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Seniorenvertretung, Seniorenbeirat, was ist das???

30.12.2006 - von Hanne Schweitzer

Der Sinn und Zweck von Seniorenvertretungen, Seniorenbeiräten oder Seniorenräten soll es sein, sich gegenüber Rat und Verwaltung für die Belange älterer Menschen einzusetzen.

Viele Seniorenvertretungen sind aber nüchtern gesehen ein Flop. Was als Lobby für 60plusser gegenüber den Kommunalverwaltungen gedacht war, entpuppt sich allzu oft als Beschäftigungstherapie, Demokratieplacebo oder Beruhigungspille.

Oft stellen sich altgediente Funktionäre aus Parteien und Verbänden zur Wahl. Durch ihre unverbrüchliche Loyalität zu ihren früheren Arbeitgebern oder ideologischen Ziehvätern verhindern sie mitunter schon das Aufkommen kritischer Fragen.

1972 wurde in Altena in Westfalen eine der ersten Seniorenvertretungen bundesweit gegründet.

In Berlin hat das Abgeordnetenhaus am 18.05.2006 mit den Stimmen der SPD, der Linkspartei.PDS, der Grünen und der FDP das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz verabschiedet, das von den Seniorenorganisationen Berlins schon seit vielen Jahren gefordert wurde.

Das Gesetz zur Stärkung der Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben im Land Berlin (Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz - BerlSenG) ist das erste Landesseniorengesetz in D.!!!

Anders als in Berlin existiert aber z.B. in NRW keine gesetzliche Grundlage für die ehrenamtliche politische Arbeit von Älteren für Ältere. Jede Kommune entscheidet eigenständig darüber, ob eine Seniorenvertretung zugelassen wird, und welche Form der Mitwirkung man ihr zugesteht.

Deshalb sind Organisationsformen, Zusammensetzung, Aufgaben und Mitwirkungsmöglichkeiten der Seniorenvertretungen ebenso unterschiedlich wie ihre Ausstattung mit finanziellen Mitteln oder Räumlichkeiten. Während einige Kommunen den SeniorenvertreterInnen als "sachkundige Bürger" ein Anhörungsrecht und/oder ein Antragsrecht gegenüber der Verwaltung zugestehen, obliegt in anderen Gemeinden sogar die Geschäftsführung der Seniorenvertretung der Verwaltung. Die Mitwirkungsmöglichkeiten schwanken also vom tatsächlichen Mitwirken bis zur eventuellen Mitwirkungsmöglichkeit.

So hat z.B. der Seniorenbeirat von Recklinghausen die Möglichkeit, in allen Fragen, die das öffentliche Wohl der älteren BürgerInnen betreffen, Anträge an den Rat oder die Ausschüsse zu stellen. Und bei allen Entscheidungen, die für die örtliche Seniorenschaft von Bedeutung sind, soll der Seniorenbeirat von den zuständigen kommunalen Organen nicht nur gehört werden, sondern empfehlend oder initiativ bei Planungen mitwirken.

Einklagbare Mitbestimmungsrechte hat aber auch der Seniorenbeirat in Recklinghausen oder der in Düsseldorf nicht.
Dazu bräuchte es ein Gesetz, wie es die Berliner Senioren nach langjährigem Bemühen endlich durchgesetzt haben.

Eine Besonderheit in der Tiefebene der bundesdeutschen Seniorenmitbestimmungslandschaft:

Das Altenparlament in Kiel

Seit 1989 nehmen z.B. schleswig-holsteinische Senioren einmal im Jahr für einen Tag in den Sesseln der Abgeordneten Platz. Auf Einladung des Landtagpräsidenten diskutieren sie im Landeshaus über die Themen, die ihnen unter den Nägeln brennen.

Grundgedanke war die Idee, "nicht nur über Senioren sondern mit Senioren zu reden um ihre Probleme und Wünsche kennen zu lernen und ihnen mehr Gewicht zu verleihen".

