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Altersgrenze für Ärzte: Bei Unterversorgung obsolet?

16.11.2007 - von Name + Adresse sind der Redaktion bekannt

Mehr als 40.000 Haus-, Fach- und Krankenhausärzte werden wegen der bestehenden Regelungen zur Zwangspensioneierung in den nächsten fünf Jahren aus der Patientenversorgung ausscheiden. "Inzwischen sei ein Ärztemangel zu beklagen", sagte unlängst der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe auf einem Kongress für Ärzte und junge Mediziner.

Mehr als 4.200 Ärzte mit deutschem Pass sind allein im Vereinigten Königreich beim General Medical Council (GMC) registriert. Auf der Insel ist der Ärztemangel so gravierend, dass dort an einem Wochenende ca. 1.000 € netto zu verdienen sind.

Zwei Drittel der Medizinstudenten können sich laut Umfrage des Deutschen Ärzteblatts von Anfang des Jahres 07 durchaus vorstellen, in einem anderen Land zu arbeiten. Bislang wird die Abwanderung bundesdeutscher Ärzte aber noch ganz gut durch die Zuwanderung von Ärzten aus anderen Staaten ausgeglichen.

Problem Nummer eins aber bleibt: Das Zwangspensionsalter der Ärzte. Sie verlieren, ob sie wollen oder nicht, mit 68 Jahren automatisch ihre Kassenzulassungen. Dazu erhielt das Büro gegen Altersdiskriminerung folgende Mail:

Mein Vater ist seit 1973 niedergelassener Augenarzt in NRW. Im Juni nächsten Jahres wird er 68 und verliert gem.§95VII 3SGB V seine Zulassung. Da mein Vater kerngesund ist, sich auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit befindet und eine Volle Praxis hat, die immer noch und immer wieder auch von jungen und neuen Patienten aufgesucht wird, empfindet er den Entzug der Zulassung als eine "Zwangsverschickung in die Arbeitlosigkeit".

Besonders absurd erscheint diese Restriktion vor dem Hintergrund, dass in Gebieten, wo eine Unterversorgung droht (was hier noch nicht geprüft ist) Ärzte sehr wohl über das 68. Lebensjahr hinaus praktizieren dürfen. Sind die plötzlich leistungsfähiger? Ganz sicher würden die meisten
Patienten sich wünschen, weiterhin von einem erfahrenen und überhaupt
nicht "alterseingeschränkten" Arzt weiterbehandelt zu werden.
Meines Erachtens ist der §95 auch mit den vorrangigen Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechtes unvereinbar.


Leider ändert auch die Möglichkeit, die Praxis privat weiterzuführen nichts an der Absurdität des Zulassungsentzuges mit 68. In Wahrheit war dieser Paragraph durch rein politische Gründe (die damals zu hohe Zahl der Kassenärzte) motiviert. Im Falle meines Vaters lässt sich trotz vielseitiger Bemühungen kein junger Nachfolger finden.

Und, um noch einmal auf die Privatpatienten zurückzukommen: Wo gibt es so viele Privatpatienten, dass sich durch diese die finanziellen Aufwendungen eines Praxisbetriebes bestreiten ließen? (Also nur eine Lösung für jene Ärzte, die es finanziell nicht mehr nötig haben zu arbeiten; das dürfte in der Realität heute in vielen Fällen anders aussehen).

Davon abgesehen ist es also ein Privileg der zahlenden Privatpatienten, auch weiterhin den langjährigen Arzt "ihres Vertrauens" aufsuchen zu können. Allen anderen bleibt diese Möglichkeit verwehrt?!
Es lebe der Sozialstaat, haha.
Faktisch bleibt es eine reine Altersdiskriminierung und ein Berufsverbot aus fadenscheinigen Gründen, die sich der Staat schon ganz bald nicht mehr wird leisten können.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre pesönliche, freundliche und schnelle Antwort.
Eine besorgte Tochter

Ärzte, die jenseits der Altersgrenze von 68 KassenpatientInnen behandeln und abrechnen "dürfen", bitten wir um Rückmeldung!

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2275
Quelle: Mail an die Redaktion

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