20.09.2010 - von Presse Hans Böckler-Stiftung
Junge Erwachsene haben viele Hürden vor dem ersten sicheren Job zu überwinden. Nach dem Praktikum geht es oft in Leiharbeit weiter: Knapp 40 Prozent aller Zeitarbeitnehmer waren 2007 unter 30 Jahre alt, obwohl unter allen Beschäftigten in Deutschland weniger als ein Viertel in diese Altersgruppe fällt. Von den jungen Erwachsenen unter 25 hatten ebenfalls knapp 40 Prozent lediglich eine "atypische" Beschäftigung - Leiharbeit, Teilzeit- oder befristeter Job. Junge Erwachsene haben es schwer, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen, und die Wirtschaftskrise hat die Schwierigkeiten noch vergrößert. Die Startprobleme wirken noch lange nach, zeigt eine Bestandsaufnahme, für die Prof. Dr. Thomas Langhoff, Ina Krietsch und Christian Starke zahlreiche Statistiken und qualitative Studien ausgewertet haben. Der Professor an der Hochschule Niederrhein und seine Ko-Autoren konstatieren in ihrem Aufsatz in den WSI Mitteilungen "eine Zunahme erlebter Unsicherheit und Ungleichheit", die besorgniserregende Auswirkungen für die Zukunft der Betroffenen haben kann.*
Arbeitslosigkeit. Junge Leute zählen zu den Krisenverlierern: Der Anteil der Arbeitslosen unter den 15- bis 25-Jährigen ist seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise dreimal so stark gestiegen wie in allen anderen Altersgruppen, die Jugendarbeitslosigkeit liegt deutlich über der Arbeitslosenquote insgesamt. Dabei erfasst die Statistik nicht einmal alle Jungen ohne Job - wer einen Ausbildungsplatz sucht oder eine berufsfördernde Maßnahme durchläuft, gilt formal nicht als arbeitslos. Verschiedene Studien zeigen zudem: Das Risiko von Beschäftigten unter 35, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist sechsmal größer als das älterer Kollegen. Zwar durchlaufen Jüngere auch nur kürzere Phasen der Arbeitslosigkeit, doch das Team um den Psychologen Langhoff warnt vor den langfristigen Folgen: "Die Erfahrung, nicht gebraucht zu werden, kann zu vermindertem Selbstvertrauen, zum Verlust sozialer Kontakte, zur psychischen Destabilisierung und sogar zu Depression führen." Bei Menschen am Beginn des Arbeitslebens kann dieses Erlebnis noch lange, folgenschwere Beeinträchtigungen nach sich ziehen.
Praktika. 2007 haben insgesamt 600.000 Berufsanfänger mindestens ein Praktikum absolviert. Der Großteil der Praktikumsplätze müsse als prekär bezeichnet werden, es gibt keine oder nur eine geringe Vergütung. Zudem bieten nicht viele Firmen verantwortungsvolle oder qualifizierende Tätigkeiten an. Junge Leute nehmen diese Bedingungen hin, weil sie die in Arbeitsverträgen garantierten Standards noch nicht kennen, schreiben die Autoren. Sie weisen auf die daraus resultierenden Probleme hin: Die durch den Mangel an Geld und Anerkennung verursachte Unsicherheit führe "zu einem pessimistischen Blick auf die eigene Zukunft". Erwachsene in prekären Arbeitsverhältnissen sehen sich oft nicht in der Lage eine Familie zu gründen.
Ausbildungsplätze. Nicht einmal jeder vierte Betrieb bildete 2008 aus. Und es sind nicht nur kleine Unternehmen, die zu wenige Lehrstellen anbieten: "Je größer der Betrieb, desto geringer die Quote an Auszubildenden", stellen die Forscher fest. Die Lage am Lehrstellenmarkt entspannt sich zwar, weil die Zahl der Schulabgänger zurückgeht. Doch nach der Ausbildung wartet die nächste heikle Schwelle: 2007 wurden 40 Prozent der Ausgebildeten nicht übernommen - eine Quote, die sich nach der Finanzkrise nochmals erhöht haben dürfte. Auf die Nicht-Übernahme folgt sehr häufig Arbeitslosigkeit oder eine atypische, prekäre Beschäftigung.
Befristete Beschäftigung. Der Anteil der Unter-25-Jährigen in atypischer Beschäftigung hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt (siehe auch die Infografiken im Böckler Impuls; Link unten). Die Autoren beobachten eine massive Zunahme der befristeten Stellen infolge der Krise; vor allem in großen Unternehmen ist es zum Standard geworden, neue Verträge zeitlich zu begrenzen. Vielfach sei eine Befristung ein "Einstieg in eine unstete Beschäftigungskarriere". Lediglich 23 Prozent der qualifizierten Jugendlichen landen nach einer befristeten in einer stabilen Beschäftigung.
Leiharbeit. Hier spitzen sich die Probleme der jungen Erwachsenen zu: Mehr als die Hälfte der Leiharbeiter ist jünger als 35 Jahre. Fast 40 Prozent der Unter-30-Jährigen mit einer Vollzeit-Tätigkeit waren 2007 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Damit sind erhebliche Probleme verbunden. Leiharbeiter fühlen sich "aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses strukturell in den Entleihunternehmen ausgegrenzt". Leiharbeiter sind unzufriedener mit ihren Arbeitsumständen und stehen unter besonderem Druck, belegen Studien. Psychische Erkrankungen sind der häufigste Grund für eine Krankschreibung von Leiharbeitern - obwohl man davon ausgehen muss, dass sie in der Hoffnung auf eine mögliche Übernahme oft trotz gesundheitlicher Probleme zur Arbeit gehen. Langhoff, Krietsch und Starke warnen vor den Folgen: Diese Probleme belasten jungen Menschen, die noch weitere 30 bis 35 Jahre dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen.
*Thomas Langhoff, Ina Krietsch, Christian Starke: Der Erwerbseinstieg junger Erwachsener: unsicher, ungleich, ungesund, in: WSI-Mitteilungen 7/2010
Infografiken zum Download im Böckler Impuls 12/2010: Link
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