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Remscheid: Seniorenbeirat wird an Pranger gestellt

30.09.2010 - von diverse

"In der Ratssitzung vom 8. Juli hat die Ampelmehrheit aus SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, den Seniorenbeirat der Stadt Remscheid ab 2014 abzuschaffen. Wenige Wochen später hat das Bündnis augenscheinlich das schlechte Gewissen gepackt.

Denn wie sonst wäre zu erklären, dass die sogenannte "Gestaltungsmehrheit" eigens eine Pressekonferenz einberuft, um sich zur Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren zu äußern?“, fragt der Remscheider CDU-Fraktionsvorsitzende Jochen Siegfried. „Die Position der CDU-Fraktion war in der Frage des Seniorenbeirats von Anfang an sehr klar. Wir achten die politische Arbeit des Seniorenbeirats vor allem auch aufgrund der demokratischen Legitimation dieses Gremiums. Wir haben uns in einem Antrag zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 25. März für starke Mitwirkungsrechte des Seniorenbeirats nachdrücklich ausgesprochen.

Wenn die Mitglieder des Rates zu einem Großteil selbst Senioren sind, wie der pensionierte Ampelsprecher immer wieder herausstellt, dann kann dies doch kein Argument für die Abschaffung des Seniorenbeirats, sondern allerhöchstens eines für die Verjüngung des Rates sein?"
Fraktion der Remscheider CDU (Homepage) am 30.09.2010 14:06

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Antwort von Hans Gerd Göbert am 01.10.2010 14:28
Die Ergebnisse dieser Pressekonferenz erinnern irgendwie an eine komische Oper. Deshalb hier der Versuch eines chronologisch und halbwegs realitätsbezogenen, natürlich nicht ganz objektiven Herangehens an das Thema:

- Ursprünglich wurde die geplante Abschaffung des Seniorenbeirates als eine notwendige Einsparungsmaßnahme im Rahmen des Sparkonzeptes dargestellt.

- Weil anfangs aber gar keine triftige Begründung außer der Einsparung von ca. € 6.000 p.a. erkennbar war, schob man eine Erklärung nach. Der Beirat könnte auch deshalb ohne Bedenken aufgelöst werden, weil im Rat so viele Senioren sitzen würden, die dessen Aufgaben leicht mit übernehmen könnten.

- Offenbar hatte niemand mit derartigem Widerstand, nicht nur aus den Reihen der Beiratsmitglieder (Unterschriftensammlung etc.) gerechnet, und es gab anscheinend neuen Erklärungsbedarf, der mit einem Salto rückwärts präsentiert wurde.

- stolz wurde nun die Idee eines neuen, wie immer gearteten und zu benennenden Beirates aus der Taufe gehoben. Weil es im Kern der Sache darum ging, den neuen Beirat mit Personen außerhalb der Politik zu bestücken, die sich im Gegensatz zu den jetzigen Beiratsmitgliedern durch Kompetenz in Sachen Alter, Vereine, karitative Einrichtungen, usw. auszeichnen sollten und vor allen Dingen nicht zu alt wären. Der jetzige Seniorenbeirat sei jedenfalls total überaltert.

Anmerkungen: Nun erweckt das Triumvirat doch tatsächlich den Eindruck, dass nicht sie es waren, die die Kandidaten für den Seniorenbeirat selbst benannt haben. Ja haben sich diese Kandidaten denn selbst aufgestellt? Haben die Fraktionsspitzen denn nicht gewusst, wie alt ihre jeweiligen Kandidaten waren?

Warum haben Sie denn nicht bereits 2009 die Handbremse gezogen und unzählige kompetente, parteilose, aber dennoch politsch geschulte Jungsenioren präsentiert, die in Zukunft bereit sein würden, ehrenamtlich, ohne jegliche Aufwandsentschädigung einen alternativen, vielleicht sogar außerparlamentarischen Beirat zu bilden und auch noch die Parkgebühren für drei Stunden stets aus eigener Tasche zu bezahlen? Also was ist, darf der neue Beirat Geld kosten oder nicht? Womit das Thema sparen dann wieder zu den Akten gelegt wäre.

Wo doch das Interesse an ehrenamtlichen Aufgaben nicht un "überalterten" Senioren getragen wird. Sonst könnte alles wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Insofern ist es eine unerträgliche Ignoranz, auch den eigenen Parteimitgliedern gegenüber, geflissenlich zu übersehen, welche ehrenamtlichen Leistungen die jetzigen und früheren Beiratsmitglieder in ihrem Leben erbracht haben, in Kirchen, Vereinen, karitativen Einrichtungen oder sonstwo. Sich dabei immense Kenntnisse erworben haben und diese heute vielfach noch zur Verfügung stellen.

