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Raffelhüschen lässt Katze aus dem Sack

08.10.2005 - von Hanne Schweitzer

Fast wäre es im Wust des Papiers untergegangen. Aber das kleine Interview, das Bernd Raffelhüschen der FAZ zum Thema Rente gegeben hat, sollten Sie kennen.

Falls Sie nicht so genau wissen, wer Raffelhüschen ist - der ist wer:
Mitglied im Aufsichtsrat der ERGO Versicherungsgruppe und der Volksbank Freiburg, wissenschaftlicher Berater der Victoria Versicherung AG, Mitglied des Vorstands der Stiftung Marktwirtschaft, Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Beiratsmitglied der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und
Vortragsreisender für die private Versicherungswirtschaft, beispielsweise mit 40 Veranstaltungen für die Heidelberger MLP AG im Jahre 2004 und weiteren im Jahre 2005.
Raffelhüschen, Jahrgang 1957, arbeitet auch als Politikberater: Von 2002 bis 2003 als Mitglied der Rürup-Kommission zur Zukunft der Sozialen Sicherungssysteme, als Berater des Generaldirektorats für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission und des Sozialministerium in Baden-Württemberg. Ausserdem ist er seit 1995 Professor für Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.

Der umtriebige Raffelhüschen gibt im politischen Leben der Bundesrepublik so etwas wie den Frontmann der Herren und Damen, die ebenso zügig wie ungehindert an der feindlichen Übernahme des Sozialstaates durch die Versicherungswirtschaft arbeiten.

Ein gutes Stück mit diesem Plan ist die Versicherungswirtschaft dank der vom umtriebigen Raffelhüschen (und anderen) propagierten Teilprivatisierung der Rente vorangekommen. Der Grund, warum sich Raffelhüschen und seine Kollegen so ins Zeug legen, hat mit einer Notiz in der FAZ vom 12.3.2007 zu tun. Auf Seite 37 war zu lesen: Der Stundensatz, den Professor Bernd Rürup für Vorträge erhält, betrage 14.500 Euro.

Die Rürup-Rente verschafft der Versicherungswirtschaft einige Vorteile. Beiträge zur Finanzierung der Rentenversicherung, die bisher in die Kassen des Staates gefloßen sind und auch dort verwaltet wurden, fließen nun auf die Konten der Privatwirtschaft. Sie verfügt dadurch über eine neue, zuverlässig sprudelnde Einnahmequelle und viel frisches Geld für den globalen Finanzmarkt. (Der "Runde Tisch der Europäischen Wirtschaftsführer" hat schon seit Beginn der 80iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts darauf hingearbeitet, große Stücke aus dem Kuchen der europäischen Sozialversicherungen auf den eigenen Teller zu schaufeln.)

Aber nicht darauf bezieht sich Raffelhüschen - stattdessen:
1.
"... die Durchschnittsrente ist
sicher, insofern es keine unvorhersehbaren Einbrüche in der Beschäftigung und der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik kommt." (Satzbau und Wortwahl original FAZ)
2.
Das Netto-Rentenniveau sinkt von 70 Prozent der früheren Tage (!) auf 52 bis 53 Prozent des Bruttoeinkommens.
3.
"Wer heute zwischen 20 und 30 Jahren alt ist, der sollte rund 6 Prozent seines Bruttoeinkommens sparen. Mit 40 sollten es 7 bis 8 Prozent sein. Je älter Sie werden, um so geringer schmerzen Sie die aktuellen Rentenkürzungen, aber um so weniger Zeit hat der Zinseszinseneffekt, für Sie zu arbeiten". (Satzbau und Wortwahl original FAZ)
4.
"Ein Problem ist das vor allem für Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen."
5.
"Die" (gemeint sind nicht die mit unterdurchschnittlichem Einkommen sondern die ´Bevölkerung`), "Die haben noch nicht verstanden, daß der Staat kein Rentenproblem mehr hat, der Bürger aber nun ein Vorsorgeproblem."

Bernd Raffelhüschen hat wohl eher ein Nachsorgeproblem, denn ein Kamel geht eher durch ein Nadelör als das ein Reicher in den Himmel käme.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?ID=936
Quelle: FAZ, 1.10.05.

Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema Rente:
04.10.2005: Rentenversicherungsträger fusionieren
28.09.2005: Sächsische Rentenanstalt: Untreue von Direktoren
24.09.2005: Rentengerechtigkeit? E. Braun schreibt an Stoiber

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