Mülheim/Ruhr, 2012 Foto: H.S.
23.08.2023 - von Georg Seeßlen
Italien ist keine Demokratie mit einer rechten Regierung, sondern ein Musterbeispiel für das Zusammenspiel von postdemokratischem Neoliberalismus und Faschisierung der Gesellschaft. In der EU wird diese Entwicklung weitgehend ignoriert – auch weil es der Regierung Meloni noch gelingt, nicht alle Elemente ihrer Machtergreifung deutlich sichtbar werden zu lassen.
Über die verschlafene mitteleuropäische Presse kam, jedenfalls dort, wo sie noch Reste von sozialem Gewissen aufweist, die jüngste Nachricht aus dem (post-)faschistischen Italien wie ein kleiner Gruselschock: Per SMS hat die Regierung Giorgia Melonis Hunderttausenden Menschen mitgeteilt, dass sie von jetzt an keinen Anspruch auf den „reddito di cittadinanza“, das Bürgergeld, als Sozialleistung mehr hätten.
Die Kommunen waren so wenig auf diesen Coup vorbereitet wie die Betroffenen. Man hätte es allerdings wissen können, dass diese Sanierung der Staatsfinanzen auf Kosten der Armen in solch brachialer Weise kommen würde – und doch glaubten die meisten, die neofaschistische Regierung würde es unter den Augen der Weltöffentlichkeit doch nicht so weit treiben, wie es ihre Rhetorik des „runter vom Sofa“ vermuten ließ, mit der sie ihren Geldgebern von Industrie, Landwirtschaft und Tourismus billige Arbeitskraft zutreibt.
Nicht so sehr, weil nun diese Betroffenen, die plötzlich keine Miete, keine Mahlzeiten, keine Ausbildung für die Kinder mehr zahlen können, sogleich ins Billiglohn-Prekariat wechseln könnten, sondern weil sich Angst breit machen soll und mit der gleichzeitigen zähen Ablehnung des Mindestlohns von neun Euro pro Stunde, wie ihn die Opposition fordert, ein Heer der Arbeitsreserve gebildet werden soll, eine strukturelle Neosklaverei, auf der die „Melonomics“ ihr Wirtschaftsmodell aufbauen wollen. ...
Georg Seeßlen auf woxx.lu unter: Link
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