Diskriminierung melden
Suchen:

Piloten: Richter finden Zwangsrente mit 60 O.K.

15.03.2007 - von Hanne Schweitzer

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat die Klage von drei Piloten gegen ihre im Tarifvertrag der Pilotengewerkschaft Cockpit vorgesehene Zwangsverrentung abgewiesen: Lufthansa-Piloten müssen mit 60 in Rente.
Die Altersbeschränkungen der Lufthansa seien "objektiv und angemessen", befanden die Richter, obwohl für die Piloten der Lufthansa-Tochter Cityline laut Tarifvertrag die Rente mit 65 objektiv und angemessen ist.

Der Anwalt der Kläger, selbst Pilot, will in die Berufung gehen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vor Inkrafttreten des AGG im Jahr 2006 entschieden, die Altersgrenze für Piloten von 65 Jahren sei rechtens (Az.:2BvR 2408/06). Die Altersgrenze verletze nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit, befanden die Richter.

In Spanien läuft zur Zeit ein Verfahren, in dem geprüft wird, ob Altersgrenzen überhaupt noch gesetzeskonform sind. Auch die Engländer haben ein Verfahren vor dem EuGH angestrengt, bei dessen Erfolg alle Zwangspensionierungsgrenzen überprüft - und so hoffen viele, europaweit gekippt werden müssten.

Das Frankfurter Gericht hält die Altersbefristungsregelung von 60 Jahren für die Lufthansa-Piloten derweil "durch ein legitimes Ziel, nämlich den Schutz von Leib und Leben der Besatzung, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten, gerechtfertigt". Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass der Tarifvertrag zwischen der Lufthansa und der Pilotengewerkschaft Cockpit die Altersgrenze von 60 Jahren bereits seit Jahren enthält und Cockpit diese Altersgrenze als soziale Errungenschaft verteidigt.

Piloten haben es nicht leicht. Ihre Sonderstellung zieht Neid auf sich. Auf einem Treffen mehrerer Leute, einen Tag nach dem Frankfurter Pilotenurteil, wurde am häufigsten die Meinung vertreten, dass Piloten es doch nicht nötig hätten, noch jenseits des 60. Lebensjahres zu arbeiten. Diese Meinung zu Ende gedacht bedeutet: Vielverdiener gehen früh in Rente, Geringverdiener arbeiten bis sie umfallen.

Nicht vergessen werden sollte bei der Diskussion um den Zwangsruhestand der Fakt, das das Zwangspensionsalter in den USA bereits 1984 (!!!!!!) in allen U.S.-Staaten gekippt wurde. Seitdem können Arbeitnehmer selbst entschieden, wann sie in Rente gehen. Es gibt dort zwar immer noch ein Renteneintrittsalter, damit wird aber lediglich das Mindestalter für den staatlichen Rentenbezug markiert, nicht das zwangsweise Ausscheiden aus der Berufstätigkeit.
Eine solche Regelung wird bei uns auch kommen müüssen. Die Generationen mit den Minirenten stehen an der Schwelle zum Rentenalter.

Das Pilotenurteil wurde vom HR-Fernsehen zum Anlass für einen Beitrag über das Zwangsrentenalter genommen. Jacqueline Dreihaupt in ihrem Beitrag am 15. März 2007:
Länger Arbeiten verboten!
Arbeiten im Alter ist nicht einfach. Statt auf qualifizierte Fachkräfte zu setzen, werden den Senioren Steine in den Weg gelegt.
Reinhard Prigge ist 60 Jahre und Flugkapitän. Er hat 36 Jahre gearbeitet - in seinem absoluten Traumjob. Der Flugkapitän im Ruhestand erzählt: "Stellen sie sich vor, sie haben einen Schreibtisch, der mit 950 Stundenkilometer durch die Gegend fliegt. Sie gehen morgens an den Schreibtisch und wenn sie den Arbeitstag geschafft haben, sind sie in San Francisco oder Hongkong – das ist doch faszinierend." Damit ist seit seinem 60 Geburtstag Schluss, jetzt sieht er die Flugzeuge nur noch von unten. Der Tarifvertrag will es so. Tests bestanden - ausgemustert
Arbeiten nur bis 60 – jetzt sei er zu alt, meint sein ehemaliger Arbeitgeber. Prigge ist da anderer Meinung: "Ich bin fit und ich bin kompetent, und ich würde schon gerne noch weiterfliegen. Wir haben hier eigentlich eine ganz irre Situation. Da gibt es Kapitäne die kompetent sind und es gibt einen Flugbetrieb, dem fehlen so viele Piloten, dass Flugzeuge physisch am Boden bleiben, und dann gibt es diese Tarifklausel, die den Flugbetrieb behindert, die Piloten weiter zu beschäftigen."

