24.04.2012 - von H.S.
Auch Geschäftsführer sind vor Altersdiskriminierung geschützt, das AGG gilt auch für Besserverdiener. Da Geschäftsführer aber Organ einer GmbH sind, werden ihre Klagen nicht vor dem Bundesarbeitsgericht behandelt, sondern, wie im Fall von Professor Jekabs Leititis, dem früheren medizinischen Geschäftsführer der städtischen Kliniken in Köln, vor dem Bundesgerichtshof.
Die erste Entscheidung des Obersten Gerichts in Sachen Altersdiskriminierung gilt als Präzedenzfall. Immerhin gibt es ca. eine Million GmbHs in diesem Land, mit vielen Geschäftsführern. Auch findet sich in vielen Aktiengesellschaften bisher die Regelung, dass Vorstände mit 60 Jahren aufhören sollen.
So erklärt sich der Hype um das Urteil. Es löste eine solche Euphorie aus, dass es sogar im Sportteil der Süddeutschen Zeitung Erwähnung fand. "Nachdem der Bundesgerichtshof am Montag eine wegweisende Entscheidung zur Altersdiskriminierung traf, demonstrierte Jupp Heynckes in seiner Moderation des Halbfinales zur Champions League, dass nicht jeder verständnis- und kenntnisreiche Trainer künftig mindestens so jung wie Jürgen Klopp, 44, sein muss." (SZ, 27.4.2012)
Zum Fall:
Der Fünf-Jahres-Vertrag des damals 62-Jährigen Leititis wurde 2009 nicht verlängert. Die Begründung, die von den Kölner Kliniken (zur Freude des Klägers) sogar vor der Presse abgegeben wurde lautete: Leititis sei zu alt, eine Vertragsverlängerung ginge über sein 65. Lebensjahr hinaus. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Kliniken hatte vor Pressevertretern gesagt: Wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ habe man einen Bewerber gewählt, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne. "Normale" ArbeitnehmerInnen werden meist sehr viel subtiler diskriminiert.
Die Klink zog es vor, einen jüngeren Mann (41) einzustellen. Der Geschäftsführer klagte wegen Altersdiskriminierung.
Das Landgericht in Köln wies die Feststellungsklage ab. Das Oberlandesgericht gab ihr im Wesentlichen statt. Dem Kläger sprach es eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern = 36.600 € zu. Die Kölner Kliniken wurden verurteilt, dem Kläger Leititis auch die materiellen Schäden zu ersetzen, welche ihm durch die nicht erfolgte Weiterbeschäftigung zumindest bis zum 65. Lebensjahr entstanden seien. Neben dem Schadensersatz für drei entgangene Jahresgehälter forderte der Kläger wegen der Altersdiskriminierung auch eine Entschädigung für die Persönlichkeitsverletzung. Da der Kläger den Ersatz des immateriellen Schadens in Höhe von 110.000 Euro beantragt hatte, ging Leititis ebenso in Revision wie die Kliniken.
Das BGH bestätigte das Urteil jetzt im Grundsatz. Die Klage wegen der Altersdiskriminierung des Klägers sei aus den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorgesehenen Gründen gerechtfertigt. Der Kläger habe Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen Schadens.
Wegen Fehlern bei der Feststellung dieser Schäden hat der BGH das angefochtene Urteil teilweise aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Laut Focus ist der 65-Jährige mittlerweile als Ärztlicher Direktor beim Klinikum Region Hannover beschäftigt.
AZ: BGH II ZR 163/10
Die Vertreter des Klägers Herrn Leititis waren:
Küttner (Köln): Dr. Tim Wissmann
von Plehwe & Schäfer (Karlsruhe): Dr. Thomas von Plehwe (BGH-Vertretung)
Die Vertreter der Kliniken waren:
Schlütter Bornheim Seitz (Köln): Dr. Thomas Kania
Dr. Waclawik (Karlsruhe): Dr. Erich Waclawik (BGH-Vertretung)
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