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Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen - Aufnahme von Staatszielen und Stärkung von Gleichheitsrechten

12.10.2020 - von CDU-Fraktion Thüringen

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU:
Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen - Aufnahme von Staatszielen und Stärkung von Gleichheitsrechten
A. Problem und Regelungsbedürfnis

I. Der demographische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Der Anteil älterer Menschen in Deutschland nimmt kontinuierlich zu. In zahlreichen ostdeutschen Kreisen ist bereits mehr als jeder vierte Einwohner älter als 65 Jahre. Diese große Gruppe der älteren Bevölkerung ist tatsächlichen oder potenziellen Diskriminierungen ausgesetzt. So wurde zuletzt im Zusammenhang mit der Covid-19- Pandemie unter dem Begriff "Triage" verstärkt diskutiert, ob eine altersspezifische Priorisierung bei der Vergabe medizinischer Leistungen rechtlich zulässig sei.
Diskriminierungen wegen des Alters betreffen nicht nur Menschen im hohen Alter, sondern auch junge Menschen. Beispielhaft können hierfür Fragen der Generationengerechtigkeit oder ganz alltägliche Benachteiligungen, etwa bei der Suche einer neuen Wohnung oder beim Anmieten eines Fahrzeugs, benannt werden. Oft kommt es zu Schnittmengen mit anderen Diskriminierungsdimensionen: Beispielsweise unterliegen Frauen in dem Alter, in dem ein Kinderwunsch unterstellt wird, einem besonders hohen Diskriminierungsrisiko.

II.
1. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement sind tragende Säulen unseres Gemeinwesens.
Ehrenamtliche sind in unserem Land überall und in allen Bereichen zu finden. In Thüringen leisten rund 850.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Engagement einen unverzichtbaren Beitrag zu unserem lebenswerten Land. Ehrenamtliche stehen anderen Menschen zur Seite, sie sorgen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und schaffen ein Stück Heimat. Besonders im ländlichen Raum und insbesondere in den Gebietskörperschaften, die von einem starken Bevölkerungsrückgang und den damit einhergehenden Folgen betroffen sind, ist das ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagement unverzichtbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

2. In der Verfassung des Freistaats Thüringen ist das Demokratieprinzip als Herrschaft auf Zeit umgesetzt. In der parlamentarischen Demokratie kann es dabei zu einer überwiegenden Ausrichtung an den Interessen und Bedürfnissen der Gesellschaft und Wählerschaft der Gegenwart kommen. Denn die Verfahren der
Gesetzgebung und Regierungshandeln orientieren sich in erster Linie an der Gegenwart oder der näheren Zukunft. Fragen und Probleme der Vorsorge für die dauerhafte und nachhaltige Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen treten systembedingt zurück. Dies stellt uns bei der Erfüllung generationenübergreifender Aufgaben, insbesondere bei der Gestaltung interessengerechter Klimapolitik, aber unter anderem auch bei der Sicherung finanzieller Handlungsspielräume des Landeshaushalts, vor große Herausforderungen.

3.Thüringen ist vielfältig. Innerhalb unseres Freistaats bestehen erhebliche Unterschiede in den regionalen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie bei der Sicherung der Mobilität oder etwa beim Zugang zu Angeboten der Daseinsvorsorge. Regionale Unterschiede sind für sich genommen wünschenswert, da Nachteile in einem Bereich Vorteilen in anderen Bereichen gegenüberstehen, allerdings muss gewährleistet sein, dass Regionen und ihre Bewohner überall im Land gleichwertige Chancen auf Entwicklung haben.

4. Im Freistaat Thüringen lebten 2017 insgesamt 132.000 Menschen mit Migrationshintergrund, das entspricht gut sechs Prozent der Bevölkerung unseres Bundeslandes. Der Bevölkerungsanteil der Personen mit Migrationshintergrund hat sich seit 2011 in Thüringen nahezu verdoppelt. Die Entwicklung hat sich durch die Fluchtmigration der letzten Jahre beschleunigt. In der Altersgruppe der 20- bis unter 26-Jährigen liegt der Anteil ausländischer Menschen in Thüringen regional unterschiedlich zwischen 13 und 20 Prozent. Eine kulturell heterogenere Bevölkerung führt vielfach zu Sorgen hinsichtlich des Zusammenhalts im Land. Die Integration der Menschen, die rechtmäßig und auf Dauer in Thüringen leben, ist der Schlüssel, um die Risiken kultureller Separation, sozialer Exklusion und der Schädigung des sozialen Friedens zu begegnen.

III. Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft. Deshalb ist das Engagement gegen Benachteiligungen und Diskriminierung ein hochrangiges An-liegen. Dieser Überzeugung wird rechtlich insbesondere durch die Gleichheitsrechte in Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen Ausdruck verliehen.Chancen sollen sich gemäß Artikel 2 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen nicht aus der Herkunft, Abstammung, ethnischen Zugehörigkeit, sozialen Stellung, Sprache, politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung ergeben. Der Grundintention nach wünschenswerten Bestrebungen zur Förderung gesellschaftlicher Offenheit und Vielfalt neigen jedoch häufig dazu, das Ziel der Chancengleichheit zu vernachlässigen.Im Bereich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern drohen viele Ansätze von Vielfaltsprogrammen wegen Verstoßes gegen Artikel 33 Abs.2 des Grundgesetzes sogar die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit zu überschreiten. Bestrebungen, die Personalstruktur des öffentlichen Dienstes an einer gleichmäßigen Repräsentation von Gruppen auszurichten, die nach Identitätskriterien definiert werden, sind verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ist vor solchen Zielen unbedingter Vorrang einzuräumen.

B. Lösung
I. Der besondere Schutz der Unabhängigkeit, der Teilhabemöglichkeiten, der Selbstverwirklichung und der Würde von alten und jungen Menschen wird durch die Aufnahme eines Altersdiskriminierungsverbotes in die Verfassung des Freistaats Thüringen gestärkt.

II.
1. Die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes soll unter besonderen Schutz gestellt und verbunden mit einem Förderauftrag als Staatsziel formuliert werden.

2. Die demokratiestaatliche Aufgabe der nachhaltigen, dauerhaften Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen soll als Staatsziel nicht auf einzelne Sektoren der Politik begrenzt und deren Berücksichtigung bei staatlichem Handeln verpflichtend werden.

3. Das Herstellen gleichwertiger Lebensverhältnisse wird als neues Staatsziel in die Verfassung des Freistaats Thüringen aufgenommen.

4. Die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und Maßgaben zur Integration von Menschen, die sich rechtmäßig auf Dauer im Freistaat aufhalten, sollen als Staatsziel in die Verfassung des Freistaats Thüringen aufgenommen werden.

III.Das Gebot der Bestenauslese bei der Besetzung öffentlicher Ämter wird in der Verfassung des Freistaats Thüringen verankert.

C. Alternative
Beibehaltung der bestehenden Rechtslage

D. Kosten
Aus der Verfassungsänderung entstehen
keine unmittelbaren Mehrkosten.


Vorabdruck verteilt am 23. September 2020 Druck: ThüringerLandtag, 12. Oktober 2020 Thüringer Landtag 7. Wahlperiode 23.09.2020, Drucksache 7/1629

Quelle: Thüringer Landtag