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Ministerin Nahles über Erwerbsminderungsrenten

Mülheim, 2013 Foto: H.S.

20.09.2014 - von C.S.

Nachricht: für Ihr Schreiben vom 3. Juni 2014, das im Ministerbüro vorgelegen hat, danke ich Ihnen im Namen von Frau Bundesministerin Andrea Nahles. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Ministerin Ihnen wegen der Fülle der täglich eingehenden Schreiben nicht persönlich
antworten kann. Aufgrund der Vielzahl der täglich eingehenden Schreiben sowie anderer prioritärer Aufgaben
komme ich leider erst heute dazu, Ihnen zu antworten.

Soweit Sie die Finanzierung einer abschlagsfreien Erwerbsminderungsrente für Rentenfälle ab 2001 sowie die Ausweitung der Verbesserungen des Rentenpakets bei den Erwerbsminderungsrenten auch auf die Bestandsrentner durch einen höheren Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung fordern, weise ich auf Folgendes hin:
Veränderungen im Rentenrecht wurden und werden immer am Leitprinzip der Generationengerechtigkeit ausgerichtet.

Die Finanzierung der Renten muss in diesem lichte und in
der Lastenverteilung gerecht zwischen den Generationen ausbalanciert werden. Die Renten der Älteren werden durch die Beiträge der Jüngeren getragen, die ihrerseits darauf
vertrauen können, dass die nachfolgenden Generationen ihre Rente sichern. Ziel der Reformen in der Rentenpolitik war und ist es, die Folgen der demografischen Veränderungen
generationengerecht auf Jung und Alt zu verteilen.

Dieses Ziel wurde durch die gesetzliche
Festlegung von Beitragssatzobergrenzen (nicht mehr als 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und 22 Prozent bis zum Jahr 2030) und von Mindestsicherungsniveaus (nicht weniger
als 46 Prozent bis zum Jahr 2020 und 43 Prozent bis zum Jahr 2030) umgesetzt.

U-Beitragssatzobergrenzen und Mindestsicherungsniveau haben den gleichen Stellenwert und sind Elemente des Grundsatzes der Generationengerechtigkeit. Gemeinsam gewährleisten sie, dass die Rentnerinnen und Rentner auch künftig auf sichere Renten vertrauen können, ohne die jungen Generationen durch ihre Beiträge zur Alterssicherung zu überfordern.
S
oweit Sie das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz), das am 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist und u. a. auch Regelungen zu Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten vorsieht,
ansprechen, ist darauf hinzuweisen, dass die Leistungsverbesserungen des Rentenpakets mit zusätzlichen Ausgaben verbunden sind.

Es ist klar, dass jetzt und in Zukunft auch Steuermittel zur Finanzierung herangezogen werden. Bereits heute fließen jährlich über 80 Mrd. Euro Steuergelder in die gesetzliche Rentenversicherung. Darüber hinaus beteiligt
sich der Bund ab 2019 auch an den ausgeweiteten Leistungen für Kindererziehung mit zusätzlichen Mitteln, die bis zum Jahr 2022 auf insgesamt rund 2 Mrd. Euro jährlich aufwachsen.

Die Finanzrechnung zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz zeigt, dass der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung durch die Maßnahmen des Rentenpakets langfristig bis zum Jahr 2030 um 0,4 Prozentpunkte höher ausfällt. Sowohl Beitragssatzsteigerungen als auch die höheren Rentenausgaben dämpfen künftige Rentenanpassungen.
Daher fällt das Sicherungsniveau vor Steuern langfristig geringer aus, im Jahr 2030 um 0, 7 Prozentpunkte.

Die Finanzrechnung zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz zeigt, dass die gesetzlichen Beitragssatzobergrenzen (nicht mehr als 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und 22 Prozent bis zum Jahr 2030) ebenso eingehalten werden wie das Mindestsicherungsniveau (nicht weniger als 46 Prozent bis zum Jahr 2020 und 43 Prozent bis zum Jahr 2030), so dass auch weiterhin eine ausgewogene Verteilung der finanziellen Folgen der demografischen Entwicklung sichergestellt ist.

Bei Ihrer Forderung - eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente für Rentenfälle ab 2001 sowie die Ausweitung der Verbesserungen des Rentenpakets bei den Erwerbsminderungsrenten auch auf die Bestandsrentner durch einen höheren Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zu finanzieren - würden hingegen die Beitragssatzobergrenzen erheblich verletzt - der Grundsatz der Generationengerechtigkeit wäre verletzt.

Soweit Sie fordern, dass niedrige Renten wegen Erwerbsminderung allgemein auf das Niveau der Grundsicherung angehoben werden, möchte ich auf Folgendes verweisen:

- Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung ist es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben infolge einer Erwerbsminderung eine Lohnersatzleistung zu gewährleisten. Die Höhe der Erwerbsminderungsrente richtet sich nach dem bisherigen Versicherungsleben und den darin zurückgelegten
rentenrechtlichen Zeiten. Dabei sind in erster Linie die Höhe der durch Beiträge versicherten Entgelte sowie die Anzahl der zurückgelegten Versicherungsjahre maßgeblich. Jemehr Beitragsjahre vorliegen und je höher die versicherten Arbeitsentgelte und -einkommen sind, desto höher ist die aus der jeweiligen individuellen Versicherungsbiografie berechnete Rente und umgekehrt (sog. Äquivalenzprinzip).

In der gesetzlichen Rentenversicherung werden für die Rentenberechnung aber unter bestimmten Voraussetzungen auch Zeiten berücksichtigt, in denen eigene Beiträge entrichtet wurden. Wer in jüngeren Jahren vermindert erwerbsfähig wird, hat in der Regel erst geringe Rentenanwartschaften aufbauen können. Aufgrund der Sicherungsfunktion der Erwerbsminderungsrente wird daher die sogenannte Zurechnungszeit hinzugerechnet.

Dabei knüpft die Bewertung der Zurechnungszeit an die tatsächlich erbrachte durchschnittliche
Vorleistung des Versicherten im übrigen Versicherungsleben an: Je höher und je häufiger Beiträge gezahlt worden sind, umso höher fällt auch die Bewertung der
Zurechnungszeit aus.

Eine darüber hinausgehende generelle Aufstockung von niedrigen Erwerbsminderungsrenten zu existenzsichernden Grundrenten - unabhängig von der Höhe und der Anzahl
der geleisteten Beiträge - liefe dem o. g. Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung
zuwider, da das System der gesetzlichen Rentenversicherung auf dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruht.

Die gesetzliche Rente ist damit - im Unterschied zur Grundsicherung - eine auf den Prinzipien von Vorleistung und Leistung beruhende Versicherungsleistung, die weder bedarfsorientiert noch bedürftigkeitsabhängig ist.

Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Antwort geben zu können, hoffe jedoch, mit meinen Hinweisen wenigstens zu einem besseren Verständnis der Rechtslage beigetragen zu
haben.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Link: Petition Erwerbsminderungsrenten
Quelle: Mail an die Redaktion

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