Absurd. Der Lufthansa fehlen qualifizierte Piloten und Reinhard Prigge darf nicht, obwohl er alle sieben, harten Leistungschecks im letzten Jahr mühelos bestand. Prigge: "Piloten bestehen entweder ihre Check oder nicht. Es gibt die Möglichkeit, die Checks zu wiederholen. Check wieder nicht bestanden, sind die Piloten raus aus dem Flugbetrieb."

Arbeit hält fit
Das Lebensalter ist ein ganz schlechter Indikator für Leistungsfähigkeit, findet Rentenexperte Axel Börsch-Supan. Flexibilität beim Rentenalter ist angesagt: "Es ist ein riesengroßes Vorurteil, dass Menschen automatisch mit dem Alter weniger produktiv sind, weniger arbeiten können. Das mag für einige zutreffen, aber es gibt so viele verschiedene Menschen für viele trifft das nicht zu." Sieglinde Reutlinger ist 92 Jahre alt und hat 40 Jahre als Betriebsärztin gearbeitet. Auch für sie war mit 65 erst mal Schluss - Ruhestand. Damit wollte sie sich nicht abfinden. Sie suchte sich neue Arbeitgeber, hatte Glück, Betriebsärzte waren gefragt. 19 Jahre hat sie noch gearbeitet bis sie 84 wurde. Zuletzt in diesem Betrieb. Für sie ist das Gefühl gefragt zu sein - ein wahres Lebenselexir: "Alle anderen, die das nicht haben, bauen ab. Doch man bleibt leistungsfähig, weil man gefordert wird." Von einem pauschalen Rentenalter hält sie nichts: "Altersgrenzen halte ich nicht mehr für zeitgemäß, es liegt an den einzelnen Menschen, also muss man die Menschen fragen, ob sie noch weiterarbeiten können und wollen. Und wenn sie gesund sind, können sie das auch."

Länger arbeiten sichert auch die Rente
Wenn Menschen wie Sieglinde Reutlinger länger arbeiten, haben alle etwas davon. Vor allem das Rentensystem, findet auch der Rentenexperte Prof. Axel Börsch-Supan: "Das ist ganz simpel. Jedes Jahr , das ein Mensch länger einzahlt in das Rentensystem hat die Rentenversicherung mehr Einnahmen und kann auch die Rente leicht höher bezahlen. Man kann beziffern, das klingt natürlich völlig utopisch, wenn alle neun Jahre länger arbeiten würden, dann wäre der ganze demografische Wandel überhaupt kein Problem."
Prof. Christian Ohrloff, 63 Jahre alter Augenchirurg hat bisher 39 Jahre gearbeitet. Von Verschleiß noch keine Spur. Hier operiert der Klinik-Chef noch selbst, sechs Operationen jeden Tag vom Grauen Star bis zum Tumor – Fingerspitzengefühl ist alles. Und das hat er, an Ruhestand will er noch lange nicht denken: "Bei der heutigen Lebenserwartung ist es sinnvoll und gut, wenn man weiter in einem sozialen Gefüge integriert ist und mit den Erfahrungen, mit dem was gelernt hat, das weitergeben kann." Ob man ihn lässt, weiß er noch nicht. An der Leistung kann es nicht liegen. Die wird ständig kontrolliert. Die Anzahl der Patienten ist allein im letzten Jahr um 20 % gestiegen, die Qualität stimmt, das Budget auch - die Forschung brummt. Leistungskontrollen hält er für zwingend – für jedes Alter.

Wer arbeiten will, muss klagen
Flugkapitän Reinhard Prigge will sich nicht mit dem Ende seiner Karriere abfinden, er klagt. Sein Anwalt Ekkehard Helmig und das neue Gleichbehandlungsgesetz sollen ihm dabei helfen. Das europäisches Recht glauben sie auf ihrer Seite. Ein Ausschluss allein wegen des Alters sei Diskriminierung, sagt Anwalt Ekkehard: "In keinem Beruf ist eine generelle Altersbegrenzung mehr möglich, die willkürlich nur an das Alter knüpft. Starre Altersgrenzen beruhen auf einer gesellschaftlichen Einstellung, bei der man meint, mit einem bestimmten Alter müsste Schluss sein und man glaubt, man würde den Menschen etwas Gutes tun, obwohl sie eigentlich arbeiten wollen und leistungsfähig sind." In erster Instanz hat Pilot Prigge gestern verloren. Aber er kämpft weiter, denn er möchte weiter fliegen.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1686
Quelle: Az: 6 Ca 7405/06