07.07.2009 - von Werner Schlemo
Die Plünderung der Rentenkasse durch die bundesdeutsche Politik hat dazu geführt, dass diese leer ist. Politik will das nicht hören. Lieber weist sie die Schuld daran dem bösen Gesell "demografischer Wandel" zu. Nachdem der CDU-Abgeordnete Spahn in der ARD-Sendung Anne Will am 21.6.09 einräumte, dass versicherungsfremde Leistungen "früher" aus der Rentenkasse gezahlt worden seien, erläutert Werner Schlemo in einem Brief vom 0.3.07.09 an Jans Spahn dieses "früher".
Herrn
Bundestagsabgeordneten Jens Spahn
Betr.: Anne-Will-Sendung am 21. 06.09 Ihre Ansichten über der GRV aufgebürdete versicherungsfremde Leistungen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, während der o.g. TV-Diskussion am 21. Juni 2009 über die Frage, wer für die durch das Gesetz entstehenden Kosten aufkommen wird - wenn in Zukunft keine Rentenkürzungen erfolgen, haben Sie sich dahingehend geäußert, dass versicherungsfremde Leistungen der GRV „früher“ nicht durch Steuermittel gedeckt gewesen seien, dass dies aber heute anders sei.
Was verstehen Sie unter „früher“? Meinen Sie damit die gesamten vergangenen 50 Jahre von 1958 bis 2008? Sie hatten schon 2008 bei einer ähnlichen TV-Sendung fest darauf beharrt, dass durch 80 Milliarden € aus Steuermitteln längst alle die der GRV aufgebürdeten versicherungs-externen GRV-Auslagen immer „gedeckt“ gewesen seien – auch die von der GRV getragenen Kosten der Wiedervereinigung, von denen der zurückgetretene SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck im Sommerinterview des ZDF im Juni 2008 sagte: „Der Löwenanteil der Einigung wurde fälschlich aus den Sozialkassen finanziert“ – das müsse „in Ordnung gebracht werden.“
Sie erhielten bereits mehrmals per Fax ausführliche Details über die seit 50 Jahren stattfindende Zweckentfremdung von GRV-Beitragsüberschüssen. Diese für versicherungs-externe Zwecke entnommenen Beitragsüberschüsse belaufen sich nunmehr – wie Otto Teufel (ADG) in seiner 2008 veröffentlichten „Neuen Rentenklautabelle“ erklärt, auf 524.775 Milliarden € (für die Zeit von 1958 bis 2007) - in Zahlen ausgedrückt - um es deutlicher zu machen - sind das 524.775.000.000 €uro.
Diese Beitragsüberschüsse von 524.775 000 000 €, mittels Zinseszinsrechnung leicht errechenbar, hätten seit 1958 – wenn wie bis 1957 vor Einführung des Umlageverfahrens - angelegt statt zweckentfremdet zu werden, zu GRV-Reserven von mehr als einer Billion € (in Zahlen:
1 000 000 000 000 € geführt und solche unsinnigen Gesetze wie „Rente mit 67“ oder „Rente in unbestimmter Höhe“ wären selbst in konjunkturschwachen Zeiten für die nächsten 20 Jahre nicht erforderlich. Dem ist nur eine niedrige Verzinsung von 3 % zugrunde gelegt worden.
Hinzu kommt noch die leicht nachweisbare Tatsache, dass das von einer Mehrheit der jetzigen Rentner zu Zeiten der Vollbeschäftigung eingezahlte Kapital bei einer Verzinsung von 3 % sogar bei laufendem Rentenbezug nicht abnimmt, sondern sogar noch anwächst. Wenn Sie das nicht glauben, bin ich gerne bereit dafür den Nachweis zu erbringen. Der ständig zitierte so genannte „demographische Faktor“ ist deshalb tatsächlich eine erbärmliche, dreiste Lüge, wie es in einigen Quellen heißt. Sogar bei weit niedrigerer Verzinsung reichen solche Kapitalansammlungen aus, bis man uralt wird. Davon leben und profitieren private Rentenversicherungen. Nun kann man wirklich nicht sagen, dass 2007 „früher“ gewesen sein soll.
