Diskriminierung melden
Suchen:

Und wie du wieder aussiehst .... Speedating für Arbeitsuchende

Plakatwand-Aktion 1984 Fototeam

04.08.2016 - von N.F.

Ich bin 52 Jahre alt und seit mehr als zwei Jahren arbeitssuchend. Vor kurzem erhielt ich - initiiert durch mein zuständiges Jobcenter - die Einladung zu einem sogenannten Job-Speed-Dating. Der Begriff Speed-Dating ist durch Singlebörsen und Parntervermittlungen bekannt geworden: In einem schnellen Bäumchen-Wechsel-dich-Verfahren eilt man von potenziellem Partner zum nächsten und hat wenige Minuten Zeit, sich und seine Vorzüge anzupreisen. Dieses Prinzip wird nun seit einiger Zeit auch auf den Arbeitsmarkt übertragen. Soweit so gut.

Die Vorbereitung der Arbeitssuchenden für diese Veranstaltung übernimmt nicht das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit, sondern ein Unternehmen, das hierfür Trainer bzw. Coaches, Fotografen etc. beschäftigt.

Innerhalb dieses Rahmens saß ich nun eines morgens meinem persönlichen Coach gegenüber – einem Mann, etwa Ende Dreißig. Wir stellten uns einander vor, sprachen intensiv und lange über Lebenslauf, Werdegang, Fähigkeiten und Erwartungen. Der Coach ging durchaus kompetent auf meine Fragen ein und trainierte mit mir schnelle Bewerbungsgespräche.

Wir waren mit diesem Vorbereitungsgespräch fast am Ende angelangt, als er plötzlich sagte: „Ich vermute, Sie tragen Ihre Haare bewusst sehr wuschelig und möchte Ihnen raten, für den Job-Speed-Dating-Termin etwas mehr Liebe darauf zu verwenden.“

Ich meinte zunächst, mich verhört zu haben! Ich fühlte mich wie eine Vierjährige, deren Mutter gleich mit einem bespuckten Taschentuch durch Haare und Gesicht streifen würde.

Noch während ich darauf hinwies, dass meine Frisur durchaus meiner Persönlichkeit und meinem Naturell entspricht und ich nicht bereit sei, für diesen Termin plötzlich eine andere zu spielen, fuhr er fort: „Und auch Ihre Bluse könnten Sie etwas bügeln.“

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich den Coach und dieses Unternehmen verlassen sollen.

Ich habe es nicht getan – vielleicht aus einer verinnerlichten Angst heraus, den Vorgaben durch das Jobcenter gerecht werden zu müssen. Schlimm genug, dass ich diese Angst habe!

Ich empfinde es als empörend, dass ich mich als arbeitsuchende, ältere Frau von diesem Mann derart anmaßend und beleidigend zurechtweisen lassen muss. Darüber hinaus wirft es die Frage auf, nach welchen Kriterien potenzielle Arbeitnehmer ausgesucht werden? Passe ich nicht in die Form, wenn ich Naturwelle trage? Ist es unpassend, Stoffe und Farben zu tragen, die dem gängigen (aal)glatten Businessgrau widersprechen? Hierzu muss ich anmerken, dass ich nicht in einer Branche tätig bin, die eine Kleiderordnung vorschreibt.

Vielleicht sollten demnächst vorab Benimm-Coachings für Coaches angeboten werden. (Gaaanz langsam, zum Mitdenken!)

Link: Keine Arbeit mit 55: Wie den Rentenanspruch erhöhen?
Quelle: Mail an die Redaktion