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Ärzte freuen sich über Wahlausgang: Warum?

23.10.2009 - von Kurt Pittelkau

So war dieser Tage eine Zeitungsmeldung betitelt. Und wer freut sich noch? Das ZDF-Politbarometer will uns weismachen, dass 53 % der Wähler mit dem Ergebnis „eher“ zufrieden sind, was auch immer das heißen mag. „Die überwiegende Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis bedeutet aber nicht, dass die ... Mehrheit der Wähler die neue Regierung gutheißt“, heißt es im einem Nachsatz. Dieser wird von Redaktionen, die die „Erfolgszahl“ verbreiten, gewöhnlich weggelassen.

„Leistung muss sich wieder lohnen“, ließ und lässt man die Neo- und anderen Liberalen über alle Sender tönen. Das wird auch Ärzten zu Ohren gekommen sein, die schon vor Quartalsende ihr gesetzliches Kassenbudget aufgebraucht haben und uns dann für umsonst behandeln, wenn sie nicht gerade wegen Weiterbildung (wo es wertvolle Pharmageschenke gibt) oder der furchtbar aufwendigen Quartalsabrechnung mit den Krankenkassen ihre Praxis geschlossen haben.

„Die Ärztinnen und Ärzte in D. hoffen, dass mit der künftigen Bundesregierung endlich eine neue Vertrauenskultur im Gesundheitswesen begründet wird“, sagt der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Und fügt hinzu: Die ärztliche Freiberuflichkeit müsse gestärkt werden.

Von „Vertrauenskultur“ spricht der Ärztepräsident. Die ist tatsächlich nachhaltig gestört. Überall da, wo sich der Patient heute fragt: „Was verdient wer an mir und meinem Leiden?“ Ärzte erlebt man immer mehr als „Freiberufler“ – mit dem einen oder anderen Bezahlangebot für Patienten, denen ihre Gesundheit etwas zusätzliches eigenes Geld wert ist.

Es gibt einen „Verein demokratischer Ärzte und Ärztinnen“. Der macht darauf aufmerksam, dass D. das drittteuerste Gesundheitssystem der Welt habe. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, von chronischem Geldmangel in der Medizin zu reden. Ebenso wenig wie von „Hungerlöhnen“ der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die durchschnittlich das Drei- bis Vierfache des Bevölkerungsdurchschnitts erhalten. Wohlgemerkt – so urteilen Mediziner mit ihrer Innensicht (!) des Systems.
Der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, spricht von einer „armseligen“ und „blödsinnigen Debatte“, mit der die Bevölkerung verunsichert werde, damit „gruppenspezifisch mehr Geld an Land gezogen werden kann“. Es fehle „an Kooperation und Transparenz, nicht an Geld“.
Doris Pfeiffer vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) würde es begrüßen, „wenn sich die Bezahlung der Ärzte mehr an der Qualität ihrer Arbeit orientieren würde. Wer Gutes besser bezahlt haben möchte, muss auch akzeptieren, dass Schlechtes schlechter bezahlt wird.“

Auch der Honorarzuwachs, der den Ärzten noch kurz vor der Bundestagswahl von Schwarz-Rot bewilligt wurde (auf insgesamt 32 Mrd. € für 2010), hat die hüteren Kreise um Professor Hoppe nicht gewogener gemacht. Zur Erinnerung: In diesem Jahr war das Honorar bereits auf 31 Mrd. € angewachsen – von 29 Mrd. 2008). Mit der Entscheidung wurde der Honorartopf zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres aufgestockt.

Die „Berliner Zeitung“ (5.9.) beschrieb eine monatelange Auseinandersetzung zwischen Krankenkassen und Ärztevertretern als Spektakel: „Es herrschte Aufregung wie auf dem Jahrmarkt. Funktionäre der Ärzteschaft boykottierten Abstimmungen, verließen die Verhandlungen, und beide Parteien machten sich in der Öffentlichkeit wilde Vorwürfe.“
Auf den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes findet man die Honorarsätze der Sparten von Fachärzten aufgelistet. Fazit eines „Stern“-Blogs dazu: „Damit gehören Ärzte auch heute, entgegen den Klagen ihrer Funktionäre, zu den Top-Verdienern.“ Leistung muss sich wieder lohnen. Spruch der FDP. Reichtum muss sich lohnen!

Die Marktwirtschaft sei ein Segen, macht man uns glauben. Versucht es zumindest immer aufs Neue. Weil sie angeblich den Wettbewerb zwischen den Leistungsträgern herausfordere, ja geradezu anfeuere. Es geht um erhebliche Beträge: Die Wachstums- und Gewinnmöglichkeiten auf dem „Gesundheitsmarkt“ werden für die nächsten Jahre auf insgesamt 540 Milliarden € geschätzt. Die Versicherungswirtschaft sieht ein gewaltiges Potential für ihre Begehrlichkeiten – wenn es mit der FDP gelänge, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung eines Tages auf eine medizinische Grundversorgung zurechtzustutzen.
„Priorität hat das Geld“ war die zentrale Botschaft des diesjährigen Ärztetages.
In der CDU wird die Debatte teils mit Missbehagen betrachtet. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Norbert Röttgen, warnte vor schnellen Änderungen im Gesundheitssystem. „Ich glaube, dass wir auf dem sensiblen Feld der Gesundheit nicht jedes Jahr eine neue Reform machen können.“

Link/pits_aktueller_Kommentar/pits_aktueller_kommentar.htm

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1269
Quelle: 21.10.2009