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7 Monate AGG: Auswertung Altersdiskriminierung

15.03.2007 - von Hanne Schweitzer

Sie erinnern sich? "Mit der Unabwendbarkeit einer Lawine"* donnerte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz damals, im August 2006 zu Tal.

Das Büro gegen Altersdiskriminierung e.V. blieb zum Glück von diesem "Ungetüm"* verschont.

So mussten wir seitdem knapp 300 Diskriminierungen wegen des Lebensalters, die uns aus der ganzen Republik gemeldet wurden, entgegennehmen und archivieren.

Mit 38,6 Prozent beziehen sich die meisten Beschwerden auf Altersdiskriminierung im Berufsleben, speziell auf Stellenausschreibungen.

Zwar verbietet es §11 AGG, Arbeitsplätze mit Altersangaben auszuschreiben, doch die Realität sieht mal wieder anders aus.

Bekanntlich zeichnet sich die Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit, ebenso wie private Online-Jobbörsen, dadurch aus, dass sie Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, online nach ihren "Wunschkandidaten" zu suchen.

Dazu braucht der Arbeitgeber seine "Wünsche" nur in die entsprechende Online-Maske der Bundesagentur eingeben und die anderen Suchkriterien ausfüllen. Unter "Sonstiges" kann er auch die Rubrik: "Alter von - bis" benutzen.

Das ist ein Verstoß gegen § 36 Abs. 2 SGB III: Nach Satz 1 darf die Agentur für Arbeit Einschränkungen von Arbeitgebern für eine Vermittlung hinsichtlich des Alters nur dann berücksichtigen, wenn diese unerlässlich sind. In den Nutzungsbedingungen des Portals der Bundesagentur heißt es dazu: Angebote von Arbeitgebern, die gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, werden nicht eingestellt!

Aber es steht da auch: "Die Bundesagentur überprüft die Angebote weder auf ihre formale und inhaltliche Richtigkeit noch auf Vollständigkeit, Rechtmäßigkeit oder Zulässigkeit".
Hier besteht dringender Handlungsbedarf! Allerdings würde es weder mich noch viele andere wundern, wenn sich die beitragsfinanzierte Bundesagentur für Arbeit sich mit dem Hinweis versuchen würde aus der Affäre zu ziehen, dass es sich bei der Suche nach "Wunschkandidaten" nicht um ein Angebot, sondern eben um ein Gesuch handeln würde.

Handlungsbedarf besteht auch in den gesellschaftlichen Bereichen, wo sich Altersdiskriminierung tagtäglich, aber fern von jeder gesetzlichen Regelung ereignet. Ganz legal und den NICHTbetroffenen sch...egal!

Diese Beschwerden (ebenfalls ab 18.8.07) betreffen zu

  • 9,7 Prozent Altersdiskriminierung durch die Finanzwirtschaft. (siehe http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=3)

  • 9,1 Prozent Altersdiskriminierung im Gesundheitsbereich. (siehe: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=4)

  • 8,1 Prozent beziehen sich auf das miserable Altersbild in diesem Land. (siehe:http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=5)

  • 6,7 Prozent Altersdiskriminierung in Rentenfragen. (siehe: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=9)

  • 4,4 Prozent Altersdiskriminierung durch die Versicherungswirtschaft. (siehe: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=12)

  • 4,0 Prozent Altersdiskriminierung im Pflegebereich. (siehe: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=8)

  • 1,7 Prozent Altersdiskriminierung im Ehrenamt. (siehe: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=2)

  • 17,8 Prozent der Beschwerden seit August 2006 beziehen sich auf Altersdiskriminierung in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. siehe:http://www.altersdiskriminierung.de/themen/index.php?thema=10)

    Diskriminierungen wegen des Lebensalters sind ein bekanntes und weit verbreitetes Phänomen. Schon 2001 hat das Büro gegen Altersdiskriminierung e.V. mit dem 1. bundesweiten Beschwerdetag zum Thema Altersdiskriminierung eine empirische Untersuchung dazu vorgelegt.
    Auch damals bezogen sich die meisten der 1.598 Beschwerden, die wir nach Geschlecht, Alter und gesellschaftlichen Bereichen differenziert ausgewertet haben, auf das Arbeitsleben! Daran hat sich in den letzten fünf Jahren nichts geändert, und in den sieben Monaten nach dem Inkrafttreten des AGG auch nicht.

    Unserer uralte Behauptung, dass die Diskriminierung wegen des Lebensalters ein urdeutsches Problem ist, hat unlängst eine Umfrage der EU zum europäischen Jahr der Chancengleichheit bestätigt.

    77 Prozent der befragten Bundesbürger geben an, dass es von Nachteil sei, wenn man hierzulande über 50 ist.
    In keinem anderen EU-Staat ist dieser Wert auch nur annähernd so hoch. In Großbritannien stimmen nur 61% der Befragten dieser Behauptung zu, in Belgien sind es 62%, in den Niederlanden 63% und in der EU der 25 sind es nur 69 Prozent.
    Das ist deutlich. Nur Roma zu sein empfinden 78% der Befragten Deutschen als noch nachteiliger, als über 50 zu sein.

    *FAZ, 9.6.2006

    Am 25. August 2007 war aus den Internetvordrucken der Arbeitsagentur die Rubrik "Alter" verschwunden. Na also!

    Das Büro gegen Altersdiskriminierung arbeitet unabhängig, überparteilich, ehrenamtlich und garantiert unsubventioniert! Das Büro erhält weder öffentliche Gelder noch Zuwendungen von Anstalten, Kirchen, Stiftungen, Kuratorien, Unternehmen, Ministerien, Kommunen, Gewerkschaften, Verbänden oder NGOs!

    Link: http://jobboerse.arbeitsagentur.de
    Quelle: diverse