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Schlesinger ist keine ARD-Vorsitzende mehr + keine Chefin des RBB

Foto: H.S.

26.08.2022 - von Hanne Schweitzer

Der informativste Beitrag über den Rücktritt von Patrizia Schlesinger als Intendantin des RBB stand in einem Kommentar von Anette Dowideit in der WELT. Sie zitiert aus dem Rücktrittsschreiben der ehemaligen Journalistin, die es an die Spitze einer Öffentlich-Rechtlichen Anstalt geschafft hatte, und das am 7.8.2022 an den Rundfunkrat des Berlin-Brandenburger Senders geschickt wurde.
„Hiermit verzichte ich (...) auf die Fortsetzung meines Dienstverhältnisses“, schreibt Schlesinger darin. Den Verzicht begründet sie so: die „persönlichen Anwürfe und Diffamierungen“ hätten „ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben“. Schlesinger weiter: „Dieser Verzicht erfolgt gemäß der vorgenannten vertraglichen Regelungen unter Beachtung einer Ankündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsschluss mit Wirkung zum 28. Februar 2023. Ich bin bereit, diese Ankündigungsfrist im gegenseitigen Einvernehmen mit dem RBB zu verkürzen, wenn sichergestellt ist, dass es sich dabei um einen vertragsgemäßen Verzicht (...) handelt. Ich bzw. mein Anwalt haben Ihnen hierzu bereits einen Vorschlag unterbreitet.“ Will sagen: Schlesinger fordert eine Abfindung wenn sie "ihr Amt" sofort niederlegt.

Deals dieser Art sind in den Chef-Etagen der Republik ebenso üblich, wie die Grundvergütung, die Patricia Schlesinger bezogen hat - 303.000 Euro pro Jahr plus Sachbezüge und zusätzliche Leistungen für Tätigkeiten bei der ARD und 20.000 Euro Sonderbonus, die Schlesinger laut Süddeutscher Zeitung für das Erreichen von Einsparzielen im Sender erhalten habe. (Diese zusätzlichen Bezüge veröffentlicht der Senderverbund seit 2020 nicht mehr!) Dazu muss man wissen: Die Intendantin des RBB, Schlesinger, hat nicht zu den Top-Verdienern unter den ARD-Intendanten gehört. Tom Buhrow, Intendant des WDR und nach Schlesingers Rücktritt erneut Vorsitzender der ARD, verdient mehr, sehr viel mehr. Siehe dazu: Link Außer den freien Mitarbeitern (wenn sie nicht gerade in Kiew sind), werden eigentlich alle in diesem System ungewöhnlich gut für ungewöhnlich wenig Arbeit bezahlt und ihre Betriebsrenten sind auch nicht von schlechten Eltern! H.S.

Wie Business Insider* am 9.8.2022 meldet, hat inzwischen auch der Chefkontrolleur des Senders, der RBB-Verwaltungsratschef, Wolf-Dieter Wolf, sein Amt niedergelegt, außerdem seinen Job als Aufsichtsratschef bei der Werbetochter des Senders, RBB Media, und seinen Posten als Aufsichtsrat bei der Messe Berlin. Am gleichen Tag wurde laut Spiegel die Leiterin der Hauptabteilung Intendanz des RBB, Verena Formen-Mohr, mit sofortiger Wirkung freigestellt. Der Fisch stinkt vom Kopf!

Laut Berichterstattung der Bildzeitung am 9.8., ist Schlesinger noch nicht von ihrem Amt zurückgetreten. Die RBB-Verwaltungsratschefin Dorette König soll erklärt haben: »Schlesinger nimmt nur keine Aufgaben mehr für den RBB wahr.« Sie komme, so König, nicht mehr ins Haus und habe keinen Zugang zum System. »Deshalb ist sie nun im Urlaub.« Bis Ende der Woche wolle der RBB prüfen, ob sie freigestellt oder eine andere Vereinbarung (siehe oben) getroffen werde.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nun doch Ermittlungen wegen Untreue und Vorteilsnahme gegen Patricia Schlesinger und ihren Ehemann, Gerhard Spörl, einen früheren Spiegel-Journalisten aufgenommen. Ebenso ermittelt sie gegen Wolf-Dieter Wolf.

