Norderney Foto: Hanne Schweitzer
27.09.2010 - von Name ist der Redaktion bekannt
Der Adolf hat uns um unsere Kindheit und um unsere Jugend betrogen, schreibt Herr H. - und heute? Immer mehr RentnerInnen fühlen sich um eine gerechte Rente betrogen. So schreibt Herr H.:
Geboren wurde ich 1937 in Bremen. 1940 fielen in Bremen die ersten Bomben, auf dem Weg zum Bunker fiel mein Vater mit mir auf dem Arm in einen Bombentrichter, den eine Sprengbombe gerissen hatte, dabei erhielt ich eine Kopfverletzung. Außerdem einen Schock.
Wir wurden evakuiert nach Sachsen, in die Nähe von Dresden. Dort verbrachte ich die Zeit bis zur Flucht bis 1945. Der Schock saß mir in den Knochen bis zum 10 Lebensjahr. Mein Bett war an allen vier Seiten mit Stricken an den Wänden festgebunden, und trotzdem jede Nacht: Mein Bett fliegt weg, mein Bett fliegt weg."
Ich war dort mit meiner Mutter und meinem 16 Monate älterem Bruder, mein Vater war in Bremen geblieben. Er hatte einen Gartenbaubetrieb und musste Gemüsepflanzen für die Bauern ziehen. Mein Vater musste nicht mehr in den Krieg. Er war 1889 geboren, darum zu alt. Wir hatten durch den Krieg alles verloren, die Wohnung und die Gärtnerei: ausgebombt.
1945 mussten wir innerhalb von zwei Stunden unser Dorf in Sachsen verlassen. Wir hatten einen kleinen Handwagen, auf den wir das Nötigste gepackt hatten. Wir waren gut sechs Wochen unterwegs, ehe wir in Bremen ankamen. Wir sind vier mal durch die russischen Kampftruppen in der Nacht geschlichen, denn der Amerikaner ging immer wieder zurück. Wenn wir ein Flugzeug hörten, sind wir in den Straßengraben. Es waren Tiefflieger. Die schossen auf alles, waren sie weg, gingen die Überlebenden weiter. In den sechs Wochen unserer Flucht haben wir Kinder gebettelt, wir haben ein Ei bekommen. Das hat meine Bereitschaft zum Spenden fürs Leben beeinflusst. Und noch etwas zum Lachen: Wir saßen im Straßengraben auf der Flucht mit einer Familie beim "Frühstück". Da kam ein Mann auf dem Fahrrad an uns vorbei, das Rad beladen mit Broten. Eins fiel runter und er hatte es nicht bemerkt. Ich holte das Brot und wir teilten es unter uns auf. Es war gerade aufgegessen, da kam der Radfahrer zurück, und fragte uns, ob wir ein Brot gefunden haben.
In Bremen angekommen, fanden wir auch den Vater. Er hatte ein möblimiertes Zimmer. Wir Kinder haben in der Badewanne des Hauses geschlafen. Wir hatten noch ein Grundstück mit großen Bombentrichtern. Auf dem bauten wir eine gebrauchte Holzbarracke auf, darin haben wir gewohnt. Um einen Blumenladen zu bauen, haben wir Kinder in den Trümmern gestanden und Steine geklopft - barfuß. Die Steine mussten abends noch abgefahren werden, sonst waren sie morgens weg.
In meiner Volksschule habe ich in einer Netto-Schulzeit von 6,5 Jahren alle acht Klassen durchlaufen, Klassengröße 50 - 56 Kinder. Damals nach dem Krieg, gab es Schulspeisung. Abwr ich habe keine bekommen. Bei der Untersuchung hieß es: körperlicher Zustand ausreichend, Vater hat eine Gärtnerei. Die war aber noch ein Trümmerhaufen.
Meine Lehrzeit habe ich in drei Firmen verbracht, meine Gesellenprüfung bestanden, und meinen gelernten Beruf nie ausgeübt. Ich war nie arbeitslos, habe jede Arbeit gemacht, die Geld brachte. War 13 Jahre selbstständig, habe es bis zum Abteilungsleiter im Kaufhaus gebracht. In den 60ger Jahren habe ich zehn Jahre lang fast täglich zwei Schichten gearbeitet.
1983 machten sich die Folgen meiner Kopfverletzung (lt.MRT Frühkindliche Gehirnverletzung) bemerkbar. Daraufhin habe ich meine Arbeitszeit verkürzt auf 6 Tage bis Mittags, das waren 72% einer Vollzeit. Da ich inzwischen mein Haus hatte, wäre ich durch alle sozialen Netze gefallen.
Mit 60 Jahren bin ich als Schwerbehinderter in Rente gegangen. Die Rente heute beträgt 717 Euro netto. Die Anfangsrente vor 13 Jahren war 713 Euro netto. Wer betrügt hier wen?
Mit 64 Jahren hatte ich hunderttausend Mark, die ich für eine Sofortrente in eine Versicherung einzahlte. Nach der Umstellung auf Euro bekam ich dafür noch 375 Euro Rente. Da die Überschussbeteiligung zwei mal um je 25 Euro gekürzt wurde, habe ich heute nur noch 325 Euro. Wer betrügt hier wen?
Wenn ich mein 100 Jahre altes Haus nicht verkauft hätte, und mir ein halb so großes Haus gekauft hätte, würde es mir heute schlecht gehen. Die ewigen Zuzahlungen bei der Krankenkasse für Medikamente, die Praxisgebühr, die Zusatzgebühr sind ja auch noch zu bezahlen.
WER BETRÜGT HIER WEN?.
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