Foto: H.S.
10.04.2020 - von A. Mayer
Ich höre derzeit viele kritische Stimmen, die der "besonderen Fürsorge" für die alten Menschen keinen Glauben schenken. Eine davon: "Es wird wohl mehr Corona-Opfer geben durch die Isolation in den Alten- und Pflegeheimen als durch das Virus selbst."
Eine Sterbegleiterin darf dim Hospiz keine Sterbenden mehr begleiten. Hier frage ich mich nach der Sinnhaftigkeit - Kopfschütteln!
Eine Freundin meiner Mutter, hochbetagt dazu: "Es dürfen keine Alten mehr sterben".
Eine MS-Kranke im Rollstuhl:" Diese Isolation ist schlimmer als die Krankheit".
Die Aussagen, dass wohl die meisten Todesfälle unter alten Menschen zu finden sind - meistens mit Vorerkrankungen, schaffen Verwirrung. Geht es um die Angst wegen nicht genügend vorhandener Notbetten?
Doch nun ein Einzelfall, der sicher keiner ist:
Zuletzt hatte ich meine Mutter vor vier Wochen gesehen ... Trotz ihres hohen Alters, quicklebendig und lebensfroh. Sie lief gut mit ihrem Rollator, ging morgens, nachmittags und abends ins Restaurant, aß in einer betreuten Gruppe.
So war es, bevor ich vor verschlossenen Türen stand.
Es machte mich traurig und hilflos. Denn eigentlich zählt in diesem Alter das Zusammensein jedes Mal.
Leider ist meine Mutter seit ein paar Monaten schwerhörig und Telefonate sind deshalb nicht mehr möglich.
Sie wurde immer zweimal wöchentlich zusätzlich durch eine private Betreuung versorgt, sie hatte Physiotherapie, Ergotherapie und Hundebesuch. Über meine Anwesenheit freute sie sich immer ganz besonders.
Von heute auf morgen wurden all diese Kontakte gesperrt, und die Tatsache, dass sie ab sofort von morgens bis abends auf ihrem Zimmer sitzen und zu den Mahlzeiten vor einem Tablett sitzen muss, bereitete mir Sorgen und diese bestätigten sich nach kurzer Zeit: Meine Mutter wollte sich nicht mehr ausziehen lassen. Dann, kurze Zeit später, verweigerte sie das Essen... Der Pflegedienst rief mich an, man mache sich Sorgen. Auch weine sie den ganzen Tag. Alle Heimbewohner seien derzeit sehr verstört... sagte der Pflegedienst.
Auf eine Anregung hin, kam dann nach vier Wochen eine erste Begegnung auf die Ferne zustande - in einem der Büroräume Parterre, sie drinnen, ich draußen auf Distanz.
Ich habe einen Schock erlitten und mein erster Gedanke: "Ich komme zu spät".
Auf meine Rückfrage, warum sie im Rollstuhl gebracht wurde: Nun verweigere sie auch zu gehen.
Sie erkannte mich kaum, war wie versteinert. Ohne Lebensfunken. Hat sich aufgegeben.
Am folgenden Tag habe ich nur geweint.
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