11.8.2022: Abfindung für Schlesinger?
Die FAZ berichtet über eine eventuelle Abfindung für Frau Schlesinger, wie sie ja in ihrem Arbeitsvertrag fixiert ist: Dazu der brandenburgische CDU-Fraktionschef Jan Redmann: „Ein goldener Handschlag zulasten der Beitragszahler erscheint in dieser Situation nicht vermittelbar, wenn eine Kassiererin für einen unterschlagenen Pfandbon gekündigt wird, muss das erst recht für eine herausgehobene öffentliche Repräsentantin gelten.“

12.8.2022: Schlesinger, 15.000 Euro Pension im Monat
"Die Pensionsansprüche Schlesingers – 15.000 Euro monatlich – dürften nach Einschätzung von Arbeitsrechtler Kortmann durch die ihr vorgeworfenen Verfehlungen nicht gefährdet sein. Selbst dann nicht, wenn sich diese bewahrheiten sollten. „Pensionsansprüche sind eine Anwartschaft, die durch die bereits geleistete Arbeit verdient wurde. Sie können deshalb in der Regel nicht widerrufen werden.“
WELT, Printausgabe, 12.8.2022 S.4

13.8.2022: Merz fordert Reformen
In der Affäre um die zurückgetretene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat CDU-Chef Friedrich Merz den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Reformen aufgefordert.
In einem Gastbeitrag für die „Badischen Neuesten Nachrichten“ (Samstag) stellte er zugleich das Nebeneinander von ARD und ZDF in Frage. „Die Schlesinger-Affäre hat das Potenzial, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland endgültig die Legitimationsgrundlage und öffentliche Akzeptanz zu entziehen.“ ARD und ZDF hätten jetzt vielleicht eine der letzten Gelegenheiten, zu beweisen, dass sie es aus eigener Kraft heraus schaffen, Fehler zu korrigieren und Veränderungen auf den Weg zu bringen."Merz weiß sehr genau, dass ein in sich geschlossenes System wie die ARD nicht erfolgreich von Innen reformiert oder von Außen kontrolliert werden kann.
Siehe: Link In Frankreich wurde unlängst in erster Lesung - mit den Stimmen des gesamten rechten Abgeordnetenblocks - die Abschaffung der Rundfunkgebühren beschlossen. Dem soll ein ein Handel zwischen Macron und Marine Le Pen vorausgegangen sein. Der passende Medienmogul wartet schon auf die fette Beute. ... siehe altersdiskriminierung.de unter: 11.8.2022: Link

15.8.2022: Schlesinger nicht mehr Aufsichtsratschefin der Degeto
Die immer noch nicht zurückgetretene RBB-Intendantin Schlesinger ist vom amtierenden Intendanten Hagen Brandstäter, als Mitglied des Aufsichtsrates der Degeto abberufen, wo Patricia Schlesinger bisher Aufsichtsratschefin war. Die Degeto ist eine ARD-Gemeinschaftseinrichtung, (also eine Geldverteilungsmaschine), die unter anderem für fiktionale Serien und Spielfilme zuständig ist.
Kölner Stadt-Anzeiger, Printausgabe15.8.2022.