Ähnliches trifft auf eine Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 2006 zu als eine „Kleine Anfrage einer ganzen Gruppe von Abgeordneten erfolgte, die in Erfahrung bringen wollte in welcher Höhe die GRV mit versicherungsfremden Leistungen belastet werde, es ist in dieser „Kleinen Anfrage“ von 6 bis 19 Milliarden bezogen auf 2005 die Rede.
Sie hatten versichert, dass Sie die Ihnen seinerzeit zugegangenen Informationen „im Hinterkopf gespeichert“ hätten und sie in Ihre Arbeit „einfließen lassen“ wollten. Anscheinend haben Sie jedoch die Ihnen zugegangen Informationen nicht in ausreichendem Umfang zur Kenntnis genommen – jedenfalls muss das vermutet werden wegen der Art und Weise, wie Sie dem „wirtschaftsweisen“ Professor Bernd Raffelhüschen in der Sendung am 21.06.09 beigepflichtet haben. Deshalb nehmen Sie, bitte, von der beigefügten „Rentenklautabelle“,veröffentlicht im letzten Jahr, also 2008, und der „Kleinen Anfrage“ vom 17.05.2006 genauer Kenntnis, damit den Zuschauern solche Szenen wie bei der Anne-Will-Sendung erspart bleiben. Denn die Wähler sind dank der heute zugänglichen Quellen besser informiert als Sie es ahnen. Über zunehmende Politikverdrossenheit brauchen Sie und Ihre Kollegen sich daher nicht zu wundern.
Hochachtungsvoll!
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In der Sendung hatte Diskussionsteilnehmerin Lisette Milde gesagt, dass sich der Staat seit Jahrzehnten fleissig aus der Rentenkasse bedient hat und u.a. schon zu Adenauers Zeiten Geld aus der Rentenkasse genommen wurde, um es für den Aufbau der Bundeswehr zu verwenden. Frau Engelen-Käfer ergänzte, dass die deutsche Einheit die Rentenkassen auch belastet hätten. Zu diesen beiden Aussagen hat Werner Schlemo die Antworten der beiden Diskussionsteilnehmer Raffelhüschen und Spahn protokolliert: Prof. B. Raffelhüschen: „…eins kann ich beurteilen. Also, wenn behauptet wird, - - äh - - dass aus der Rentenkasse – äh -- `mal die Bundeswehr finanziert wird, oder wenn behauptet wird, Sie, Frau Engelen-Kefer, dass aus der Rentenkasse die ostdeutschen Renten….“ und weiter:
„ …erklären Sie mir mal Folgendes: Die Rentenkasse wissen wir, ist ein Umlageprinzip. Punktum. Wir wissen, dass jeden Tag das, was reingenommen wird, ´rausgegangen wird, ja? Das heißt auf gut Deutsch. dass das, was - in der Rentenkasse ist nix `drin. Und nun erklären Sie mir ´mal, wie viel Sie eine leere Kasse plündern. Das würde mich `mal sehr interessieren.„
Jens Spahn (CDU-Bundestagsabgeordneter): „Also, da hat ja Herr Raffelhüschen Recht. Man kann nicht etwas plündern, wo nichts ist im Umlageverfahren …“ etwas später, ebenfalls Jens Spahn): „Also, man kann nicht etwas plündern, wo nichts ist, also insofern wurde nicht etwas weggenommen, sondern die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zahlen höhere Beiträge im laufenden System, aber es wurde nicht aus einem irgendwie angesammelten Vermögen …denn … was anderes, das ist was anderes, das ist ein großer Unterschied zum ‚Plündern.’ Zum Zweiten – es ist mittlerweile - … Sie haben Recht, im Anfang war es nicht so…“
„Neue Rentenklautabelle“ veröffentlicht 2008 von der ADG Link
„Kleine Anfrage“ Drucksache 16/1452 16. Wahlperiode 10. 05. 2006 Link (Mittlerweile nicht mehr aufrufbar!)Darin heißt es: "Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem Jahresgutachten 2005/2006 festgestellt, dass die Rentenversicherung versicherungsfremde Leistungen in Höhe zwischen 6 und 19 Mrd. Euro erbringt, die nicht durch Bundeszuschüsse abgedeckt sind."
