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Die Ostrenten-Finanzierungs-Propaganda

02.03.2009 - von Kurt Pittelkau

Die Behauptung, der Westen finanziere die Ostrenten, ist schlicht falsch. Und doch wird das geradezu gebetsmühlenartig vorgebracht. Mit Politikerreden über die hohen Transfers zur Stützung unserer Renten. In scheinbar sachlichen Informationen über Kassenstände. Es ist ein der Öffentlichkeit unausgesetzt aufgetischter Schwindel – freilich verteufelt geschickt verpackt.

Dieser Schwindel soll die Alten im Osten zu ganz tiefer Dankbarkeit nötigen und sie davon abhalten, ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen. Eine subtile, spitzbübische Form von Diskriminierung!

Die CDU/CSU im Bundestag erklärt (18.1.09):
„Die Ostrenten sind nur zu etwa 40 % durch Beitragseinnahmen gedeckt (Westen: ca. 80 %). Die Deckungslücke von 60 % wird aus dem Bundeshaushalt und von den Beitragszahlern im Westen finanziert. Der West-Ost-Transfer für Renten betrug 2006 etwa 13,5 Mrd. €.“

M. STREBL (CSU, Vorsitzender des Christlichen Gewerkschaftsbundes) im Bundestag am 4.12.08:
„Weil die Wirtschaftskraft in den neuen Bundesländern noch immer geringer als im Westen ist, werden die Ostrenten zum Teil mit Beitragsgeldern aus den alten Ländern finanziert. Laut Einheitsbericht der Bundesregierung beträgt dieser West-Ost-Transfer im laufenden Jahr rund 14 Mrd. €.“

F. THÖNNES (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, beim 2. Workshop Rentenangleichung Ost am 14.12.08:
„Die Beitragseinnahmen in den neuen Ländern reichen gegenwärtig nicht aus, um die Rentenausgaben für die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern zu finanzieren. Der Rententransfer von West nach Ost … dürfte im Jahr 2008 14 Mrd. € betragen.“

SPIEGEL (19.11.08):
„Ost-Renten reißen Milliardenloch in die Sozialkasse. … Der Zuschussbedarf in die Rentenkasse hat sich seit der Wende drastisch erhöht. Derzeit beträgt das Milliardenloch mehr als 10 Mrd. € – und es wird immer größer.“

BILD (19.11.08):
„Der neue Rentenversicherungsbericht enthüllt Milliardenloch in der Ost-Rentenkasse. … Das Minus in der Ost-Rentenkasse steigt … auf bis zu 18,8 Mrd. € im Jahr 2022. … Von 2009 bis 2022 müssen die West-Arbeitnehmer und Steuerzahler insgesamt rund 212 Mrd. € aufbringen, damit die Renten im Osten ausgezahlt werden können.“

Unerhört, nicht wahr? Und da unterstehen sich die Ostrentner, weiter gleiche Alterseinkünfte in Ost und West zu verlangen. Und meinen obendrein, sich dabei auf den Einigungsvertrag berufen zu können.

Richtig ist entgegen üblichem Dramatisieren Folgendes:

„Die Beiträge der Beitrittsbürger für die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit – entrichtet im Osten, Westen, Süden oder Norden unseres doch einheitlichen Staatsgebietes – belaufen sich auf 25,98 % der gesamten Rentenversicherungsbeiträge.

Die im Beitrittsgebiet gesetzlich zu versorgenden Rentner sind demgegenüber jedoch nur 20,67 % aller Rentner in der Bundesrepublik. Jene 7,42 Mio Bürger, die am 2. Oktober 1990 Einwohner der DDR waren und heute noch versicherungspflichtig beschäftigt sind, also Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen müssen, machen 27,97 % der in der gesamten Bundesrepublik versicherungspflichtig Beschäftigten aus.“

Hinzu kommt, dass Firmen mit Sitz in den alten Bundesländern auf Grund bundesdeutscher Verwaltungsmechanismen ihre Sozialabgaben über diese Standorte abrechnen. Das hat D. Bauer aus Erfurt, ein IG-Metaller, sorgfältig recherchiert und inzwischen über vielfältige Kontakte verbreitet.
„Über 2,2 Mio beitragspflichtig Beschäftigte Beitrittsbürger zahlen in die Rentenkassen-West ein.“

Warum wird das überhaupt nicht zur Kenntnis genommen?

Es ist für meine KollegInnen und mich eine Absurdität, dass den alten Bundesländern Rentenbeiträge von Abgewanderten und Berufspendlern aus dem Osten zugute kommen und gleichzeitig klamme Ostrentenkassen und Rententransfer wortreich beklagt werden. Das macht manche(n) von uns immer wieder richtig wütend!

Es sollte einen Zeitpunkt geben, wo platte Argumente ausreichend plausibel widerlegt sind. Doch es gibt Akteure des öffentlichen Diskurses, denen nichts zu dumm ist, die auch die lange abgewalzten Platten stur immer noch mal auflegen. Und obendrein meinen, sie wären damit nicht zu übertreffen.

Wirtschaftlich-politische Fehlentwicklungen nach (!) der staatlichen Vereinigung der beiden Deutschland haben neue Abwanderung ausgelöst und sie verschulden massenhaftes „Berufspendeln“.
Auch das durch die Wirtschaftspolitik bewirkte niedrige Lohnniveau im Osten geht zu Lasten der Beitragseinnahmen der Rentenkassen Ost.

Bitte aufgemerkt: Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, R. Haseloff (CDU), sieht sogar einen Standortvorteil in den niedrigen Löhnen seines Landes (K 22-08).

Die da Milliarden-Transfers beklagen, belügen alle Bürger und bedienen die Tasche der einen Seite. Die innerdeutschen Renten-Transfers sind im Grunde lediglich eine Art „Wanderungsausgleich“, ein Begriff, der in anderen Zusammenhängen in der Rentenversicherung durchaus gebräuchlich ist. Zu Zeiten gelingt es bundesweit „keiner Region, die Gesamtausgaben durch eigene Beitragseinnahmen im Versicherungssystem zu finanzieren“ (IAB, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).

Über eine gerechte Abrechnung wäre auch der auf 100 % angeglichene Rentenwert-Ost finanzierbar.

Scheuklappen oder westliche Sonderinteressen? Letzteres dürfte entscheidend sein, da man sich so unverrückbar hartnäckig einer Korrektur widersetzt. Und sich dabei einer „normierten“ Berichterstattung sicher weiß.

So dürfte es weiter schwer bleiben, gegen Irrtümer, Halbwahrheiten und Verdummung über die Medien als Sprachrohre dieser Interessen zu argumentieren.
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Die Gewerkschaften ver.di, GEW, Transnet, und GdP sowie der Sozialverband Deutschalnd (SoVD), die Volkssolidarität und der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen (BRH) haben sich in einem "Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern" zusammengeschlossen. Sie unterstützen den ver.di-Vorschlag zur Rentenangleichung Ost, der einen Angleichungszuschlag im Stufenmodell vorsieht. Link

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2235
Quelle: Mail an Redaktion

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