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Bericht über seniorenpolitische Konferenz des DGB

18.11.2012 - von Hartmut Jeromin

Die Kampfreserve … Mir raucht noch immer der Kopf, obwohl er das nicht müsste, denn die „Schlacht“ ist geschlagen! Die „jungen Alten“ wurden gerufen vom DGB (am 14.11.12 nach Fulda) und waren pünktlich und sehr zahlreich erschienen.

Klaus Schüller vom DGB-Bezirk Hessen-Thüringen führte kurz,knapp und präzise in die Problematik der Tagung ein (Solidarität für alle Generationen), danach legte Annelie Buntenbach dar, was in der Rentenpolitik so passiert und zu erwarten ist. Sie benannte auch die Belastungen der Risikogruppen im Sozialsystem. Und sie weckte Hoffnungen. Mit der Abwahl von Schwarz/Gelb im nächsten Jahr könnte sich vieles ändern in der deutschen Sozialpolitik, wenn wir unsere Forderungen jetzt benennen und richtig adressieren.

Und hier zeigten sofort die „Alterskraftunternehmen“, dass sie hellwach zuhörten. Denn es wurde gefragt, was die Referentin denn so sicher mache, dass Rot/Grün unter S. Gabriel beim möglichen Wahlerfolg künftig eine bessere Sozialpolitik macht?

Und: Wieso fordert der DGB nur einen Mindestlohn von 8,50 €? Die Arbeitsentgelte sind doch hinter den Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft enorm zurückgeblieben (Lohnquote fiel in 30 Jahren um 10%, die Arbeitsproduktivität stieg um 206 %, die Aktionäre bunkerten 288 Mrd €, und nicht die Lohnnebenkosten entscheiden in der Wirtschaft, sondern wie viel Umsatz und Gewinn sich je geleisteter Arbeitsstunde erzielen lässt!)

Auch die nächste Frage hatte es in sich: Wer sind denn wirkliche Bündnispartner für unsere Forderungen im Parlament? Das müsse noch erkundet werden! Mir fehlte aber die Frage nach den möglichen Gegnern und wie mit ihnen zu verfahren sei! Denn die Arbeitgeber und ihre Lobbyverbände sind bei der Verteilung des Kuchens – Volkseinkommen- besser organisiert und mit mehr Geld ausgestattet und sie waren deshalb in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreicher!

Was will der DGB dem entgegensetzen?

Die Produktivität in der Wirtschaft hat einen solchen Stand erreicht wie noch nie in der Geschichte und könnte uns einen sorgenfreien dritten Lebensabschnitt bieten.

Heute haben wir ein Volkseinkommen von 1.970 Mrd €, davon gehen 1.300 Mrd € an die lohnabhängigen Arbeitnehmer, 651 Mrd € an die Unternehmer! 40% der Lohnsumme werden aber noch in die Sozialkassen abgezweigt, einschließlich der darin enthaltenen Arbeitgeberanteile.- Laut A. Buntenbach gibt der DGB keine Wahlempfehlung, da wird an die Eigenverantwortung von rd. 20 Millionen Ruheständlern appelliert.

Trotzdem scheint mir die Schlacht geschlagen: Am gleichen Tage stand in den Zeitungen, Westrenten steigen um ca. 1%, Ostrenten aber um ca. 3%! Das könnte uns wiederum freuen, denn dann bekäme ja der Eck-Ostrentner 32,7 € und der Eckwestrentner 12,20 €.- Aber das hat seine Tücken: Denn die Erhöhung der Renten nach % ist nicht solidarisch!

Und: Am Vortag traf sich schon der GEW-BSA und formulierte seinen Antrag an den Gewerkschaftstag im Juni 2013: Anpassung der Ostrenten schneller erreichen, aber nicht auf Kosten der Westrentner … und richtig sagte A. Buntenbach am 14.11.12 als Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund (!) im Wahljahr noch heftige Diskussionen darüber voraus (s.SZ vom 14.11.12, Titelseite)!

Dieses Teile-und-Herrsche sicherte nämlich schon seit Adenauers Zeiten so manchen Wahlerfolg, weil: 20 Millionen Rentner sind in Deutschland ein erhebliches Wählerpotenzial!

Demgegenüber gingen solche Forderungen, wie bezahlbare Mieten für Senioren, Strompreise, Altersarmut, soziales Europa (s.u.), Riesterrente, Seniorenmitbestimmung und Altersdiskriminierung sowie demografischer Wandel etwas in den Hintergrund.

Wenngleich sich in der Mittagspause die Teilnehmer vor dem Tagungslokal sicht- und hörbar für die Öffentlichkeit, solidarisch mit den protestierenden Arbeitnehmern in Südeuropa erklärten.-

Und es wurde sehr klar: Es besteht ein steigender Bedarf an den Ergebnissen der seniorenpolitischen Arbeitsgremien, sowohl in der GEW als auch beim DGB. Ohne Geld wird das aber nicht zu machen sein. Bei aller Leistungsfreude, die sich auf der Konferenz offenbarte - Professor Lessenich aus Jena zeigte dann auch, wie der Neoliberalismus in Deutschland versucht, die „alte Kampfreserve“ vor den Wirtschaftskarren zu spannen. Es taten sich da Abgründe auf! Sollte es gängige Wirklichkeit werden, Altersarbeit als Humankapital für das Gemeinwohl zu verpflichten und nützlich zu machen, könnte es schlimmstenfalls darauf hinauslaufen, daß die „ Jungen Alten“ in Alterskraftunternehmen den Sozialstaat kostenneutral reparieren. Und dann wären Verhältnisse wie in Griechenland oder Spanien leicht denkbar!

Und: einen weiteren Schritt ist die Politik auf diesem Wege in Europa nun gegangen: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (s. Az C-174/11) hat entschieden, daß die sonst übliche Mehrwertsteuer jetzt auch von privaten Anbietern von Sozialleistungen (Pflege) nicht zu zahlen ist. Bisher waren nur öffentliche und gemeinnützige Wohlfahrtsverbände davon ausgenommen! Sollte der Antrag dazu von der FDP gestellt worden sein? Das wird gleich mal versuchen, herauszufinden - Hartmut Jeromin im traurigen November 2012.

Quelle: Mail an die Redaktion