Und so arbeitet das Altenparlament:

Delegierte des Landesseniorenrates, der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände, des Sozialverbands Deutschland, der Gewerkschaften,Beamtenvertretungen und Parteien formulieren Anträge, beraten sie in Arbeitsgruppen und geben Empfehlungen ab. Diese werden von allen Teilnehmern in einer abschließenden Debatte diskutiert, mitunter verändert und schließlich vom Plenum beschlossen.

Den gesamten Tag sind Abgeordnete der im Landtag vertretenen Fraktionen und des SSW, als sachkundige Berater und interessierte Zuhörer dabei.

Die Beschlüsse des Altenparlamentes werden den im Landtag vertretenen Parteien, der Landesregierung und den schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten zur Stellungnahme vorgelegt.

Die Beschlüsse beeinflussen die politischen Entscheidungen, sind aber nicht bindend.
Eine nachbereitenden Diskussionsrunde zwischen Altenparlamentariern und Seniorenpolitischen Sprechern der Fraktionen über die Stellungnahmen der Politiker zu den Beschlüssen des Altenparlamentes findet im Abstand von etwa einem halben Jahr statt.

Die Kölner Seniorenvertretung hat laut Wahlordnung von 2006 folgende Aufgaben:

- Sie informiert und berät die Angehörigen der eigenen Generation über die individuellen Möglichkeiten im persönlichen Lebensbereich mit dem Ziel, Aktivitäten und Selbstständigkeit zu fördern und solange wie möglich zu erhalten.

- Sie informiert die Öffentlichkeit über grundsätzliche Möglichkeiten und Entwicklungen der Seniorenhilfe und - politik, auch mit der Zielsetzung, ältere Mitbürger und Mitbürgerinnen zur aktiven Mitarbeit in allen Lebensbereichen anzuregen.

- Sie bewahrt die Interessen der eigenen Generation durch Zusammenarbeit mit dem Amt für Soziales und Senioren und den übrigen Dienststellen der Stadt Köln, den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege und sonstigen seniorenrelevanten Einrichtungen.

- Sie berät Rat und Verwaltung der Stadt Köln, Träger der freien Wohlfahrtspflege sowie sonstige seniorenrelevante Einrichtungen im Vorfeld von Entscheidungen über Planungen und Maßnahmen mit Relevanz für die ältere Generation.


siehe auch:
Köln - Wahlordnung zur Seniorenvertretung hat Lücken
Link
+++ Seniorenvertretung, Beispiel Düsseldorf Link
Kölner Seniorenvertreterwahl- Demokratisch ist etwas anderes Link
Klüngel bei Kölner Seniorenvertreterwahl Link
Köln: Seniorenvertreterin legt Mandat nieder Link
Bremer Seniorenvertretung mischt sich ein Link
Bremen: Grüne attakieren Seniorenvertretung Link
Remscheid: Ratsmehrheit schafft Seniorenbeirat ab
Link
Seniorenvertretung Köln München - ein Vergleich Link
Seniorenvertretung München: Klare Verhältnisse
Link
Seniorenvertretung Bremen und Edeka Link
Nürnberger Stadtseniorenrat: Sehr gut Link
Seniorenbeiräte und Alleinvertretungsanspruch
Link
NRW: Seniorenbeiräte ohne Rechte, Integrationsbeiräte bald auch? Link
Seniorenbeirat Hagen weht sich gegen Abschaffung Link

Link: Köln: Wahlordnung zur Seniorenvertretung hat Lücken
Quelle: Hanne Schweitzer in Rund ums Alter, Verlag C.H. Beck

Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema Ehrenamt:
10.12.2006: Bürgervertreter: 60Jährige bei SPD unerwünscht
13.11.2006: Senioren als SängerInnen unerwünscht
01.09.2006: Ehrenamt: Europäische Studie erschienen

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