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Büro gegen Altersdiskriminierung: Einzigartig!!!

Zülpich, April 2008 Foto: Hanne Schweitzer

26.09.2010 - von Mario Peucker

Zwischen Januar und Mai 2010 erstellte das europäische forum für migrationsstudien (efms) im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) eine Machbarkeitsstudie zur standardisierten Datenerfassung zum Nachweis von Diskriminierung; dabei standen insbesondere die Beratungsangebote für Betroffene von Diskriminierung im Mittelpunkt des Interesses.

Unter Punkt 3.1.5 der Studie mit der Überschrift "Beratungsstellen für Betroffene von Diskriminierung wegen des Alters" heißt es:

Spezielle Beratungsangebote für Menschen, die sich aufgrund ihres Alters diskriminiert fühlen, gibt es kaum in Deutschland. Lediglich das 2001 gegründete Büro gegen Altersdiskriminierung (der entsprechende Verein wurde 2009 aufgelöst) bietet explizit Beratung in Fällen von Altersdiskriminierung an. (2001 stimmt nicht, die Gründung erfolgte 1999) Damit ist man in Deutschland von einer hinreichend spezialisierten Beratungslandschaft für (insbesondere ältere) Menschen, die sich aufgrund ihres Alters diskriminiert fühlen, noch weit entfernt.

Dieser eklatante Mangel an kompetenter Antidiskriminierungsberatung wird auch nicht ausgeglichen
durch das dichte Netz von kommunalen Seniorenbeauftragten und lokalen Seniorenbeiräten und - vertretungen, die sich oft auf Landesebene zu Interessenvertretungen zusammengeschlossen haben. Bei einigen dieser lokalen Seniorenbeiräte (z. B. Düsseldorf) und Landesseniorenvertretungen (z. B. NRW, Berlin, Hamburg) ist man zwar mit der Thematik Altersdiskriminierung intensiv befasst, doch findet dort nur in seltensten Fällen Einzelfallberatung statt. Daneben findet man in vielen Kommunen weitere Seniorenvereine in privater Trägerschaft, die zwar als Anlaufstelle und Ansprechpartner für ältere Menschen vor Ort fungieren und auch Beratung anbieten, doch von einer gewissen Professionalität in Fragen von Altersdiskriminierung kann dort in den allermeisten Fällen keine Rede sein. Ähnliches gilt für die vielen Seniorenberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände, die zwar professionelle Beratung im Sinne des Fürsorgeprinzips anbieten, dabei aber kaum Aspekte von (Anti-)Diskriminierung berücksichtigen.

Für die Beratungsarbeit der meisten lokalen Seniorenbeauftragten, -beiräte und -vertretungen wie auch der vielen privaten Seniorenvereine (mit Ausnahme des Kölner Büros gegen Altersdiskriminierung) und der
Seniorenberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände scheint der Grund für die unzureichende Antidiskriminierungsberatung in zwei miteinander verwobenen Defiziten zu liegen: Zum einen ist das
Bewusstsein der ratsuchenden Menschen für Diskriminierung oft nicht besonders ausgeprägt oder wird aus verschiedenen persönlichen Gründen nicht offensiv artikuliert, was dazu führt, dass in der Beratungssituation nur sehr selten ein Diskriminierungsfall als solcher vorgebracht wird.

Zum anderen herrscht in der Beratung selbst oft wenig Wissen über Alterdiskriminierung vor, so dass die
beratende Person üblicherweise nicht oder nur sehr unsystematisch nach den dem Beratungsfall möglicherweise zugrunde liegenden Ursachen von Diskriminierung sucht.

Alterdiskriminierung findet auch in Lebensbereichen statt, für die sich alternative Beratungsstrukturen außerhalb der Senioren- oder Antidiskriminierungsberatung etabliert haben. So beschäftigen sich in einigen Bundesländern auch Verbraucherzentralen (z. B. Hamburg, NRW oder Bremen) mit
Beschwerdefällen von Diskriminierung (z. B. Ungleichbehandlung bei Kreditvergabe oder bei
Versicherungen), wobei dort zwar ein aus Sicht des Verbraucherschutzes kompetente Beratung zu erwarten
ist, die jedoch nicht als spezialisierte Antidiskriminierungsberatung zu verstehen ist (vgl. Klummp 2005: 29f).

Auch im Bereich der (Alten-)Pflege wird regelmäßig von verschiedenen Formen von Altersdiskriminierung berichtet, die von abwertenden Umgangs- und Kommunikationsformen bis hin zu Vernachlässigung und psychischen Missbrauch reichen (vgl. Mayer/Rothermund 2009: 223-225). Einige Einrichtungen sind darauf spezialisiert, bei solchen besonderen Facetten von Altersdiskriminierung Unterstützung anzubieten. Bundesweit aktiv ist beispielsweise der Bonner Verein Handeln statt Misshandeln (HsM, mit eigenem Notruf-Telefon). Außerdem finden Betroffene über telefonische Hotlines („Beschwerdetelefon Pflege“), die von unterschiedlichen Akteuren in einzelnen Bundesländern eingerichtet worden sind (z. B. Rheinland-Pfalz, Hamburg), oder lokale Anlaufstellen (z. B. Beschwerdestelle Altenpflege in Marburg, städtische Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege in München) Hilfsangebote und Beratung in Fälle von Pflegemissständen und Gewalt gegenüber Älteren. Auch der
Sozialverband Deutschland (SoVD) bietet seinen über 500.000 Mitgliedern Sozialberatung u. a. in Pflegefragen an.

Zusätzlich zu diesen vielfältigen Beratungsstellen, die zumindest am Rande oder implizit mit Alterdiskriminierung zu tun haben, existieren in Deutschland verschiedene bundesweit tätige Interessenvertretungen älterer Menschen. An erster Stelle ist dabei die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) mit ihren über 100 Vereinen und Initiativen der freien Altenarbeit zu nennen, die allerdings als Dachverband keine direkte Individualberatung für Betroffene anbietet. Auch der
Sozialverband Deutschland (SoVD) und das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) spielen als Lobbyorganisation der Altenhilfe, nicht jedoch in der Einzelfallberatung, eine wichtige Rolle in Deutschland. SoVD, KDA und BAGSO haben das Thema Alterdiskriminierung in den letzten Jahren
mehrmals aufgegriffen und arbeiten an einer erhöhten öffentlichen Sensibilität für diese Thematik (siehe z.
B. KDA-Faltblatt zu Altersdiskriminierung). Auch innerhalb der Gewerkschaften haben sich eigene Seniorengruppen etabliert, die als Interessenvertretung für die Rechte von älteren ArbeitnehmerInnen eintreten. Auch in den politischen Parteien haben sich Seniorenarbeitskreise organisiert, die sich für die Interessen Älterer innerhalb und außerhalb der Parteien engagieren (z.B. Senioren-CDU, SPD-AG 60plus) – eine individuelle Beratung in Fragen von Altersdiskriminierung gibt es dort jedoch ebenfalls nicht.

Die komplette Studie kann hier heruntergeladen werden:
Link

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Quelle: european forum for migration studies (efms) Institute at the University of Bamberg