mächtigen in unserem Land. Die Weltfinanzmärkte hätten sich zu einem Monster entwickelt, sagte er öffentlich, wären fast zusammengebrochen und hätten dann Millionen Existenzen vernichtet. Spekulanten und Banker würden Derivate schaffen, die kaum noch Bezug zur Realwirtschaft haben.

Banken und Manager dürfen nicht zu gierig sein“ empörte sich hilflos Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Bild und Jean-Claude Juncker, Chef der EURO-Finanzminister bezeichnete Managerbezüge in einigen Ländern als skandalös und soziales Übel, gegen das Maßnahmen ergriffen werden müsse. Greifende Maßnahmen fanden bisher keine Zustimmung in der Politik, obwohl sich das Problem seit Jahren abzeichnete.

Die Perversität des unsozialen, globalen Finanzsystems demonstrierte der Spekulant George Soros. Er kreierte mit Hedge-Fonds Spekulationsblasen und löste in den 90ern Staatszerstörende Spekulationen, wie die Asienkrise, aus. Thailand, Malaysia und Taiwan wurden fast ruiniert. Das britische Pfund zwang er in die Knie, viele Existenzen wurden vernichtet und er wurde als mehrfacher Milliardär einer der Reichsten der Welt.

Selbst Konvent-Mitglied Josef Ackermann, mit 14 Mio. Euro Jahreseinkommen Topverdiener der Deutschen Bank, fordert jetzt ein Eingreifen des Staates, um solche Fehlentwicklungen der Finanzmärkte zu verhindern.
(Er tat das allerdings mit der Absicht, dass die Steuerzahler für die Verluste der Banken aufkommen sollen.)

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2525
Quelle: ARD PlusMinus, Bild, Spiegel, Büro gegen Altersdiskriminierung