15.8.2022: Rundfunkrat entlässt Schlesinger
Der Rundfunkrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) hat am Montag die (fast) zurückgetretene Intendantin Patricia Schlesinger mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt abberufen. 22 Mitglieder des Rundfunkrats stimmten für das Ende der Zusammenarbeit mit der 61-Jährigen – es gab eine Enthaltung. Als Gründe wurden Dinner in der Privatwohnung von Schlesinger angeführt, die von ihr über den RBB abgerechnet worden waren. Auch ging es um eine Reise nach London mit ihrem Ehemann und Freunden, über die Business Insider berichtet hatte.
Business Insider unter: Link
Der Redaktionsausschuss beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat die Offenlegung sämtlicher Boni im Haus gefordert. In der Stellungnahme »Alles offenlegen!« forderte der Ausschuss den Rundfunkrat auf, bei seiner Sitzung zu veranlassen, dass sämtliche Verträge, Boni, leistungsabhängige Gehaltsanteile, Prämien, Geschäfts-, Wirtschafts- und Sonderberichte im Sender offengelegt werden. (dpa/jW)

17.8.2022: Lesenswerter FAZ-Beitrag zum Prämiensystem des RBB
unter: Die Bonuszahlungen, die es angeblich nicht gibt, heißen „flexible Gehaltanteile“ oder „Zielprämie“. Link

17.8.2022: Auch das mittlere Management des RBB profitierte
Von dem 2018 von Schlesinger eingeführten System profitierten auch weitere Führungskräfte im mittleren Management. Hagen Brandstäter, der amtierende RBB-Intendant, hatte im Potsdamer Landtag von 27 herausgehobenen Mitarbeitern des Senders gesprochen, für die das variable Gehaltssystem gelte.
Tagesspiegel unter: Link

18.8.2022: Ende der Bonus-Zahlungen für Führungskräfte beim RBB
Der geschäftsführende Intendant des Rundfunks Berlin-Brandenburg, Brandstäter, hat ein Ende der umstrittenen Bonus-Zahlungen für Führungskräfte des Senders angekündigt. Bereits in diesem Jahr sollen demnach die Sonderprämien nicht mehr in Anspruch genommen werden. Brandstäter betonte, man werde den Verwaltungsrat um Prüfung bitten, das System so nicht weiter fortzuführen. Zuvor hatte die Geschäftsleitung des Senders (Intendantin plus vier Direktorinnen und Direktoren) der Belegschaft die Höhe der Bezüge der vier Direktoren offengelegt. Sie betragen demnach zwischen 196.000 und 230.000 Euro; die leistungsorientierte zusätzliche Vergütung lag zwischen rund 30.700 und knapp 39.200 Euro.
Deutschlandfunk unter: Link

19.8.2022: Selbstbedienungsladen ARD
Der Skandal sind nicht die Auswüchse des Systems, der Skandal ist das System selbst.
Eric Gujer in der NZZ unter: Link

* Chronologie der Recherchen von Business Insider, die den Fall ins Rollen gebracht haben: "Wie es zum Rücktritt der ARD-Chefin Patricia Schlesinger kam". Viktoria Bräuner und Luca Schallenberger für Business Insider unter: Link

23.8.2022: Rundfunkkommission der Länder fordert einheitliche Compliance-Regeln in der ARD
Vor dem Hintergrund der Affäre beim RBB fordert die Rundfunkkommission der Länder die Schaffung von einheitlichen Transparenz- und Complianceregeln bei den ARD-Anstalten. ...
DLF, 23.8.2022 unter: Link

26.8.2022: MDR-Landesfunkhausdirektorin in Sachsen-Anhalt tritt zurück
In Sachsen-Anhalt tritt die Landesfunkhausdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks, Hoge-Lorenz, von ihrem Amt zurück. Das teilte der öffentlich-rechtliche ARD-Sender in Leipzig mit. Hoge-Lorenz war im Januar 2021 in die Position gekommen. ...
DLF, 26.8.2022 unter: Link

26.8.2022: Vorwürfe gegen NDR wegen politischer Einflussnahme von Vorgesetzten auf Berichterstattung
Der NDR-Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein will in einer Sondersitzung über Vorwürfe politischer Einflussnahme von Vorgesetzten auf die Berichterstattung des Senders beraten.
... DLF, 26.08.2022 unter: Link

Quelle: WELT, Business Insider, EPD