Die entsprechende hib-Meldung 152/2006 dazu lautet: Im Bundestag notiert: Versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage Berlin: (hib/MPI)
Die FDP-Fraktion mahnt eine genaue Erfassung der Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung an. In einer Kleinen Anfrage (16/1452) will sie von der Bundesregierung wissen, welche Kosten etwa durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten und das Fremdrentengesetz entstehen. Die Liberalen verweisen auf das Jahresgutachten 2005/2006 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wonach die Rentenversicherung versicherungsfremde Leistungen in Höhe von 6 bis 19 Milliarden Euro erbringt, die nicht durch Bundeszuschüsse gedeckt seien. Um die gesetzliche Rentenversicherung nachhaltig zu finanzieren, müssten gegenwärtige und zukünftige Belastungen präziser erfasst werden, fordert die FDP. Herausgeber: Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Die Antwort der Bundesregierung erfolgte am 29. 05. 2006, Drucksache 16/1614, Titel: Erfassung der Ausgaben und Einnahmen der Gesetzlichen Rentenversicherung für versicherungsfremde Leistungen.
Auszüge aus der Antwort: „Statistische Daten zu Entgeltpunkten,Rentenanwartschaften oder Rentenausgaben im Zusammenhang mit nicht beitragsgedeckten Zeiten liegen in der hierfür erforderlichen Differenziertheit oftmals nicht vor. Es gibt jedoch Schätzungen zur Höhe der Ausgaben aufgrund nicht beitragsgedeckter Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 1995 und 2003 ….“
„Im Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen und der Bundesleistungen an die Rentenversicherung an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (Ausschussdrucksache 15(8)1799) wurde daher neben der Abgrenzung des VDR auch eine um den West-Ost-Transfer sowie Teile der Hinterbliebenenversorgung erweiterte Abgrenzung nicht beitragsgedeckter Leistungen dargestellt und diese Aufwendungen für das Jahr 2003 beziffert. Zudem wird in dem Bericht der Bundesregierung eine Abschätzung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen vorgenommen, die bis zum Jahr 2017 reicht ….“
Die Bundesregierung vertritt außerdem die Auffassung, „dass wegen der Multifunktionalität der Bundeszuschüsse ein direkter Vergleich dieser Zahlungen mit den nicht durch Beiträge gedeckten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung unzulässig ist ….“
Multifunktionalität der Bundeszuschüsse macht Vergleich mit Beitragszahlungen unzulässig? Warum denn das? Und was hat diese Behauptung damit zu tun, dass die aus Steuermitteln stammenden „Bundeszuschüsse“ so unzureichend sind, dass sie zu den exorbitanten Fehlbeträgen in der Rentenklautabelle geführt haben, für die alleine die Beitragszahler aufkommen müssen?!
Die Bundesregierung meint weiter:
„... Die Bundeszuschüsse dienen nicht allein zum Ausgleich gesamtgesellschaftlicher Lasten, die der Rentenversicherung übertragen wurden ...“ oder „aufgebürdet“. Nein, nein. Die „Bundeszuschüsse“) haben „vielmehr ... außerdem eine allgemeine Sicherungsfunktion. Der Bund gewährleistet mit seinen Zahlungen die Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch unter sich ändernden ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen …“
In logischer Reihenfolge ergibt sich daraus: Zuerst werden der Gesetzlichen Rentenversicherung Zahlungen aufgebürdet, die eigentlich von allen SteuerzahlerInnen getragen werden müssten. Also auch von den Beamten, den Selbstständigen usw. Danach tut die jeweilige Regierung so, als bewahre sie die Gesetzliche Rentenversicherung vor dem Problem der Zahlungsunfähigkeit durch ach so generöse, in Wirklichkeit aber viel zu niedrige Steuertransfers. Diese begründet sie mit „die Leistungsfähigkeit der GRV gefährdende ökonomische und demographische Rahmenbedingungen".
Man kann jedoch aus dem oben in Absatz 2 zitierten Teil der Begründung aus dem Jahre 2006 ersehen, dass die Bundesregierung die Gesetzliche Rentenversicherung mit versicherungsfremden Leistungen bis ins Jahr 2017 zu belasten gedenkt, womit die Mär von den angeblich „durch Zuschüsse gedeckten Fremdleistungen“ der GRV widerlegt wird.
siehe auch: "Roman Herzog: Ältere plündern Jüngere aus": Link
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