Diesen Personen nun zu hohes Alter, fehlende Qualifikation oder salopp gesagt, Ahungslosigkeit zu erstellen, ist einfach nur dreist - oder dumm.

Wie die Krönung der schönsten Stunden kommt es mir dabei vor, dass einer der Sprecher auf der Pressekonferenz bald stolze 67 und eine andere Sprecherin in Kürze 60, also Seniorin wird. Der Dritte darf auch schon zur Generation 50+ gezählt werden, die man anderenorts schon den Senioren zurechnet. Vor Wochen sprach man noch davon, dass ein mit Senioren gespickter Rat die Aufgaben der Alten mit übernehmen kann und heute spricht man den Beiratssenioren eine Qualifikation schon alleine wegen Überalterung ab.

Darf man sich denn nach solch fundierten Überlegungen darauf freuen, dass ab sofort auch alle anderen Beiräte, Ausschüsse und am Ende der Rat selbst auf Alter und daraus resultierende Kompetenzen wie Dynamik, hohes Fachwissen und die rechtliche Notwendigkeit einer Parteizugehörigkeit geprüft wird? Naja, wenn alle Gremien ab 2014 nur noch mit Personen der Generation U 40 besetzt werden dürften, das hätte was.

Der präsentierte Entwurf dokumentiert eine ungeahnte Hilflosigkeit und lässt für mich nur einen Schluss zu: Dass die wahren Gründe, den Seniorenbeirat auflösen zu wollen, gänzlich andere sind und mehr mit den handelnden Personen als mit einem Einsparungsbetrag zu tun haben, der nun offenbar plötzlich keine Rolle mehr spielt.

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Antwort Fritz Beinersdorf (Homepage) am 01.10.2010 20:43
Lieber Hans Gerd Göbert, Du könntest Recht haben, Personen und Institutionen, die für die "Verunstalter" unbequem sind, müssen als politische Akteure "eliminiert" werden. Denk doch mal daran, wie elegant man sich des Behindertenbeauftragten entledigt hat. Unschön war auch anzusehen, wie man den Vorsitzenden des Beirats für Menschen mit Behinderungen, in der letzten Sitzung der BV Alt-Remscheid behandelt hat. Die so genannten "Gestalter" möchten ganz einfach durchregieren. Daß sie der Demokratie damit einen Bärendienst erweisen, merken sie gar nicht, und wenn bei der Kommunalwahl 2014 nur noch eine Wahlbeteiligung von 20% sein, werden diese Damen und Herren die Schuld dafür überall suchen, aber bestimmt nicht bei sich selbst.

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Reaktion
Sehr geehrte Frau Jungesblut-Wagner, sehr geehrter Herr Gregull, das Vorgehen der „Gestaltungsmehrheit“ zum Seniorenbeirat nimmt inzwischen Formen an, die nicht nur eindeutige Tendenzen von Altersdiskriminierung, sondern insgesamt anmaßende, autoritäre, undemokratische Formen enthalten.

Hier wird ein in Urwahl gewähltes Gremium öffentlich in einer peinlichen und absolut unangebrachten Form als minderbemittelt an den Pranger gestellt.

Nun gibt es grundsätzlich keine Auswirkungen ohne Ursachen. Dass als verlogene Begründung zur Abschaffung des Seniorenbeirats Sparbeschlüsse benutzt wurden, ist nun widerlegt, da jetzt auf einmal ein „neuer Seniorenbeirat her soll“.

Es ist die Absicht, einen willfährigen Seniorenbeirat zusammenzusetzen, der nach Belieben zu manipulieren ist, der die heile Welt politischer Betonköpfe, die Befindlichkeiten angenehmer Cliquenwirtschaft durch gemeinsame, einseitig geprägte Interessenlage und Stalldisziplin nach Kadavergehorsam absichert.

Hier wird in absolutistischer Form Demokratieverständnis und die moderne Idee politischer Rechte einer wachsenden Bevölkerungsgruppe - die im besonderen Maße vielfacher Unterstützung bedarf - von den Füßen auf den Kopf gestellt. ...

Die Situation in Stuttgart zeigt: Zum bindenden Element von Bürgerprotesten gehört die Kompensation von Ohnmacht durch einen Willen zur Macht. In Stuttgart reklamieren Menschen, eine Gesellschaft zu sein, die um ihre Rechte kämpft und dabei eine Einheit bildet.

Diese Einheit ist in unserer Situation die maßgebende Voraussetzung für erfolgreiches Bestehen.

Mit besten Grüssen, Klaus Kowakowski

Link: Remscheid: Ratsmehrheit schafft Senorenbeirat ab
Quelle: Waterbölles + Mail an die Redaktion

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